LAUF — Gestern kurz nach neun war der Spuk wieder vorbei: Fast 17 intensive Stunden hatte die BR-Radltour Lauf im Griff. Seit der Ankunft des Pulks am späten Donnerstagnachmittag brodelte das Kleinstadtleben wie selten. Die PZ hörte sich um, wie die 1200 hartgesottenen Überzeugungstäter die sechs Tage anspruchsvollen Sports und ständigen Highlifes überstehen, zum Beispiel in der Bitterbachhalle.
Keine Maus passt mehr in die Halle, 700 Männer, Frauen und einige Jugendlichen beziehen in der größten Laufer Sporthalle Quartier. Die lange Warteschlange vor dem Eingang kriecht vorwärts, die meisten lassen sich ihre gute Laune aber nicht verderben, auch nicht drinnen, wo bei weitem nicht nur die Duschen dampfen – zumindest eine Stunde lang, dann fließt nur noch kaltes Wasser. Der eine oder andere Fluch ist schon zu hören, wenn sich die Sportler, die immerhin 450 Kilometer in den Beinen haben, in engen Radlerhosen zwischen Koffern durchzwängen, um noch eine der vom THW Bayern ausgelegten Matratzen zu ergattern.
Wer jetzt erst kommt, hat den Kampf um die begehrten Randlagen schon verloren, vom perfekten Platz an einer Sprossenwand – „für die Handtücher zum Trocknen“, wie einer erklärt – gar nicht zu reden. Auch die besten Winkel im gesamten Gebäude sind längst belegt – selbst Kellernischen sind manchen lieber, als umzingelt zu sein von 200 Schnarchern. Zuspätgekommenen bleiben nur noch Oropax und auch eine gute Kondition, was das Einhalten des nächtlichen Toilettendrangs angeht.
Wer auf den Rasenstreifen vor der Halle zeltet, hat diese Probleme nicht, aber auch für die Übrigen gibt es Mittel und Wege: „Zwei Gläser Wein“, schlägt Mary Wichtl-Müller aus Polling breit lachend vor und empfiehlt generell „eine kräftige Portion Humor“. Sie weiß, wovon sie spricht, die 540 Kilometer von Bad Reichenhall nach Gunzenhausen sind ihre fünfte Tour. Gerne teilt die Oberbayerin ihre Tipps in der großen Radltour-Fangemeinde, deren Kameradschaft unschlagbar ist, wie immer wieder zu hören ist.
Das einmalige Gemeinschaftserlebnis, die schönen vorbeiziehenden bayerischen Landschaften und das nicht zu unterschätzende Abenteuer – all das sind Gründe, sich sechs Tage lang fünf Stunden in den Sattel zu setzen, sechs Stunden zu feiern und nur weitere sechs Stunden zu schlafen.
Es geht aber auch noch härter. So kommt der letzte Partygänger früh um halb vier am Bitterbach an, vermutlich nach einigen Orientierungsproblemen auf dem Rückweg, aber fröhlich, wie ein Augenzeuge tags darauf berichtet. Es ist nicht mehr festzustellen, ob er von der offiziellen Heldenwiese-Party kam oder aus der Altstadt, deren Gaststätten mehrere hundert Radler bevölkert hatten.
„Man müsste so eine Halle innen mal im Zeitraffer filmen“, meint Wichtl-Müller, um sich darüber zu amüsieren, wer über wen kullert, sich auf die falsche Matratze legt und wer – verdammt noch mal – früh um fünf in seiner Plastiktüte herumwühlt. Manch einen juckt das freilich nicht im Geringsten und er verschläft sogar das Frühstück in der Stadt. Aber irgendwie schaffen es immer wieder alle, wenn schon nicht zur Aufwärmgymnastik, so doch pünktlich zum Start. Und als sich der lange Tross um 9 Uhr an der Johanniskirche für die letzten 85 Kilometer in Bewegung setzt, ist vielfach zu hören: „Servus Lauf, schön war‘s“.