HERSBRUCKER SCHWEIZ – „Wir wollen so viel wirtschaftliche Tätigkeit wie möglich bewahren“ – aber zugleich muss „das öffentliche Leben soweit es geht heruntergefahren“ werden: Das sagte Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede an die Nation. Doch wie soll das gehen und wie schätzt die heimische Wirtschaft die Lage ein?
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„Die gesamte Situation ist für so ein mittelständisches Unternehmen nicht einfach. Hauptproblem sind die kurzfristigen behördlichen Anordnungen, die teilweise überraschend kommen und wofür es kein Handlungsszenario gibt“, fasst es Armin Götz von der IGE zusammen. Zumal als Betrieb, bei dem der Mensch als Dienstleister im Vordergrund stehe und der vor allem im Bereich Touristik von Menschen lebe.
Götz musste beispielsweise alle Reisen im April und Mai, darunter einen große Dampfzugreise durch Europa mit über 250 Reiseteilnehmern aus ganz Europa, absagen. „Das ist für uns ein enormer Umsatzverlust, da gerade diese Reisemonate für uns mit die umsatzstärksten Monate des Jahres sind.“ Er möchte die Angebote in den Herbst legen, aber ob die Situation dann besser ist, wisse ja keiner.
Wie lange noch?
Das gelte auch schon für Reisen in den Monaten Juni und Juli. „Sollte die Reisefreiheit auch hier weiter eingeschränkt sein, können wir das Veranstaltergeschäft zumachen.“ Die Lage in der Branche sei daher sehr angespannt. Auch sei das Thema Fahrkartenverkauf noch nicht geklärt.
Götz‘ Vorteil: Er hat noch den Güterverkehr, und der rolle grenzüberschreitend aus Gründen der Versorgungssicherheit. „Das Problem wird nur sein, wie wir unsere Lokführer in Zukunft zu den Einsatzorten bringen, wenn grenzüberschreitend keine Personenzüge mehr fahren.“
Das sei aber nicht die einzige Herausforderung: „Ich rechne damit, dass der Konjunktureinbruch im Güterverkehr mit einer Zeitverzögerung von zwei bis drei Wochen kommen wird.“ Im Mineralölbereich spüre die IGE bereits einen Rückgang der Transportmengen: Es fahren weniger Autos, und Flugzeuge heben immer seltener ab. „Spätestens ab Anfang April ist mit einem massiven Rückgang der Container-Transporte zu rechnen, da einfach keine Waren mehr aus China in den Häfen ankommen werden“, mutmaßt Götz.
Wichtig und tief
Er hofft daher in beiden Bereichen, dass „der Staat zu seinem Wort steht und alle Unternehmen finanziell unterstützt und wir dann rasch zur geregelten Arbeitsweise zurückkommen.“ Dass das auch wirklich geschieht, dafür setzt sich unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK) ein. „Die angekündigten Sofortmaßnahmen der Staatsregierung zur Unterstützung von Betrieben, Kleinunternehmen und Selbstständigen sind wichtige Signale, um diese tiefgehende Krise zu bewältigen“, meint IHK-Präsident Armin Zitzmann.
Allerdings müssten diese Maßnahmen unbürokratisch und flexibel umgesetzt werden, um kurzfristige und existenzgefährdende Liquiditätsengpässe zu überbrücken. IHK-Präsident Zitzmann appelliert dennoch an die Firmen, im Sinne des „ehrbaren Kaufmanns“ kulant und verständnisvoll bei Stornierungen, ausbleibenden Zahlungen, Mietrückständen und anderen Unannehmlichkeiten zu sein.
Einen ersten Schritt zur Unterstützung hat der bayerische Hotel- und Gaststättenverband gemacht: Er stundet seine Mitgliedsbeiträge, teilt er in einer Pressemeldung mit. Denn die „Umsatzeinbußen erreichen ein nie gekanntes Ausmaß und viele Betriebe haben keine ausreichenden Liquiditätsspielräume“.
TÜV setzt Prüfungen aus
Aussetzen, das tut auch der TÜV Süd: Er führt auf Grund der aktuellen Situation ab sofort in Bayern und Baden-Württemberg bis 19. April keine Theorie- und auch keine Praxisprüfungen mehr durch, so steht es in der Presse-Aussendung. Das werden die Fahrschulen zu spüren bekommen – insofern es nicht Laster oder Rettungswagen betrifft.
Schon jetzt mussten ja bekannterweise „klassische und überwiegend stationäre“ und auch „kleinere Einzelhändler“, wie es Textileinzelhändler Klaus Wiedemann schreibt, schließen: „Leider habe ich weder Klopapier, Nudeln, Mehl, Reis, etc. im Angebot.“
Der Teufel liegt laut Wiedemann im Detail: Die Läden, in denen die Bürger „Waren des täglichen Bedarfs einkaufen können“, dürfen geöffnet haben – aber was sei mit dem großen Drogeriemarkt, der Parfüm und Spielwaren hat? Bei diesen Mischbetrieben gelte das Schwerpunktprinzip: Der hat Drogerieartikel und darf damit seine anderen Artikel auch verkaufen. Und der Online-Handel gehe überall munter weiter, gibt Wiedemann zu bedenken.
Mehr als Essen
Eine gleiche Wettbewerbsverzerrung sieht der Ortsvorsitzende des Handelsverbands Bayern auch bei den großen Supermärkten mit ihren unzähligen Nonfood-Artikeln „wie Rasenmäher, Töpfen, Pfannen, Messern, Bohrmaschinen, Werkzeugen, Kaffeemaschinen, Toastern, Shirts, Nachtwäsche, BHs, Slips, etc“. Dürfen die das trotzdem alles verkaufen oder wer kontrolliert, dass sie es nicht machen, fragt er sich.
