ICE-Werk auf dem Muna-Gelände in Feucht

Kluger Schachzug oder echte Alternative?

Das Muna-Gelände in Feucht grenzt südlich an das Gewerbegebiet an. Es ist einer von sieben möglichen Standorten für das geplante ICE-Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn. Das Raumordnungsverfahren soll im Herbst 2021 beginnen. | Foto: Archiv/Markt Feucht2021/02/Feucht-Muna-Luftbild.jpg

FEUCHT – Nach Protesten in Altenfurt nennt die Deutsche Bahn die ehemalige Heeresmunitionsanstalt als möglichen Standort für das geplante ICE-Werk. Während Feuchts Bürgermeister Jörg Kotzur darin einige Vorteile sieht, kündigt die Ortsgruppe des Bund Naturschutz bereits Widerstand an.

Allersberg, Baiersdorf, Burgfarrnbach, Altenfurt/Fischbach sowie der Rangierbahnhof Nürnberg: Bislang hatte die Deutsche Bahn Gutachten zu fünf möglichen Standorten für das neue ICE-Instandhaltungswerk in Auftrag gegeben. Ursprünglich hätte das Raumordnungsverfahren dazu noch im Frühjahr diesen Jahres beginnen sollen. Doch daraus wird nichts: Ende Januar hat die Bahn überraschend zwei weitere, mögliche Standorte für das rund 400 Millionen Euro teure Großprojekt genannt: Die ehemalige Heeresmunitionsanstalt in Feucht sowie ein Gelände südlich dieses Areals gelegen. Da nun weitere Untersuchungen angestellt und Unterlagen zusammengetragen werden müssen, verschiebt sich das Raumordnungsverfahren voraussichtlich um ein halbes Jahr in den Herbst.

Ob die Proteste der Altenfurter und Fischbacher Bürger gegen den Standort Altenfurt (wir berichteten) die Verantwortlichen bei der Bahn dazu bewogen haben, weitere Alternativen ins Spiel zu bringen, ist offen. Ebenso, ob die Muna in Feucht als echte Alternative zu den bisher genannten Standorten betrachtet werden darf, oder eher als kluger Schachzug der Bahn, um den wohl präferierten Standort Altenfurt aus der Schusslinie und somit aus dem Fokus der Proteste zu nehmen. Wie ein Sprecher der Bahn auf Nachfrage mitteilt, kamen die neuen Standorte „nach Gesprächen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie der Regierung von Mittelfranken erst in der letzten Woche hinzu. Um nun alle sieben Standorte objektiv miteinander vergleichen zu können, werden sie anhand verschiedener Kriterien in den kommenden Monaten untersucht und entsprechend bewertet.“ Bis zum offiziellen Verfahrensstart möchte die Bahn ab April Interessierte mit Zwischenergebnissen zu den einzelnen Flächen informieren.

Bürgerverein Südost hält sich bedeckt

Wir hoffen schon, dass unsere Lichterwachen, Plakataktionen und unsere Facebook-Gruppe dazu beigetragen haben, dass die Bahn gemerkt hat, dass der Widerstand in der Bevölkerung größer ist als angenommen“, sagt Werner Miegl. Der Vorsitzende des Bürgervereins Nürnberg Südost beteuert gegenüber dieser Zeitung einmal mehr, keine Standorte außerhalb Altenfurts beurteilen zu wollen, sagt jedoch: „Wir freuen uns, dass weitere Standorte aufgenommen wurden. Zur Muna in Feucht werden wir uns erst äußern, wenn wir mehr Fakten und Informationen haben.

Deutlich mehr Redebedarf hat da freilich Feuchts Bürgermeister Jörg Kotzur. „Vor eineinhalb Wochen hat ein Mitarbeiter der Bahn bei mir angerufen und mich darüber informiert, dass die Muna als möglicher Standort geprüft wird. Ich sollte es nicht aus der Zeitung erfahren“, sagt er. Nach Kotzurs Meinung stelle das Areal „einen interessanten Standort“ dar, obwohl er einer „tickenden Zeitbombe“ gleiche. Ein Blick in die Vergangenheit untermauert Kotzurs Aussage.

