NÜRNBERGER LAND – Seit dem Wochenende gibt es zwei bestätigte Todesfälle im Nürnberger Land als Folge einer Corona-Erkrankung; das Landratsamt ist aktuell Schaltstelle des Krisenstabes; ob der Kreistag am 4. Mai wie geplant vereidigt werden kann, steht noch in den Sternen und so wie es aussieht, wird das Krankenhaus Hersbruck in der Krise nun reaktiviert: Bewegte Zeiten für den Landkreis und kein leichter Start in die dritte Amtszeit für Landrat Armin Kroder. Die Pegnitz-Zeitung hat mit ihm gesprochen.
Herr Kroder, bevor wir uns der Situation im Landkreis widmen, kurz zu Ihnen persönlich: Die Kripo hat eine Tatverdächtige ermittelt, die hinter dem Drohbrief an die türkische Gemeinde Ditib in Röthenbach stecken soll. Auch Sie haben im Dezember Morddrohungen erhalten. Wissen Sie mittlerweile, ob es da einen Zusammenhang gibt?
Nein, das weiß ich nicht sicher, aber es spricht einiges dafür. Ich vertraue der Kripo, dass sie auch das aufklären wird. Die Ermittler haben hier wirklich schnell und gut gearbeitet.
Sie sind Landrat und Bezirkstagspräsident. Wie sieht aktuell die Verteilung Ihrer Arbeitszeit aus?
Der Schwerpunkt liegt ganz klar auf dem Landkreis. Ich bin täglich im Landratsamt, bei der Führungsgruppe und bei der Hotline, wir haben feste Besprechungszeiten. Ich war am Montag einen halben Tag in Ansbach, bin am Donnerstag noch einmal am Vormittag dort. Die restliche Zeit bin ich vor Ort in Lauf. Die Gremienarbeit ruht ja weitgehend, wir konzentrieren uns hier also voll auf die Arbeit des Landratsamtes als Untere Verwaltungsbehörde.
Konstituierende Sitzung
Wird die konstituierende Sitzung des Kreistages am 4. Mai denn stattfinden können? Versammlungen sind ja verboten.
Das wird sicher schwierig, dazu soll es aber noch genaue Anweisungen des Ministeriums geben. Wir sind ja mit mir 71 Personen, das wird in jedem Fall nicht im Sitzungssaal des Landratsamtes passieren können, vielleicht in einem anderen größeren Saal.
Sie gehen aber davon aus, dass der neue Kreistag seine Arbeit aufnehmen wird?
Ich gehe davon aus, im schlimmsten Fall könnte es eine Art Übergangslösung im Sinne einer Übergangsgeschäftsführung geben. Ich denke aber vielmehr, dass man Wege finden wird, die Konstituierung des Gremiums zu ermöglichen, wenn auch vielleicht auf bisher unmöglichen und ungewöhnlichen Wegen.
Kroder fordert mehr Handlungsspielraum
Der Sitzungssaal des Landratsamtes ist seit vergangener Woche die Schaltzentrale der Führungsgruppe Katastrophenschutz, die sich vor allem um den Nachschub von Materialien kümmert, aber auch den Einsatz der Rettungs- und Hilfsorganisationen plant. Was passiert da und inwieweit haben Sie als Landrat aktuell noch die Hoheit über Entscheidungen im Landkreis?
Es ist so, dass wir als Landratsamt im bayernweiten Katastrophenfall alle Maßnahmen mit dem Innenministerium abstimmen müssen. Entscheidungen der Führungsgruppe Katastrophenschutz melden wir an die Regierung von Mittelfranken, die diese nach München weitergibt. Als Landrat bin ich vor Ort derjenige, der die Maßnahmen mit absegnet. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, beim Thema Beschaffung mehr Handlungsspielraum zu bekommen. Ich habe deshalb mit den Fraktionssprechern im Kreistag gesprochen, sie haben einstimmig jeweils Beträgen von maximal 10 000 Euro für Anschaffungen im Einzelfall – etwa von Desinfektionsmitteln – zugestimmt. Damit haben wir mehr Beinfreiheit und sind nicht nur auf den bayernweiten Verteilschlüssel von Hilfsmitteln angewiesen.
Am Wochenende sind zwei Menschen im Landkreis an den Folgen des Corona-Virus gestorben. Hat das Konsequenzen für den Landkreis und die Arbeit des Krisenstabes?
Nein. Es gibt auch keine Hinweise, dass sich der Landkreis jetzt zu einem Hotspot entwickelt. Aktuell werden zehn Menschen wegen einer Corona-Erkrankung im Krankenhaus versorgt, drei davon werden beatmet. Wir haben 124 gemeldete Fälle. Damit liegen wir im Durchschnitt.
Wie sieht die medizinische Versorgungslage im Landkreis aus? Müssen wir uns Sorgen machen?
Wir haben momentan 35 Beatmungsplätze und 36 Intensivbetten frei. Das ist aktuell noch ausreichend. Wir haben trotzdem seitens des Landratsamtes 15 zusätzliche Beatmungsgeräte beschafft. Bei unseren Hausarztpraxen und in den Pflegeheimen müssen wir die Situation sicher verbessern, sie arbeiten seit Wochen am Anschlag. In den beiden Krankenhäusern und bei den Rettungsorganisationen ist die Versorgungslage akzeptabel.
Reaktivierung des Hersbrucker Krankenhauses?
Was gibt es für Pläne, wenn die Zahl der Corona-Patienten im Landkreis weiter ansteigt? Die Krankenhäuser Lauf und Altdorf stoßen dann ja irgendwann an ihre Grenzen.
