Der Fall Weber und seine Folgen

Kein Zutritt

Die Allianz veranstaltet unter anderem Fachkongresse und Workshops. Einem solchen entstammt diese Aufnahme. | Foto: Allianz gegen Rechtsextremismus2020/10/Schwarzenbruck-Rechtspopulismus-Allianz-gegen-Rechts.jpg

SCHWARZENBRUCK – Der Schwarzenbrucker Gemeinderat verweigert der Allianz gegen Rechtsextremismus eine gemeinsame Erklärung.
 Damit bleibt Schwarzenbruck als erster Kommune überhaupt der Beitritt zu dem regionalen Bündnis verwehrt.

Schon 15 Minuten vor Beginn der Sitzung ist Schluss. Alle Zuschauerplätze belegt. Ein paar Tapfere bleiben trotzdem, verfolgen das Geschehen durch die Glastür. Im Inneren ist die Stimmung angespannt, um nicht zu sagen eisig. Und das nicht nur wegen der Lüftungsanlage, die Corona-bedingt die kalte Herbstluft in die Bürgerhalle pustet. Noch fünf Minuten bis zur Sitzung. Die Zeit, in der die Mitglieder normalerweise noch tuscheln, sich begrüßen oder ein paar Worte mit den Zuhörern wechseln. Heute sitzen alle bereits auf ihren Plätzen. Die meisten in dicke Jacken gepackt. Und warten. Dass Bürgermeister Markus Holzammer (CSU) endlich die Sitzung eröffnen möge. Und nicht nur im Publikum möchten einige sicher gleich zu Tagesordnungspunkt 4 springen.

Markus Holzammer (CSU) fürchtet rechtliche Konsequenzen im Falle einer Erklärung. Foto: CSU Schwarzenbruck2020/10/CSU-Markus-Holzammer-scaled.jpg

Holzammer warnt den Gemeinderat

Als Holzammer nach gut einer Stunde endlich den Beitritt zur Allianz aufruft, schickt er der Diskussion ein paar deutliche Worte vorweg. „Wir werden heute keine Diskussion über irgendwelche Personen oder Institutionen führen“, sagt er und ergänzt: „Sich zu politischen Ansichten von Bürgern zu äußern, gehört nicht zu unseren Aufgaben. Eine Gemeinde, die solche Äußerungen zulässt, überschreitet ihre Befugnisse.“

Petra Winterstein (Grüne) trägt keine Jacke. Aber ein Shirt, mit einer klaren Botschaft: No place for homophobia, facism, sexism, racism, hate. Nur wenige Meter hinter ihr sitzt der Mann, wegen dem sie dieses Shirt angezogen hat. Aufrecht stehend hält Winterstein der Vorbemerkung des Bürgermeisters ein Plädoyer entgegen.

Keifendes Gebaren aus dem Lehrbuch der Neuen Rechten“

Ihrer Meinung nach hätte man sich den Ärger und die Anspannung der vergangenen anderthalb Jahre ersparen können, wenn man sich schon damals klar positioniert und Peter Weber beim Namen genannt hätte – den Unternehmer, „der rechtspopulistische, migrantenfeindliche, demokratiegefährdende und menschenverachtende Thesen auf diversen sozialen Medien vertreibt“. Man hätte auf Meinungsfreiheit und das Grundgesetz verweisen können, das auch die schützt, „die es am liebsten nur für sich und die von ihnen erwählten Gruppen nutzen würden“. Und gleichzeitig hätte man festhalten können, dass die Werte, die ein Peter Weber lautstark propagiert, nicht die Werte sind, nach denen in Schwarzenbruck gelebt werde. „Hier bei uns gibt es keinen Platz für gruppenbezogenen Hass, ewig-gestriges Hinterwäldlertum und Umsturzphantasien eines alten, weißen Mannes, dessen keifendes Gebaren direkt aus einem Lehrbuch über die Neuen Rechten stammen könnte.“ Solche Sätze hätten laut Winterstein tatsächlich für Ruhe im Ort gesorgt. Denn Ruhe kehre nicht durch Totschweigen ein, sondern durch Klarheit, durch „ein klares Bekennen zur Demokratie und einer klaren Benennung ihrer Feinde“.

Nichtsdestrotz kündigt Winterstein an, dem ausgehandelten Kompromissvorschlag zuzustimmen, damit die Gemeinde doch noch den Weg in das Netzwerk der Allianz findet.

