NÜRNBERGER LAND — Corona lässt viele Firmen den Gürtel enger schnallen. Und wo lässt sich besonders gut sparen? Beim Personal. Daher geht beispielsweise bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) die Angst um, dass Betriebe den Rotstift zuerst bei den Ausbildungsstellen ansetzen.
Die Vereinigung für die Region Nürnberg, Fürth und Nürnberger Land habe beobachtet, dass „bereits im ablaufenden Ausbildungsjahr viele Firmen die betriebliche Ausbildung deutlich zurückgefahren oder ganz eingestellt“ hätten, so Geschäftsführerin Regina Schleser.
Und die Zahlen der Nürnberger Arbeitsagentur scheinen ihr recht zu geben: Zwischen Oktober und Juni ist die Zahl der Lehrstellen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,4 Prozent gesunken.

Das relativiert Mathias Ringler von der Arbeitsagentur aber: „Eigentlich fühlt sich dieses Jahr an wie jedes andere.“ Denn: Die Arbeitslosigkeit der Unter-25-Jährigen sei aufgrund von Schulabschluss und Ausbildungsende gewohnt hoch, doch der Peak, wie es Ringler nennt, sei nach dem Sommer rasch weg. „Und dieser Höhepunkt ist nur leicht mehr als üblich und hat sich nicht um ein Vielfaches potenziert.“
„Nicht so schlimm wie erwartet“
Das mache Hoffnung, dass die Corona-Krise zumindest in dieser Hinsicht überstanden sei, sagt Ringler. Und das gelte auch für die Lehrstellen: „Es wird wohl nicht so schlimm wie erwartet. Ich denke, wir werden eine ähnliche Differenz zwischen offenen Stellen und Bewerbern wie im Vorjahr haben.“
Die Gründe: Die Nachvermittlungsphase laufe erst an. Zudem rette die gute Vorarbeit zwischen Januar und März das Jahr und viele Bewerber hätten sicher schon einen Platz, ohne dass es die Agentur weiß: „Wir kommen derzeit nicht an die Jugendlichen ran. Daher wird es spannend, was nächstes Jahr passiert“, sagt Ringler.
Aber aktuell machen ihm auch die Zahlen Hoffnung: Im Juli waren im Landkreis weniger junge Leute ohne Lehrstelle (-4,1 Prozent) und weniger Ausbildungsplätze (-23,8 Prozent) unbesetzt als im Vergleich zum Vorjahresmonat. 839 Stellen seien noch offen, 822 Personen würden noch suchen. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage ist also deutlich sichtbar, nähere sich aber an.
Stellenzahlen seit Jahren rückläufig
Was auffällt: „Stellen- und Bewerberzahl sind seit Jahren rückläufig.“ Vergleicht man aber die Zahlen aus dem ganzen Agenturbezirk in den Monaten Mai, Juni und Juli ab 2014 miteinander, springt einem ins Auge, dass die Summe in diesem Jahr um rund 1000 Stellen im Gegensatz zu den recht konstanten Zahlen vorher abgesackt ist. Trotzdem will Ringler keine Panik schüren: „Man kann daraus jetzt noch nicht ablesen, ob das ein Corona-Effekt ist.“
Gleiches ist auch schwer zu sagen, wenn man einen Blick in die Berufskategorien im Landkreis wirft. Sind es im Juli 2020 16 Prozent weniger Lehrstellen bei Produktion und Fertigung sowie knapp 29 Prozent weniger bei Unternehmensorganisation & Co. wegen der Pandemie oder der Digitalisierung und Automatisierung?
Dass beim verarbeitenden Gewerbe im Vergleich zu Juli 2019 21,8 Prozent weniger Ausbildungsplätze im Nürnberger Land angeboten werden – dafür bei den Dienstleistungen rund fünf Prozent mehr –, könnte man mit Betriebsschließungen und Kurzarbeit erklären. Doch warum wird dann auch im aktuell so nötigen Gesundheits- und Sozialwesen weniger Nachwuchs gesucht (-15,9 Prozent)? Dinge, die Ringler derzeit noch nicht einschätzen kann.
Chef der IHK Lauf gibt Entwarnung
Relativ entspannt sieht der Vorsitzende der Laufer IHK, Johannes Bisping, die Situation. Er hat sich bei Betrieben in seinem Zuständigkeitsbereich umgehört und gibt Entwarnung: „Grundsätzlich wird erfreulicherweise eifrig weiter ausgebildet“, so der Geschäftsführer von Bisping und Bisping, bei vielen Firmen genauso viel oder kaum weniger als im vergangenen Jahr.
Auffällig sei, dass viele Ausbildungsplätze heuer wesentlich kurzfristiger vergeben wurden und werden, so sei die eine oder andere Stelle immer noch offen, eine Suche nach einem Ausbildungsplatz könnte sich auch jetzt noch lohnen.
Generell bemerkt Bisping, dass die Zahl der Bewerber zurück geht. Diesen Trend gebe es branchenübergreifend und es habe ihn schon vor der Pandemie gegeben, nun sei er noch verstärkt worden: Absolventen ziehe es eher auf eine weiterführende Schule statt in die Arbeitswelt. Bisping sieht das kritisch und vermutet dahinter eine Verunsicherung der Schüler aufgrund der Pandemie. „Ich werbe für die betriebliche Ausbildung“, sagt er, „wir brauchen sie als Wirtschaft.“
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Mehr Lehrverhältnisse im Nürnberger Land
Dass „Betriebe und Schüler nur schwer zueinander fanden“, hat auch Stefanie Stein von der Handwerkskammer Mittelfranken festgestellt. Dennoch sei im Handwerk die Ausbildungsbereitschaft weiterhin gegeben: „Aus dem Nürnberger Land hören wir Gutes: mehr Lehrverhältnisse als im Vorjahr.“
Auswirkungen durch die Pandemie auf die Ausbildungsplätze gibt es bei Emuge Franken nicht, wie das Unternehmen mitteilt. 24 Ausbildungsplätze an den Standorten in Lauf und Rückersdorf waren es im vergangenen Jahr, ebenso dieses und auch nächstes Jahr, heißt es auf telefonische Nachfrage bei dem Werkzeughersteller, einem der größten Arbeitgeber in Lauf.
Auch die Behringersdorfer Firma Zapf reagiert nicht auf die Pandemie, „Ausbildung ist uns wichtig“, sagt Ulla Zapf, die für den Personalbereich zuständig ist. Der Autohändler Strobel in Schnaittach indessen räumt ein, dass man in diesem Jahr coronabedingt weniger Ausbildungsplätze hat.
In Zukunft fehlen die Azubis
Frank Richartz, dem Wirtschaftsförderer für den Landkreis Nürnberger Land, ist bewusst, dass die Situation für die Firmen derzeit schwierig und unsicher ist, aber „umso wichtiger ist die Ausbildung des Nachwuchses“. Denn bedingt durch die demografische Entwicklung würden in absehbarer Zeit viele Fachkräfte in den Ruhestand gehen. „Gerade die duale Ausbildung war Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen, den es auch für die Zukunft zu sichern gilt.“
Wer noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist, kann sich im Internet auf der IHK-Lehrstellenbörse nach freien Stellen umschauen.