Das Gesundheitsministerium bastelt aktuell an einem bayernweiten Plan. Aller Voraussicht nach wird auch das ehemalige Krankenhaus Hersbruck Teil des bayernweiten Konzeptes sein. Ich hielte das auch für eine gute Lösung. Nach all dem, was ich weiß, wäre es in verhältnismäßig kurzer Zeit und ohne großen Aufwand möglich, Hersbruck wieder in Betrieb zu nehmen.
Wer wird das Krankenhaus dann betreiben und wann soll das geschehen?
Wir warten aktuell auf Freigabe. Ich gehe davon aus, dass die Inbetriebnahme unter staatlicher Regie passieren wird. Wir hoffen auf die Bundeswehr.
Das heißt, in Hersbruck werden Bundeswehrärzte und Pfleger tätig werden?
Wenn es so kommt, ja, aber nicht nur. Auch Personal von derzeit geschlossenen Reha-Kliniken könnte zum Einsatz kommen.
Warum nicht das Klinikum Nürnberg?
Das Klinikum wird in den kommenden Monaten voll damit beschäftigt sein, die Häuser in Lauf und Altdorf am Laufen zu halten. Da gibt es keine Kapazitäten für die Verwaltung und Betreuung eines weiteren Hauses.
Die Wiederaufnahme der politischen Diskussion um Hersbruck ist damit fast vorprogrammiert.
Ich denke, eine politische Diskussion wäre jetzt momentan fehl am Platz. Die Inbetriebnahme im Krisenmodus bedeutet sicher auch erstmal keine Rücknahme der Entscheidung. Bevor wir Patienten in Turnhallen oder noch schlimmer in Zelten unterbringen, ist es die einzig richtige Entscheidung, sie nach Hersbruck zu bringen. Es ist ja auch noch nicht gesagt, dass wir das Haus brauchen. Es geht darum, Kapazitäten zu schaffen, falls die Zahl der Erkrankten steigt.
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Lieferketten künftig sicherer gestalten
Trotzdem: Das Beispiel zeigt: Das Sparen im Gesundheitssystem rächt sich an allen Ecken und Enden.
Das Thema Daseinsvorsorge wird nach der Krise sicher grundsätzlich neu besprochen und diskutiert werden müssen. Der Ruf derer, die nach einer Halbierung der Krankenhäuser und Betten rufen, ist derzeit kaum mehr vernehmbar. Natürlich kostet Vorsorge Geld, das ist klar, aber darüber werden wir nach der Krise neu und hoffentlich auch anders diskutieren. Doch das ist nicht das einzige Thema. Wir müssen auch darüber sprechen, wie wir uns in der kritischen Infrastruktur künftig weniger anfällig aufstellen, etwa was Lieferketten anbetrifft.
Sind die Maßnahmen zu den Ausgangsbeschränkungen, die die Bayerische Staatsregierung getroffen hat, aus Ihrer Sicht verhältnismäßig?
Zum Zeitpunkt der Entscheidung waren die Maßnahmen sicher vertretbar und fachlich begründet. Das heißt nicht, dass wir möglicherweise in einigen Monaten nicht eine andere Betrachtung dazu haben werden. Aber das hilft in dem Moment, wo man eine Entscheidung zu treffen hat, nicht. Man muss dann entscheiden. Es ist aber klar, dass dieser Zustand nicht ewig dauern kann. Auch da muss man auf Sicht fahren und fachlich wieder neu entscheiden. Ich bin gespannt, wie am Ende der zweiwöchigen Frist entschieden werden wird. Der Blick auf die Zahlen wird möglicherweise nicht mehr allein ausschlaggebend sein. Denn selbst wenn sie zurückgehen: die Unsicherheit wird bleiben.
Personelle Engpässe im medizinischen Bereich
Es heißt, die Gesundheitsämter sollen personell verstärkt werden. Wissen Sie da schon etwas?
Wir hoffen hier in Lauf nach aktuellem Stand auch auf Mitarbeiter des Landesamtes für Statistik aus Fürth zur Unterstützung. Auch mehrere Lehrkräfte haben Ihre Hilfe bei Verwaltungstätigkeiten angeboten. Das ist gut, sie können die Verwaltung unterstützen. Doch eigentlich bräuchten wir dringend personelle Verstärkung im medizinischen Bereich.
Das heißt, das Gesundheitsamt stößt mit seiner Arbeit an seine Grenzen?
In der Tat. Aktuell müssen wir ja auch alle Verdachtsfälle täglich nachtelefonieren, das wird sich auf Dauer so nicht aufrechterhalten lassen, vor allem dann, wenn es mehr werden. Ich gehe davon, dass es hier bayernweit zu einer Strategieänderung kommen wird. Man wird sich beim Testen künftig auf diejenigen konzentrieren müssen, die systemrelevant arbeiten, damit wir da Erkrankungen möglichst schnell feststellen und die Ausbreitung verhindern. Es ist ein Zahlenthema: Die Anzahl der Tests und Labore und Mitarbeiter ist einfach begrenzt.
Ein Teil der Mitarbeiter des Landratsamtes ist derzeit an den Hotlines eingesetzt und beantwortet die Fragen von Landkreisbürgern. Was ist Ihr Eindruck?
Es gibt schon viele Menschen, die sich aktuell Sorgen machen, ob persönlich oder beruflich. Ihnen versuchen wir so gut es geht, Hilfestellung zu geben und sie an Fachstellen weiterzuleiten. Es rufen aber auch viele Menschen an und bieten Hilfe an. Das macht Mut. Gemeinsam mit unserer Freiwilligenagentur WinWin und den Nachbarschaftshilfen wollen wir eine Hilfsstruktur im Landkreis aufbauen. Sich helfen zu lassen, ist keine Schande, das kann ich nur allen Bürgern sagen.