327 Stellen sind unbesetzt

Auszubildende sind im Landkreis heiß begehrt

Das Hotel „Zur Post“ in Lauf kann froh sein: Hier haben am 1. September gleich zwei Auszubildende angefangen. Dana Heberlein lernt als angehende Hotelfachfrau unter anderem, Betten zu machen. | Foto: Braun2017/09/neue-azubis-hotel-zur-post-dana-heberlein-hotelfachfrau-bettenmachen.jpg

LAUF/NÜRNBERGER LAND — Gestern startete auch im Nürnberger Land das Ausbildungsjahr. Doch nicht jeder Betrieb, der eine Stelle anbietet, hat auch einen passenden Kandidaten gefunden. Aktuell sind noch 327 Ausbildungsplätze im Landkreis unbesetzt. Besonders hart trifft es das Handwerk.

Schnell noch den roten Arbeitskittel glatt gestrichen, eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr geklemmt, dann setzt Dana Heberlein ihr schönstes Lächeln auf. Die 17-Jährige hat ihren ersten Arbeitstag im Hotel „Zur Post“ in Lauf und wird bereits voll eingespannt. „Heute startet sie mit Etagendienst“, erklärt Chefin Ulrike Lehner, die die junge Auszubildende bereits aus dem Praktikum kennt. Etagendienst, das heißt die Zimmer für die Gäste vorzubereiten. Auch das muss eine angehende Hotelfachfrau lernen.

Weil ihre Mutter in der Branche arbeitet, habe sie schon früh ins Hotelfach hineingeschnuppert und gemerkt: „Das macht mir Spaß! Vor allem das Bedienen“, sagt Dana Heberlein. Arbeiten an Abenden und Wochenenden, wenn andere frei haben? Das kann die junge Frau nicht abschrecken. Doch das ist bei weitem nicht immer so.

Ungünstige Arbeitszeiten

Die Tourismus-, Hotel- und Gaststättenbranche rangiert auf Platz zwei der Berufe mit den meisten offenen Ausbildungsstellen im Nürnberger Land: 54 sind aktuell noch unbesetzt. „Vor allem im ländlichen Bereich ist die Erreichbarkeit oft ein Problem“, erklärt Sieglinde Mahnel, die Leiterin der Laufer Arbeitsagentur. Viele Azubis haben noch keinen Führerschein und auch die Fahrzeiten der Öffentlichen passen nicht zu ihren Arbeitszeiten.

Auch andere Branchen im Landkreis haben große Probleme, offene Lehrstellen zu besetzen – allen voran der Einzelhandel. 59 Verkäufer werden aktuell noch gesucht. In der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung (zum Beispiel Metzger und Bäcker) gibt es 30 offene Lehrstellen, bei den Einkaufs-, Vertriebs- und Handelsberufen 23, in der Gebäude- und Versorgungstechnik 20. Dabei wird auch der Unterschied zur Stadt Nürnberg deutlich. Dort sind vor allem Mechatroniker, Elektriker, Verkäufer, Logistiker, Informatiker und Pflegekräfte Mangelware.

Dass diese Berufe bei vielen Jugendlichen nicht die erste Wahl sind, liegt auch am niedrigen Gehalt, sagt Mahnel. Aber auch die immer breiter gefächerten Weiterbildungsmöglichkeiten nach dem Schulabschluss tragen dazu bei, dass immer mehr junge Menschen sich gegen eine Ausbildung und für die Berufsfachschule oder das Studium entscheiden.

Trotzdem ist die Zahl der neu geschlossenen Lehrverhältnisse im Landkreis im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um sechs Stellen (+2,36 Prozent) auf aktuell 260 gestiegen.

238 suchen noch eine Lehrstelle

Dabei gibt es durchaus noch Jugendliche, die eine Anstellung suchen. Aktuell sind bei der Agentur in Lauf 238 junge Menschen als arbeitssuchend gemeldet. „Aber nicht jeder passt eben auch auf eine offene Lehrstelle“, erklärt Mahnel. Und nicht jeder bringt das nötig Rüst­zeug und die richtige Einstellung mit, weiß Ulrike Lehner. „Wir geben längst nicht jedem, der anfragt, ein Praktikum“, erklärt die Hotelchefin. Man merke schnell, wer wirklich Lust auf den Beruf hat oder sich nur aus der Not heraus bewirbt.


Phillip Ikhisamoje möchte Koch werden. Der 20-jährige Nigerianer kam 2013 als Flüchtling nach Deutschland. | Foto: Braun2017/09/neue-azubis-hotel-zur-post-koch-phillip-Ikhisamoje.jpg

Einer, der Lust hat, ist Phillip Ikhisamoje. Der 20-jährige Nigerianer hat am 1. September eine Ausbildung zum Koch im Hotel „Zur Post“ begonnen. Er strahlt über beide Ohren, als ihm der Chef die Pfanne mit den dampfenden Pfifferlingen in die Hand drückt. Phillip kam 2013 als Flüchtling nach Deutschland und ein Jahr später nach Lauf. Deutsch zu lernen sei ihm schwer gefallen, aber nun läuft es ganz gut. Die Kollegen kennt er schon seit einem Jahr. Schließlich hat er hier in der Küche seine EQJ, die „Einstiegsqualifizierung für Jugendliche“ absolviert. „Wir sind froh, dass wir ihn haben“, sagt Ulrike Lehner. Gerade Köche seien unheimlich schwer zu finden.

Aktuell haben in ganz Mittelfranken 231 Flüchtlinge eine Lehrstelle. Die beliebtesten Berufe sind Kfz-Mechatroniker, Friseur, Anlagenmechaniker, Elektroniker, Metallbauer, Maler, Fliesenleger, Bäcker, Schreiner und Zahntechniker. Auf diese Weise konnten zahlreiche vakante Stellen besetzt werden. Doch wegen der unsicheren Aufenthaltsverhältnisse habe sich der Beratungsaufwand für Betriebe immens erhöht, sagt Mahnel. Auch im Nürnberger Land mussten Asylbewerber bereits ihre Ausbildung beenden, weil ihnen die Abschiebung droht (die PZ berichtete).

Um den hohen Bedarf an Nachwuchskräften zu decken, wird die Arbeitsagentur mitunter kreativ. So gibt es zum Beispiel eine Kooperation mit einer Hotelfachschule auf den Kanaren, die Lehrlinge nach Deutschland vermittelt.
Allen Jugendlichen, die noch keine Lehrstelle haben, rät Sieglinde Mahnel, sich an die zuständige Arbeitsagentur zu wenden. Denn noch kann man auch verspätet in den Beruf einsteigen – wie gesagt: Die Nachfrage ist groß. 

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