Judenverfolgung in Franken

Eckart Dietzfelbinger referierte vor einem interessierten Publikum (im Vordergrund: Direktorin Daniela Eisenstein und Bürgermeister Georg Brandmüller) und stellte sich anschließend dem lebhaften Dialog mit den Zuhörern.2010/11/10787_New_1289488862.jpg

SCHNAITTACH (kro) — Das Jüdische Museum in Schnaittach hatte im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „LernNacht“ und in Erinnerung an die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zu einem gut besuchten Vortrag in den Sparkassensaal eingeladen. In dieser Nacht war damals auch die Synagoge in Schnaittach in Brand gesteckt worden. Eckart Dietzfelbinger vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg referierte über das Thema „Arisierungen in Franken“.

Mit der „Arisierung“, einem Begriff aus dem Vokabular der Nationalsozialisten, erfolgte die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzen der Juden in der NS-Zeit. Sie umfasste die Enteignung jüdischen Besitzes und Vermögens zugunsten von Nichtjuden („Ariern“) wie auch die Einschränkung jüdischer Erwerbstätigkeit und den Zugriff auf jüdisches Vermögen.

Die „Arisierung“, die zynisch auch als „Endjudung“ bezeichnet wurde, vollzogen die Nationalsozialisten in drei Phasen. Der Referent erläuterte deren Ablauf in den Städten Nürnberg, Fürth, Bamberg und Gunzenhausen, nannte Zahlen und Namen und belegte fundiert und beklemmend die Brutalität der Machthaber gerade in Franken. Diese betrieben die „Arisierungen“ in extremster Form im damaligen Deutschen Reich.

Wie im ganzen Reich, nahm die NSDAP in Franken unmittelbar mit der Machtübernahme 1933 ohne rechtliche Grundlage Zugriff auf jüdisches Eigentum. Der Gauleiter Julius Streicher und sein Stellvertreter Karl Holz agierten als eigentliche Machthaber brutal und zu ihrem Vorteil. In der ersten Phase (bis Ende 1937) wurden jüdische Unternehmer und Grundeigentümer reichsweit gezwungen, ihre Unterschrift unter die Kaufverträge zu setzen.

Mit der Folge, dass es sich bei diesen abartigen Vertragsabschlüssen formal betrachtet nicht um Enteignungen, sondern um „freiwillige“ Verkäufe an „arische“ Besitzer handelte. Auf diese Unterschrift konnten sich die Erwerber auch nach 1945 berufen, was die Auseinandersetzung mit dem Unrecht der „Arisierung“ zusätzlich erschwert.

Der Referent erläuterte anhand der Unternehmenserwerbe von Gustav Schickedanz das Zusammenspiel von Politik und Wirtschaft. Es gab bereits am 1. April 1933 einen ersten Boykotttag jüdischer Geschäfte, wie etwa im Nürnberger „Schocken“, und fast zeitgleich die Ausschaltung der jüdischen Beamten und Ärzte wie Prof. Dr. Ernst Nathan und das Berufsverbot für Rechtsanwälte. Auf dem Land waren besonders die kleinen und mittleren Betriebe betroffen, die in den Ruin getrieben wurden oder sich zu Verkäufen weit unter Wert gezwungen sahen. In Gunzenhausen fanden die gewaltsamen Übergriffe gegen die jüdische Bevölkerung mit dem sogenannten „Blutigen Palmsonntag“ noch während der ersten Phase der „Arisierung“ am 25. März 1934 einen schrecklichen Höhepunkt.

Ab der Jahreswende 1937/38 wurde die „Arisierung“ von staatlicher Seite systematisiert. Als Beauftragter bestimmte Hermann Göring, dass die Gelder aus dem sogenannten „Entjudungsprogramm“ dem Rüstungsbudget zuflossen. Vermögen über 5000 Reichsmark musste gemeldet werden.

Die dritte Phase der „Arisierung“ begann mit der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, die in Nürnberg wohl am schlimmsten im ganzen Reich ablief. Bis 1939 belief sich der Reingewinn aus den „Arisierungen“ in Franken auf 17 bis 20 Millionen Reichsmark. Die NSDAP in Franken führte ihre Gewinne nicht an den Staat ab. Streicher und Holz waren stolz auf ihre Erfolge im Kampf um die „Lösung der Judenfrage“ und beanspruchten Sonderrechte. Dies führte zur Einsetzung einer Untersuchungskommission, die sogenannte „Göring-Kommission“, deren Bericht 1940 zur Verbannung Streichers auf seinen Pleikershof bei Fürth führte.

Die „Arisierung“ endete im Zweiten Weltkrieg mit der Verwertung des Eigentums der in den Vernichtungslagern umgekommenen Juden.

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