RÖTHENBACH – SPD-Oberbürgermeisterkandidat aus Nürnberg trifft auf SPD-Bürgermeisterkandidat aus Röthenbach: Nasser Ahmed hat im Veranstaltungsraum Neue Mitte in Röthenbach auf Einladung der SPD-Ortsgruppe aus seinem Buch „Und dennoch stehe ich hier“ gelesen.
Der Röthenbacher Bürgermeister-Kandidat Thomas Jennemann moderierte die Veranstaltung – und hatte einige Fragen an den Kollegen. Warum Nasser Ahmed, Jahrgang 1988, denn schon in so jungen Jahren ein Buch über seinen bisherigen Lebensweg schreiben wollte, fragte Thomas Jennemann den Politiker, der in Eritrea geboren wurde. Der Gedanke sei ihm besonders durch die Vorkommnisse der letzten Zeit gekommen, so Ahmed, wie den Meldungen rund um die Potsdamer Konferenz. Aber auch die Ereignisse auf Sylt, wo junge Menschen aus privilegierten Verhältnissen erschreckenderweise rechtsextremes Gedankengut offen zur Schau stellten, hätten ihn aufgeschreckt.
Dem müsse man etwas entgegensetzen und aufzeigen, was gerade Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund zum Erfolg Deutschlands als Wirtschafts-, aber auch Friedensland beigetragen haben. Die Flucht seines Vaters Suleiman, ein damals 14-jähriger Hirtenjunge, beschreibt er in seinem Buch. Dessen Weg führte zuerst nach Ägypten, wo er zwar in ärmlichen Verhältnissen lebte, aber auf der Straße das Fußballspielen lernte, das zu einem wichtigen Teil seines Lebens wurde. Wichtiger war aber, dass er als geflüchteter Moslem die Möglichkeit erhielt, an der Al-Azhar-Universität über Basiskurse sein Studium der Islamwissenschaften und der arabischen Literatur abzuschließen. Nur über Bildung sei die gesellschaftliche Teilhabe möglich.
Vater arbeitete bei Diehl
Ende der 1970er Jahre zog es ihn weiter über Italien nach Deutschland. Dass die neue Heimat Nürnberg wurde, sei eher Zufall denn Plan gewesen. Doch er fand in Röthenbach einen Arbeitsplatz bei der Firma Diehl und gründete hier seine Familie. Seine Mutter war dagegen Analphabetin, was Nasser Ahmed durch Zufall herausfand, wie er in seinem Buch, das im Verlag VNP veröffentlicht wurde, schreibt.
Sie hielt ein Buch, das er ihr in die Hand gedrückt hatte, falsch herum. Da wurde ihm klar, dass seine Mutter nicht lesen konnte. Eine Nachbarin, Tante Karin, spielte ebenfalls eine wichtige Rolle im Leben von Nasser Ahmed. Sie sah ihn im Kinderwagen im Garten stehen und habe sich wohl irgendwie in ihn verliebt. Tante Karin unterstützte seine Familie und ihn im gesamten Schulalltag. Es komme eben auch immer darauf an, dass Kinder von zu Hause gut gefördert werden, meinte der SPD-Politiker. „Nur so können sie sich positiv entwickeln.“
Im letzten Teil seiner Lesung ging Ahmed mit viel Humor auf eine Urlaubsreise 1999 mit der Bahn ein. Da die Familie finanziell nicht so gut gestellt war, konnte sie nur mit dem damaligen „Schönes-Wochenend-Ticket“ der Deutschen Bahn verreisen. Allerdings sei das im Sommer bei 30 Grad bei einer Fahrtdauer von 13 Stunden und mehrfachen Umstiegen für eine Familie mit zwei Kindern eine Herausforderung gewesen. Eine günstige Reisemöglichkeit stelle so eine soziale Teilhabe aller Menschen dar. „Wie hat eigentlich deine Frau auf die Idee reagiert, ein Buch zu schreiben?“, fragte Thomas Jennemann den Nürnberger OB-Kandidaten. Die Idee sei ihm im Urlaub gekommen, „da hat sie natürlich gesagt, dass ich das machen kann“. Allerdings müsse er tagsüber für seine Familie da sein. „So habe ich viel in den Nachtstunden gearbeitet, was durchaus meine Lust auf Tagesaktivitäten geschmälert hat“, sagte er.
Stadt der Chancen
Das Publikum interessierte auch, was der Antrieb sei, für das Amt des Nürnberger Oberbürgermeisters zu kandidieren. Er wolle, dass Nürnberg für alle Kinder eine echte Stadt der Chancen bleibt – „besonders im Bildungssystem“, sagte Nasser Ahmed. „Es ist für mich ein Unding, dass aktuell etwa acht Prozent der Schüler in Nürnberg die Schule ohne Abschluss verlassen.“ Diese seien dauerhaft gefährdet, arbeitslos zu werden oder in die Kriminalität abzurutschen. „Das will ich ändern.“ Auf die Frage, warum er stolz sei, ein Deutscher zu sein, antwortete er: „Ich sehe, dass Deutschland ein Land der Demokratie, des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands ist. Dieses zu erhalten, bedarf allerdings in allen Bereichen guter und harter Arbeit aller Bürgerinnen und Bürger.“
Auch um die Schule ging es in dem Gespräch der beiden SPD-Politiker. Er habe keinen geradlinigen Weg hinter sich, gab Jennemann zu, sondern musste den Umweg über eine Förderschule machen, bis er zu seinem Masterabschluss kam. Aber gerade dieses Beispiel zeige, so Nasser Ahmed, dass sich im aktuellen Schulwesen etwas ändern müsse. Er empfinde beispielsweise unangekündigte Tests heute nicht mehr zeitgemäß. Entsprechende Formate müssten erarbeitet werden, wobei auf die Stärken der einzelnen Person eingegangen wird. „Gerade Tom und ich stehen dafür, welche Charaktere bei entsprechender Förderung herauskommen können“, so der SPD-Politiker.