HERSBRUCK/MEUDON – Jetzt im April jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Hersbruck zum 76. Mal. Insbesondere der Verein Dokumentationsstätte Konzentrationslager Hersbruck hat sich die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der Stadt auf die Fahnen geschrieben. Nun wurde ihm ein besonderes Schriftstück zuteil: Der Franzose Julien Dufour hat über das Leben seines Großvaters Robert Léon Dufour, der im KZ Hersbruck inhaftiert war, recherchiert.
Was wussten Sie von Ihrem Großvater, bevor Sie mit den Nachforschungen zu seiner Biografie begannen?
Ich wusste wirklich sehr wenig über ihn. Mein Vater war nicht sehr gesprächig … Er hatte nur sehr wenige Erinnerungen an ihn. Einige kleine Geschichten, das war alles. Es waren vielmehr einige Ergebnisse meiner Nachforschungen, die sein Gedächtnis aufgefrischt und Reaktionen bei ihm hervorgerufen haben. Ich habe mich oft zwischen beiden Seiten hin- und herbewegt, meinen Recherchen einerseits und meinem Vater und meinem Onkel (die zwei Kinder von Robert Dufour, die noch leben) andererseits, um bestimmte Informationen, die ich eingeholt hatte, zu bestätigen, zu verwerfen oder näher zu erläutern. Ein gutes Beispiel dafür war die Existenz des älteren Bruders von Robert Dufour, André Dufour, geboren 1896 und verstorben im Ersten Weltkrieg. Ich hatte nie von ihm gehört, aber mein Vater erinnerte sich fast wie durch ein Wunder plötzlich eines Tages im November 2020 an ihn. Ich brauchte dann nur noch schnell im Register der Toten des Ersten Weltkriegs nachzusehen, um die Daten zu bestätigen und Einzelheiten über seine Geburt und die Umstände seines Todes herauszufinden.
Die Biografie enthält oft sehr genaue Details, zum Beispiel die Beschreibung, als Robert in seinem Haus von der Gestapo verhaftet wurde. Wie sind Sie an diese Dokumente gekommen?
Ja, der Bericht über die Verhaftung meines Großvaters, handschriftlich von meiner Großmutter verfasst, war eine besonders interessante und bewegende Entdeckung. Ich fand diese Dokumente im Archiv des Verteidigungsministeriums in Vincennes. Dort fand ich auch die Liste mit den Mitgliedern des Réseau Centurie, der Widerstandsbewegung, der mein Großvater angehörte. Dieser Fund war auch besonders überraschend, weil meine Familie von der Existenz dieses Widerstandsnetzes, das immerhin eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung der Landung der Alliierten spielte, überhaupt nichts wusste.
Hat es im Verlauf Ihrer Nachforschungen Hindernisse gegeben? Blieben Fragen unbeantwortet?
Ja, es wird immer rätselhaft bleiben, warum mein Großvater deportiert und nicht freigelassen wurde wie die meisten, die mit ihm in Caen verhaftet wurden. Das ist in der Tat die zentrale Frage, die unbeantwortet blieb. Auch Einzelheiten über seine Aktivitäten im Réseau Centurie und darüber, wie weit sein Engagement in der Resistance wirklich ging, werden nie bekannt werden…

Welche Gefühle kamen in Ihnen hoch, während Sie immer tiefere Einblicke in das Leben Ihres Großvaters bekamen?
Er war ein Mann, der wahrscheinlich viel erlitten hat. Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als er 15 war, Tod seines älteren Bruders, als er 17 war, gewaltsamer Tod seiner Eltern, als er 23 war, Beginn des Zweiten Weltkrieges, als er 40 war. Verhaftung, Deportation und Tod, wahrscheinlich verbunden mit schrecklichem Leiden, im Alter von 45 Jahren (mein heutiges Alter). Robert war auch eng mit seiner Familie verbunden, er hatte drei Kinder und er hatte einen faszinierenden Beruf als Architekt, der im Calvados sehr angesehen war.
Hat Ihre Arbeit Ihren Blick auf die Geschichte und die damaligen Geschehnisse verändert?
Nicht wirklich, aber was ich gesehen habe war, mit wie viel Methode die Nazis bei der Beschaffung von Informationen über KZ-Häftlinge vorgingen. Die Menge an Informationen, die noch 75 Jahre danach vorliegen, ist phänomenal! Nach der Veröffentlichung der Biografie meines Großvaters entdeckte ich die Geschichte von Carl Schrade im Buch „Le Vétéran, Onze Ans dans les Camps de Concentration“ („Der Veteran, elf Jahre im KZ“). Ich fand diesen Zeitzeugenbericht höchst spannend und er berührte mich sehr stark. Carl Schrade, ein Held im Zweiten Weltkrieg, war im Dezember 1944 für das „Revier“, die Krankenstation in Flossenbürg, verantwortlich. Es ist durchaus möglich, dass er Robert bei dessen Einlieferung ins Revier begegnet ist. Es beruhigt mich ein bisschen zu wissen, dass Robert in den letzten Tagen seines Lebens von einem so gutherzigen Menschen wie Carl Schrade aufgenommen wurde. Er war es auch, der bei der Befreiung des Lagers im April 1945 das Totenregister versteckte, als die Nazis es suchten, um es zu verbrennen.