Denn: „Die Kosten für Miete, Personal, Nebenkosten, Warenrechnungen laufen weiter und die angekündigten Soforthilfen greifen aber nur, wenn man über keinerlei Rücklagen verfügt“, erklärt Wiedemann. Kredite müsse man zurückzahlen … Daher hat der Handelsverband Bayern eine offizielle Anfrage an den bayerischen Wirtschaftsminister gestellt und auf diese Ungleichheiten hingewiesen. „Eine Antwort steht noch aus.“ Er bittet aus diesen Gründen, den ortsansässigen Händlern treu zu bleiben.
Stehend, nicht reisend
Die Frage nach Gleichberechtigung treibt auch Schausteller Jürgen Wild um. „Auch uns Marktkaufleuten und Schaustellern sind staatliche Hilfen versprochen, aber wie sollen wir diese beantragen?“ Die entsprechenden Formulare des Finanzamts gelten nur für stehendes Gewerbe, nicht für reisendes, erläutert er. Wild will sich in seiner Funktion im Landesverband der Schausteller und Marktkaufleute aber dafür einsetzen, dass er und seine Kollegen finanzielle Unterstützung erhalten.
„Uns droht ein Totalausfall“, betont er. Der Sommer werde zu kurz sein, um die jetzt entstehenden Verluste aufzufangen, und sollte der Virus im Herbst wieder aufflammen, fallen möglicherweise die Weihnachtsmärkte weg. Die meisten hätten keine Sicherheiten und seien wenig abgesichert.
Mit dem Verdienst von den Weihnachtsmärkten komme er rund zwei Monate über die Runden, rechnet Wild vor. Im Frühjahr sind Versicherungen und Vorauszahlungen für Platzgelder zu leisten – und das jetzt bei null Einkommen: „Für uns ist die Situation besorgniserregend.“
Info des Landratsamts: Neben dem Sonderprogramm „Soforthilfe Corona“, das sich an Unternehmen mit Liquiditätsproblemen richtet, gibt es die Kurzarbeit. Die Zugangsvoraussetzungen sind von der Arbeitsagentur reduziert und die Leistung erhöht worden. Weitere Unterstützung soll eine vereinfachte Darlehensgewährung und die Stundung von Steuern bringen: www.stmwi.bayern.de/coronavirus.
Pressemeldung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und EnergiePositivliste: Welche Geschäfte sollen weiterhin öffnen dürfen?Stand: 23.03.2020In der nachfolgenden Positivliste wird nur auf bekanntgewordene Zweifelsfälle eingegangen. Sie dient nur als ergänzende Auslegungshilfe für die Allgemeinverfügungen.
Häufig gestellte Fragen zur Wirtschaft während der Coronakrise 1. Welche Betriebe, Einrichtungen, Ladengeschäfte, etc. dürfen geöffnet haben, betrieben werden bzw. welche Dienstleistungen dürfen ausgeübt werden? Weitere Artikel zum ThemaAbgabe von Speisen zum Mitnehmen 2. Welche Betriebe und Einrichtungen, dürfen eingeschränkt betrieben werden? Beherbergungsbetriebe: Gastronomie: Angehörige helfender Berufe 3. Was gilt bei Betrieben, die nicht eindeutig einer Branche zugeordnet werden können (Mischbetriebe)? Mischbetriebe des Handels oder der Dienstleistungen (Beispiele Kiosk, Handel mit verschiedenen Sortimenten, Schreibwarenhandel mit Poststation, Lottoläden) werden nach dem Schwerpunktprinzip beurteilt. Sie können insgesamt öffnen, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im erlaubten Bereich (Beispiel Verkauf von Lebensmitteln, Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften) liegt. Bei Mischbetrieben, bei denen der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im nicht erlaubten Bereich liegt (etwa Schreibwaren), kann ausschließlich der erlaubte Teil (etwa Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften) weiter erfolgen. Mischbetriebe des Handwerks (Betriebe des Handwerks gemäß Handwerksrolle, die daneben auch Waren verkaufen) dürfen einschließlich des Nebenbeiverkaufs von Waren weiter betrieben werden. 4. Welche Betriebe, Einrichtungen, Ladengeschäfte, etc. müssen schließen bzw. welche Dienstleistungen dürfen nicht mehr ausgeübt werden? Der Betrieb sämtlicher Einrichtungen, die nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens dienen, sondern der Freizeitgestaltung, sind untersagt: Badeanstalten, Bars, Bibliotheken, Bordellbetriebe, Click-und-Collect bei Einzelhandelsgeschäften, die nicht öffnen dürfen, Clubs, Diskotheken, Fitnessstudios, Floristen, Fort- und Weiterbildungsstätten, Gärtnereien, Golfplätze, Jugendhäuser, Jugendherbergen, Kinos, Kosmetiksalons, Ladengeschäfte des Einzelhandels (Ausnahmen siehe Nr. 1), Messen, Museen, Musikschulen, Nagelstudios, Piercingstudios, Reisebusreisen, Sauna, Schullandheime, Solarien, Spielhallen, Spielplätze, Sporthallen, Sportplätze, Stadtführungen, Tabakläden, Tagungsräume, Tanzschulen, Tattoostudios, Theater, Thermen, Tierpark, Veranstaltungsräume, Vereinsräume, Vergnügungsstätten, Volkshochschulen, Wellnesszentren, Wettannahmestellen Quellen: Basis dieser FAQ sind die Allgemeinverfügungen des StMGP in den aktuellen Fassungen gemäß Homepage des StMGP sowie die aktuelle Positivliste vom 22.03.20. |