Glienke unterstützt den Kompromiss

An dem Kompromiss festhalten will auch Martin Glienke, Fraktionsvorsitzender der SPD. „Es gibt klare Grenzen, wann Recht gebrochen wird“, meint Glienke und holt zu einer ganzen Liste mit Bezug zur Gemeinde Schwarzenbruck aus: wenn Corona-Leugner dazu aufrufen, sich den geltenden Vorschriften zu widersetzen; wenn Aussagen dazu führen, dass Mitbürger bedroht und eingeschüchtert werden; wenn er als bisheriger SPD-Vorsitzender Mails erhält, die mit Sieg Heil unterzeichnet sind. Nach einigen Beispielen mehr schließt Glienke mit der Aussage, dass die SPD zu ihrem Wort stehen und bei der „von allen Fraktionen, dem Bürgermeister und den Vertretern der Allianz als Konsens gefundenen Erklärung“ bleiben will.

Zustimmung signalisiert auch die parteilose Tanja Holl, nur Tim Schenk (Bunte Liste) geht der Kompromiss nicht weit genug. Er fordert den Rat auf, „dieses eine Mal wahre Stärke zu zeigen“.

CSU-Antrag wird mit 12:8 Stimmen angenommen

Zu einer Abstimmung über die Erklärung und deren Wortlaut kommt es dann aber nicht. Denn CSU-Fraktionssprecher Hans-Jürgen Hopf stellt den Antrag, auf jegliche Erklärung zu verzichten. Seine Fraktion sieht den Gleichheitsgrundsatz in Bezug auf bisherige Antragsteller verletzt und fordert den „sofortigen Vollzug der beantragten Mitgliedschaft“. Dass sich der Gemeinderat im Herbst 2019 einstimmig für den Beitritt ausgesprochen hat, sei Beweis genug, dass die Gemeinde gegen Rechtsextremismus Position bezieht.

Neben CSU und Freien Wählern stimmen auch die beiden SPD-Gemeinderatsmitglieder Jörg Arnold und Thomas Kellermann für Hopfs Antrag und verhelfen ihm damit zu einer Mehrheit von 12:8 Stimmen. Die Diskussion am Abend ist damit beendet, die Folgen lassen nicht lange auf sich warten.


Allianz sieht Gespräche als gescheitert an

Am Mittwochvormittag tagt das Koordinierungsgremium der Allianz. Mit dem Ergebnis, dass Schwarzenbruck als erster von mehr als 150 Kommunen die Mitgliedschaft in dem Bündnis verweigert wird. „Der gestrige Beschluss entzieht einem Beitritt zur Allianz die Grundlage, indem sich die Gemeinde bereits vor Beitritt klar gegen unser Handlungsprogramm stellt, da sie nicht in der Lage ist, eine klare Positionierung abzugeben“, heißt es in einer Pressemitteilung der Allianz.

Allianz-Vorsitzender Stephan Doll bedauert das Scheitern des Beitrittsverfahrens. Foto: Allianz gegen Rechtsextremismus2020/10/Schwarzenbruck-Allianz-Staphan-Doll-scaled.jpg

„Vor diesem Hintergrund betrachten wir die vielen Gespräche um einen Beitritt der Gemeinde Schwarzenbruck zur Allianz gegen Rechtsextremismus als gescheitert“, sagt Stephan Doll, Gewerkschaftsfunktionär und Vorsitzender der Allianz. Er bedauere die Entscheidung des Gemeinderats sehr. Habe man sich in über zehn Jahren Allianz doch noch nie so viel Zeit genommen, um einer Kommune den Beitritt zu ermöglichen.

Doll sieht keine Sonderbehandlung

Im Gespräch mit der Redaktion stellt er zudem klar, dass Schwarzenbruck keiner Sonderbehandlung unterzogen worden sei. Mit einer weiteren Kommune, die Doll nicht namentlich nennen möchte, arbeite die Allianz derzeit ebenfalls an einer Erklärung. Und eines der gut 230 zivilgesellschaftlichen Mitglieder habe in der Vergangenheit eine solche ebenfalls abgegeben. Nur öffentlich geworden sei das seinerzeit eben nicht.

Das Zeichen, das vom Verzicht auf eine Erklärung ausgeht, bezeichnen Doll und das Koordinierungsgremium als fatal. „Rechtspopulistische und rassistische Äußerungen sowie diffamierende und menschenfeindliche Aussagen werden unkommentiert stehen gelassen oder nicht als ,Schwarzenbrucker Problem‘ erkannt.“

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