LAUF/NÜRNBERG – Immer und immer wieder sticht Michael M. in seinem VW Golf auf seinen Kumpel Christian B. ein. Der 27-Jährige verliert viel Blut, doch er lebt noch. M. zerrt ihn im Wald aus seinem Auto, sticht weiter zu, bis die Klinge seines Messers abbricht. Da versucht ihn zu erdrosseln. Doch weil B. noch atmet, greift M. zu einem stumpfen Gegenstand und schlägt dem kroatischstämmigen Mann mit über 20 Schlägen den Schädel ein. In grausigen Details schildert die Staatsanwaltschaft im Nürnberger Justizpalast, was sich in einer Sommernacht Mitte Juli 2019 in Lauf ereignet haben soll.
Wenige Stunden nach der Bluttat findet ein Pilzsammler die Leiche von Christian B. im Wald in der Nähe der Straße nach Schönberg nahe eines Forstwegs. Noch am gleichen Abend wird Michael M. verhaftet, seitdem sitzt er in U-Haft. Am heutigen Dienstag wird M. vor Gericht mit dem Gewaltverbrechen konfrontiert, wenige Meter vor ihm die Frau, die ihn dazu angestiftet haben soll. Sarah D. wurde ein paar Tage nach ihm festgenommen.
Kompliziertes Beziehungsgeflecht
Das Beziehungsgeflecht aller Beteiligten ist kompliziert: Sarah D. ist mit Horst D. verheiratet, doch sie empfindet keine Liebe mehr für ihn, wie sie in einem Brief an ein Mitglied einer christlichen Gemeinde in Nürnberg aus der U-Haft schildert. Sie führt eine außereheliche Beziehung zu Christian B., dem späteren Opfer. Zuvor war sie aber mit Michael M. zusammen, der sie unbedingt zurück haben möchte, wie es die Staatsanwaltschaft anhand von Textnachrichten anschaulich verdeutlicht. Dafür, so ist Staatsanwalt Simon Kroier überzeugt, wollte sie aber, dass M. über Leichen geht.
Auch M. ist verheiratet, doch der Kommissionierer ließ seine Frau und seine Heimat Stendal in Sachsen-Anhalt zurück und zog nach Lauf – laut Anklage, um die gebürtige Thüringerin Sarah D. zurückzugewinnen. In Lauf freundete er sich zum Schein mit Christian B. an, dem er ja eigentlich die Partnerin streitig machen möchte.
Etliche Textnachrichten
Die Anklage stützt sich in weiten Teilen auf Textnachrichten und Facebook-Chatverläufe, in denen Sarah D. Michael M. dazu bringen will, sowohl ihren Ehemann als auch Christian B. aus dem Weg zu räumen. Laut Staatsanwaltschaft soll sie M. über 50 Mal dazu aufgefordert haben, die Männer zu töten. „Beide weg“, schreibt sie, „müssen nur weg“. Immer wieder.
Ende Juni 2019, so schildert es der Staatsanwalt, hat sie M. weichgekocht. Er willigt ein, „da du mir alles bedeutest auf der Welt“, schreibt er am 25. Juni. „Ich möchte dich nicht mehr teilen. Wenn ich dafür einen Pakt mit dem Teufel eingehen muss, dann soll es wohl so sein“ am 30. Juni. „Ich gehe den Pakt ein und hoffe um Vergebung von Gott“ am 4. Juli. „Gott wird uns vergeben, er weiß, dass sonst Unheil geschieht“, antwortet D. Sie selbst soll geplant haben, ihren Ehemann mit einer vergifteten Cola zu töten, sah jedoch davon ab, als die Substanz die Farbe des Getränks veränderte. Das Motiv für die Taten? Die Frau wolle das gemeinsame Haus behalten, daher muss der Ehemann weg. Und sie habe nicht die Kraft gehabt, sich selbst von B. zu trennen.
Treffen vor der Sparkasse
Erst soll B., dann ihr Ehemann weichen. Anfang Juli will sich M. mit dem 27-Jährigen auf dem Laufer Kunigundenberg treffen. Sarah D. will bei der Tat selbst nicht dabei sein, wie aus dem Gesprächsverlauf hervorgeht. B., der nichts ahnt, kommt durch Zufall nicht. Er lebt noch eineinhalb Wochen, ehe er sich in der Nacht auf 14. Juli mit Michael M. vor der Sparkasse in der Altdorfer Straße in Lauf verabredet. Diese Nacht überlebt er nicht.
Über Wochen zieht sich die Kommunikation der beiden Angeklagten hin, immer wieder geht es darum, die beiden Männer zu beseitigen. Es ist eine digitale Spur, die keinen Interpretationsspielraum zulässt.
Oder doch? Nachdem die Anklageschrift verlesen wurde, gibt Sarah D.s Rechtsanwalt Malte Magold eine Stellungnahme ab, die allem widerspricht, was vorher zu hören war. „Wo bitte ist in all den Äußerungen die Aufforderung zum Töten eines Menschen? Es gibt sie nicht“, sagt Magold. Sarah D. habe den Tod von Christian B. nicht gewollt.
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Verteidiger von Unschuld seiner Mandantin überzeugt
Die Anklage stellt Magold als Geschichte dar, die der Phantasie der Staatsanwaltschaft entspringe. Seine Mandantin mag sich „moralisch massiv fragwürdig“ verhalten haben, man müsse keine Sympathie für sie empfinden. Aber sie sei unschuldig. So passe es nicht ins Bild, dass Michael M. am Nachmittag nach der Bluttat Sarah D. schreibt, den 27-Jährigen gar nicht gesehen zu haben.
Man wähnt sich während Magolds Stellungnahme in einem Geschworenenprozess in den USA, in dem es darum geht, bei zwölf zufällig ausgesuchten Bürgern Zweifel zu säen. Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth kommt es aber auf die Vorsitzende Richterin Barbara Richter-Zeininger, ihre beiden hauptamtlichen Beisitzer und zwei Schöffen an, eine einfache Mehrheit setzt sich durch.
Sarah D. droht genau wie Michael M. eine lebenslange Haftstrafe. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.