HERSBRUCK – Es wirkt ein wenig wie eine Klassenfahrt: Die Erwachsenen trotten vom ehemaligen KZ-Gelände zum PPG. Der Kopf ist nach den vielen Eindrücken des Tages merklich voll. „Wir wissen, dass wir den Teilnehmern viel abverlangen“, sagt Klaus Petersen, „aber es ist wichtig, die Örtlichkeiten und die Geschichte kennenzulernen und zusammenzubringen“.
Daher hat der Verein Dokumentationsstätte KZ Hersbruck auch diese erste von drei Tagesfahrten zu den fünf Orten der Gedenklandschaft in Hersbruck um Umgebung organisiert. Im Gegensatz zu Doggerstollen, KZ-Gelände und den Gedenkstätten in Schupf und Hubmersberg ist der Häftlingsweg von rund fünf Kilometern zwischen Hersbruck und Happurg noch nicht sichtbar, wie Vereinsvorsitzender Thomas Wrensch erklärte. „Aber die Bürger haben die Häftlinge gesehen.“
Wrensch fasste das Gesehene für die Teilnehmer – laut Ideengeber Petersen neben dem FAV Hersbruck vor allem Künstler aus den Bereichen digitale Medien, Performance, Gestaltung, Malerei und Bildhauerei – zusammen. Dabei betonte er: „Kein KZ ohne dieses gigantische Rüstungsprojekt.“ Mit Bildern gab er einen Einblick in die Doggerstollen.
Erste Inspirationen
Dass Hersbruck als Lager ausgewählt worden sei, habe an den vorhandenen Strukturen gelegen: Neben der bestehenden Kaserne gab es unbebautes Gelände und alles lag günstig an der Bahnlinie – für eine spätere eigene Laderampe. Das Erlebte und diese weiteren Infos von Wrensch ließen bei den ersten schon zaghafte Ideen sprießen. Ein Ort, ein geschlossener, fast idyllischer Raum, hatte eine Teilnehmerin inspiriert.
Um nun diese ersten Gedanken noch besser einordnen zu können, hatte der Verein Alexander Schmidt vom Nürnberger Dokuzentrum eingeladen. Er sollte nach Wunsch von Petersen den ideologischen Rahmen in den Blick nehmen und den Damen und Herren erläutern, warum sich der NS-Staat wirtschaftlich und gesellschaftlich so entwickeln konnte, dass alles auf das nationalsozialistische Gedankengut ausgerichtet war.
Auf dem Punkt
Das gelang Schmidt eindrücklich in Bildern und kurzen Thesen. So machte er deutlich, dass der Judenhass der Kern der Ideologie war und den Bürgern nicht aufgedrängt wurde; viele hätten diese Einstellung geteilt: „Oft war der Nachbar nicht böse, wenn er das Sofa des Juden günstig erwerben konnte.“ Durch das planvolle Vorgehen sei eine Gruppe in kürzester Zeit aus der Gesellschaft herausgelöst worden, so Schmidt.
Diese Gesellschaft sei keine Volksgemeinschaft unter Gleichen gewesen, sondern eine männlich geprägte Hierarchie, lautete seine zweite These. Sie definierte sich über Ausgrenzung: „Fremdes hatte keine Chance.“ Und dieses Fremde hätten die Nazis durch den Vernichtungskrieg auslöschen wollen, um so Lebensraum für die Arier zu schaffen. Die Gewöhnung der Bürger an Tod, Grausamkeiten, Gewalt und Lager machte Schmidt als möglichen Ansatzpunkt für eine künstlerische Auseinandersetzung aus.
Das notierten sich die, die aufmerksam wie Studenten mit Stift und Block zuhörten. Spätestens bei der Aussage, der Nationalsozialismus sei keine Verführung der Massen gewesen – so wie es die Propaganda-Bilder zeigen –, sondern „ein attraktives Angebot zum Mitmachen“, waren alle hellhörig.
Keine Verführung
Schmidt stellte die Frage, warum sich die Kunst mit dem Thema beschäftigen soll. „Um einen Raum in den Gedanken der Menschen und in öffentlichen Diskussionen zu besetzen, den feindliche Kräfte dann nicht mehr haben“, antwortete er sich selbst. Das brachte die Anwesenden rasch in eine Diskussion – übers Verschweigen der Zeit und über Ideen: Wie hat die Volksgemeinschaft agiert und eben nicht einzelne Verführer, das könnte man darstellen, meinten einige.
Für Wrensch ist bedeutend, dass die Werke eine Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellen. Nur so könne man aus den Erfahrungen lernen. „Wir möchten den Opfern ihre Würde zurückgeben und Menschlichkeit leben.“
Weitere Workshoptermine für Wettbewerbsteilnehmer sind am 14. August (Anmeldung bis 6. August) und am 30. September (Anmeldung bis 23. September). Infos unter www.erinnerungsraeume-hersbruck.de