SCHNAITTACH – Auf dem jüdischen Friedhof in Schnaittach gibt es nun ein spezielles Angebot für Kinder. Eine Lehrerin aus Ottensoos hat ein Konzept für Friedhofsführungen für die jungen Besucher erarbeitet.
Die Führung über die drei jüdischen Friedhöfe in Schnaittach richtet sich speziell an Kinder und Jugendliche. Sandra Höfling, Grundschullehrerin in Ottensoos, hat das Konzept dazu erarbeitet. Kürzlich hat die „Junge Kirche Schönberg“ erstmals bei einer solchen Führung Erfahrungen sammeln können.
Seit rund 1700 Jahren leben Juden nachweislich auch in Deutschland. Im Festjahr 2021 schauen viele Besucher von jüdischen Einrichtungen zurück auf diese lange Epoche.
Jährliche Exkursion
Einmal im Jahr besucht das Team der Schönberger Kirche mit den Kindern Orte, die in Verbindung mit Glauben und Religion stehen. Und so war es für die Schönberger, die die ehemalige Synagoge in Ottensoos schon kannten, naheliegend, die Friedhöfe in Schnaittach zu erkunden. Nicht zuletzt deshalb, weil hier einst auch Juden aus Ottensoos ihre letzte Ruhestätte fanden.
Höfling hatte sich gut vorbereitet auf ihr Debüt. So erklärte die Pädagogin: Friedhöfe sind Orte der Geschichte und der Geschichten, sie sind sprechende Orte. Indem sie von den Verstorbenen reden, erzählen sie vom Leben. Die Steine selbst sprechen verschiedene Sprachen. Ihre Sprache aber bedarf der Übersetzung. „Wir müssen lernen, sie zu lesen“, so Höfling.
Verzierungen und Symbole geben Rückschlüsse auf das Leben der Verstorbenen, wie auch Inschriften mit Kurztexten sowie Namen und Daten. Nicht selten werden auf den Inschriften hebräische und deutsche Wörter miteinander vermischt.
Großes Interesse bei den Kleinen
Interessiert betrachteten Lukas, Valentin und Ludwig, drei der jungen Teilnehmer, die Grabsteine als historische Quellen. Die Jungs versuchten mithilfe einer Übersetzungstafel, eine hebräische Inschrift zu lesen. Dies war auch schon die erste Hürde. Denn wo beginnt die Grabinschrift? Links oder rechts? Über das Handy konnten die Interessierten sofort auf eine Datenbank des Steinheim-Instituts zugreifen und die Inschriften entziffern.
Offene Geschichtsbücher
Jüdische Friedhöfe sind wie offene Geschichtsbücher. Die wissensbegierigen Kinder und Jugendlichen faszinierte die Art der Wissensvermittlung über das Landjudentum. Sie stellten unter anderem die spannende Frage nach der Zeitrechnung im jüdischen Kalender: Weshalb beginnt die Zählung auf den Grabsteinen eben nicht mit Christi Geburt? Was bedeutet eine Kanne auf dem Grabstein? Und welches Symbol wäre auf meinem Grabstein bezeichnend für mich, mein Handy, mein Fußball?
Nach dem Besuch des Friedhofs, der von den Nazis geschändet wurde, gingen die Kinder noch auf Spurensuche im neueren Friedhof. Hier fand die letzte Beisetzung 1952 statt. Die Teilnehmer konnten nun viele Inschriften lesen und entdeckten dabei oft den Ortsnamen ihrer
ehemaligen Grundschule in Ottensoos.