Gefahr durch Blindgänger und Chemikalien

Im Jahr 1935 errichteten die Nazis auf dem Gelände eine Heeresmunitionsanstalt. Eine von der Wehrmacht betriebene, staatliche Einrichtung. Hier wurde Munition gefertigt und instand gehalten, gelagert und versandt. Arbeiter komplementierten die Munition in Feucht, das Füllen der Granaten mit Sprengstoff fand andernorts statt. Neben Sprenggranaten wurde bis etwa 1943 auch Kampfstoffmunition verarbeitet. Wenige Wochen vor Kriegsende wurden in der Muna noch rund 18 Tonnen Sprühbüchsen mit dem Kampfstoff Lost, auch bekannt als Senfgas, eingelagert. Mitte April 1945 begann die Wehrmacht mit der Sprengung von Lagerbunkern, die mit Munition belegt waren. Experten gehen von 33 Bunkern aus. Ende April 1945 nahmen schließlich US-Truppen die Heeresmunitionsanstalt ein. Zwischen September und Dezember 1945 sollen täglich etwa fünf Tonnen Munition gesprengt worden sein.

Das Gelände der Muna Feucht im Jahr 1950: Ein Stapel von 35 Zentimeter Röchlingsgranaten vor einem ausgebrannten Munitionszug inmitten einer riesigen, durch eine Explosion und einen Brand entstandenen Waldlichtung. Foto: Wehrtechnik-Museum Röthenbach2021/02/Feucht-Muna-ARchivbild-1949-1950.jpg

Komplett zerstört wurde der Munitionsbestand jedoch nicht. Noch immer droht Gefahr durch Blindgänger (Bomben und Granaten), die sich trotz jahrelanger Suche bis heute im Boden befinden und von den Wurzeln der Bäume immer näher an die Oberfläche herangetragen werden. „Sechs bis acht Meter müsste man da schon graben“, vermutet Werner Sünkel, Vorsitzender des Museums für historische Wehrtechnik, auf Nachfrage. Ein Zaun um das Areal dient zwar dem Betretungsverbot, den Regen aufhalten kann er allerdings nicht. So wird der von allerlei Chemikalien verseuchte Boden weiter ausgespült, Bestandteile gelangen ins Grundwasser.


„Chance zur Entmunitionierung“

Genau in dieser explosiven Historie sieht Jörg Kotzur aber auch eine große Chance für Feucht. „Durch das ICE-Werk könnte das Gelände endlich entmunitioniert werden“, ist er überzeugt. Nicht nur der gewerbesteuerliche Nutzen, auch die rund 450 Arbeitsplätze, die entstehen sollen, stünden Feucht gut zu Gesicht, sagt er. Sollte es darüber hinaus noch gelingen, „eine Ausgleichsfläche bei uns in der Nähe mit einer höheren Bioqualität zu bekommen, als es das Muna-Gelände besitzt“, ergänzt Kotzur, „dann hätten wir doch mehr gewonnen als verloren.“ Als gutes Beispiel nennt Feuchts Bürgermeister die Krugsweiher, die einst im Zuge des ICE-Trassenbaus als Auslgeichsfläche entstanden sind. Dennoch ist sich Kotzur bewusst, dass sich Widerstand formieren wird, sollte der Standort in die engere Auswahl kommen. „Das habe ich der Bahn auch mitgeteilt, dass es aufgrund der geplanten Juraleitung ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt ist, weil man uns aktuell sehr viel in die Natur pflanzen möchte.

Eine Meinung, die die Feuchter Ortsgruppe des Bund Naturschutz nur bestätigen kann. Vorsitzende Sophie Wurm, die sich bereits 2014 für den Erhalt des Waldes Moser Brücke stark gemacht hatte, betont: „Damals ging es um 15 Hektar Wald, das neue ICE-Werk würde 46 Hektar Wald zerstören.“ Wurm stört nicht nur die Größe des geplanten ICE-Werks, vielmehr ist es die Summe der Projekte, die immer wieder im Reichswald durchgeführt werden.

Starke Eingriffe in den Reichswald

Die geplante Juraleitung P 53, der Bau des Autobahn-Overfly der A9 und A6 am Kreuz Nürnberg-Ost und jetzt noch ein ICE-Werk: Immer wieder ist unser Reichswald betroffen“, ärgert sich Sophie Wurm und ergänzt: „Bis jetzt ist ja noch nicht viel bekannt. Sollte der Muna-Standort allerdings konkreter werden und tatsächlich in Frage kommen, wird es definitiv Proteste von unserer Seite aus geben. Wir müssen uns schon gut überlegen: Wollen wir Feucht, der Markt im Grünen, sein? Oder wollen wir ein einziges Gewerbegebiet Feucht sein?“, fragt sie rhetorisch.

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