Demokratie gestalten

Für ein Menschenrecht auf Rechte – Vortrag über Hannah Arendt im Hersbrucker Kuba

Professor Heiner Bielefeldt erläutert im Kulturbahnhof die Aktualität der Thesen der Philosophin Hannah Arendt.
Professor Heiner Bielefeldt erläutert im Kulturbahnhof die Aktualität der Thesen der Philosophin Hannah Arendt. | Foto: Barbara Henning2024/10/IMG_6353_Arbeitskopie_2_Druck-scaled.jpg

HERSBRUCK – Der Erlanger Professor für Menschenrecht und Menschenrechtspolitik, Heiner Bielefeldt, erläuterte die bestürzende Aktualität der Schriften Hannah Arendts in unserer heutigen Zeit.

Der Hersbrucker Kulturbahnhof sei ein Ort bürgerlichen Engagements, so führt Heiner Bielefeldt von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU), Professor mit Lehrstuhl für Menschenrecht und Menschenrechtspolitik aus. Mit seinen offenen Formaten, den Improvisationen, dem Stühle rücken, damit alle Platz finden, mit seinen Themen, die Bürger bewegen, sei der Kuba ein offenes Haus zum Einbringen und Mitgestalten und damit das, was sich die Philosophin Hannah Arendt unter einer pluralistischen Gesellschaft vorstellte.

Der Hersbrucker Kulturbahnhof sei ein Ort bürgerlichen Engagements, so führt Heiner Bielefeldt von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU), Professor mit Lehrstuhl für Menschenrecht und Menschenrechtspolitik aus. Mit seinen offenen Formaten, den Improvisationen, dem Stühle rücken, damit alle Platz finden, mit seinen Themen, die Bürger bewegen, sei der Kuba ein offenes Haus zum Einbringen und Mitgestalten und damit das, was sich die Philosophin Hannah Arendt unter einer pluralistischen Gesellschaft vorstellte.

Eintauchen ins Leben einer streitbaren Demokratin

Ausgehend von diesem Grundverständnis von Arendt erlebten die dicht gedrängt sitzenden Zuhörerinnen und Zuhörer ein Eintauchen in Leben und Denken einer streitbaren Demokratin. Der Vortrag war eine Veranstaltung der Reihe „Demokratie gestalten“.

Mit einem Überblick beschreibt BieIefeldt Arendts Leben: In Hannover geboren, in einem jüdischen Elternhaus in Königsberg aufgewachsen, schon als Schülerin rebellisch und zugleich mit Bestnoten, schließlich Studium in Marburg, Freiburg, Heidelberg, mit engen Beziehungen zu Heidegger und Jaspers, ist ihr Leben ab 1933 von Flucht und Heimatlosigkeit geprägt. Zunächst in Frankreich, ab 1941 in den USA, lebt sie fast zwei Jahrzehnte als Staatenlose, geprägt von der Erfahrung, wie schwierig es ist, Zugang zu einer neuen Heimat zu finden.

Eintreten für ein „Menschenrecht auf Rechte“

Prägend, so Bielefeldt, durchzieht dies ihre Publikationen, exemplarisch ausformuliert in der Schrift „Wir Flüchtlinge“ (1943), heute besonders aktuell für ein besseres Verständnis der zu uns kommenden Geflüchteten. Hierzu gehöre auch ihr Eintreten für ein „Menschenrecht auf Rechte“, da weltweit Millionen von Flüchtlingen keinen Zugang zu einer Rechtsgemeinschaft haben.

1951 endet ihr langjährige Staatenlosigkeit mit der amerikanischen Staatsbürgerschaft, sie übernimmt verschiedene Professuren in den USA, entwickelt ihr Grundthema erfahrener Heimatlosigkeit weiter, indem sie sich intensiv mit den Entstehungsmomenten totalitärer Herrschaft auseinandersetzt, insbesondere dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus.

Totalitäre Herrschaft entwickle sich – so ihre These – zu einem geschlossenen System, das nicht real, sondern eine Fiktion sei, eine „Realitätsflucht der Massen in eine in sich stimmige Welt“, wie es Arendt ausdrückt, eine Scheinwelt der Heimatlosigkeit.

Der Mensch ist ein von Natur aus politisches Wesen

Dem Totalitären stellt sie dabei unter Berufung auf die Antike ein Menschenbild gegenüber, das den Menschen als „von Natur aus politisches Lebewesen“ sieht, das sich verwirklichen möchte im menschlichen Miteinander, in freier Interaktion.

Statt monologartige Vorgaben durch die politische Führung, so erläutert Bielefeldt, setze sie auf pluralistische Gestaltung, wehre sie sich gegen doktrinäres Denken und warnte schon Ende der 60er Jahre vor den Folgen von Lüge und Propaganda in der Politik – ein Thema, das heute aktueller denn je sei. Denn: „Sie (die Lüge) stürzt Menschen ins Bodenlose, ohne je imstande zu sein, einen anderen Boden, auf dem Menschen stehen können, zu errichten.“ (H. Arendt in „Wahrheit und Politik“, 1967).

Damit, so Bielefeldt, schließe sich der Kreis: Tatsachenwahrheiten (ein von Arendt geprägter Begriff), historische Sachverhalte, würden uminterpretiert, es entstehe ein Ersatz, in monologischer Form vorgetragen und faktisch durchgesetzt. Dies, so ordnet er Arendts Grundsätze in die heutige Zeit ein, sei deutlich sichtbar in der Geschichts-Uminterpretation in Putins System (wenn er zum Beispiel die Ukraine als historischen Teil Russlands bezeichne). Dies sei aber auch spürbar in den kulturpolitischen Ansätzen populistischer Strömungen.

Hannah Arendt ist aktueller denn je – das hat Heiner Bielefeldt in Vortrag und Diskussion anschaulich gemacht: Sie würde sich wohl – so sein Fazit – vor allem im „Nahbereich“ einsetzen, auf kommunaler Ebene, im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, im Streitgespräch, im offenen Dialog als einzig möglichem Gegenmodell zu autoritären Tendenzen. Ein lebendiger und engagierter Vortrag, der beim Publikum eine nachhaltige Wirkung hinterlassen hat.

Demokratie gestalten

In der Veranstaltungsreihe geht es am Donnerstag, 14. November, um 19 Uhr weiter mit einem Abend zum Thema „Leben mit und in anderen Kulturen“. Als Gäste werden die Autorin Eleonore Blaurock-Busch und Ukrainerinnen und Ukrainern erwartet, die einen Austausch über Flucht, Migration und Integration führen werden. Infos unter www.kulturbahnhof-hersbruck.de.

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