NÜRNBERGER LAND – Das Telefon klingelt fast ununterbrochen, die Patienten sind ungehalten, weil sie in der Kälte vor der Tür warten müssen und gleichzeitig flattern immer neue gesetzliche Vorgaben auf den Tisch: Die Medizinischen Fachangestellten (MFAs) in den Hausarztpraxen kämpfen in Coronazeiten an vorderster Front. Und gehören trotzdem zu den wenigen medizinischen Berufsgruppen, die bisher keinen „Corona-Bonus“ erhalten.
Katja Eder-Städtler ist seit fast 25 Jahren Arzthelferin. Eine Situation wie jetzt hat sie noch nie erlebt. Rund 140 Patienten kommen im Schnitt täglich in die Gemeinschaftspraxis von Dr. Thias und dessen Kollegen. Seit Beginn der Pandemie muss jeder klingeln. Patienten mit möglichen Corona-Symptomen erhalten dann einen Fragebogen und werden zum Hintereingang verwiesen.
„Das bedeutet, dass wir 140 Mal am Tag zur Tür müssen“, erzählt Katja Eder-Städtler. Zwar habe man eine spezielle Infektionssprechstunde eingerichtet und bestelle die Patienten im Zehn-Minuten-Takt ein. „Aber das klappt natürlich nicht immer. Die Leute sind ungehalten, wenn sie draußen warten müssen, gerade jetzt, wo es kalt wird.“ Den Unmut bekommen dann die Arzthelferinnen ab.
Keine Zeit für Patienten-Gespräch
Etwa 100 Corona-Abstriche werden in der Laufer Gemeinschaftspraxis, in der vier Ärzte arbeiten, pro Woche abgenommen. Weil dafür ein spezielles Infektzimmer eingerichtet wurde, musste eigens die EDV-Anlage aufgerüstet werden.
Montags trifft sich das Team, zu dem sechs MFAs gehören, extra deutlich früher, um die neuesten gesetzlichen Bestimmungen durchzusprechen. „Schlimm ist es nach einer Pressekonferenz. Dann klingeln alle vier Telefonleitungen durchgehend“, beschreibt Katja Eder-Städtler den stressigen Praxisalltag. Zeit, sich mit den Patienten zu unterhalten, bleibt da fast nicht mehr.
Selbstschutz ist wichtig
Angst vor Ansteckung haben sie und ihre fünf Kolleginnen dagegen nicht. „Wir schützen uns alle gut, unsere Chefs sind sehr fürsorglich.“ So hat die Praxis Dr. Thias beispielsweise in Luftfiltermaschinen investiert. Erst seit Kurzem allerdings sind wöchentliche Corona-Schnelltests für MFAs vorgesehen. Katja Eder-Städtler bedauert, dass die Wertschätzung für sie und ihre Kolleginnen im Vergleich zu anderem medizinischen Personal so niedrig ist. „Es ist schade, dass die Politik für andere einen Bonus beschlossen hat und für uns nicht. Denn wir sind für Patienten die erste Anlaufstelle.“
„Kaum mehr zu schaffen“
Dem stimmt ihre Kollegin Michaela Putz voll und ganz zu, die in der Laufer Hausarztpraxis Dr. Weinzierl tätig ist. „Der Praxisalltag ist für viele MFAs kaum mehr zu schaffen“, sagt sie. Die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit sei deshalb „ein Schlag ins Gesicht“. Seit 18 Jahren ist sie Arzthelferin, zurzeit aber sei es „richtig extrem“.
Seit Corona habe man in der Praxis von einer offenen Sprechstunde auf ein Terminsystem umgestellt. Die Telefonanlage sei allerdings oft dauerhaft besetzt, weil das Personal beschäftigt ist. Das führe wiederum dazu, dass Patienten mit Erkältungsbeschwerden spontan in die Praxis kommen, obwohl das nicht erlaubt ist.
„Wir sind tagtäglich an der Front“, beschreibt Michaela Putz die Stimmung. Die Patienten seien ohnehin verärgert, erschwerend komme aktuell hinzu, dass der Bestand an Grippeimpfungen fast aufgebraucht sei.
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Komplizierte Bürokratie
Und dann sei da noch die administrative Arbeit, die sie und ihre Kolleginnen massiv belaste. Je nach Abstrich – zum Beispiel für Patienten mit Kontakt zu Covid-Infizierten, für solche mit „nur“ Erkältungssymptomen oder für Reiserückkehrer – gebe es unterschiedliche Abrechnungsverfahren mit anderen Laborscheinen, Abrechnungsziffern usw. „Alle paar Wochen bekommen wir von der Kassenärztlichen Vereinigung ein Fax mit neuen Abrechnungsleitlinien, die ab sofort gelten“, kritisiert Michaela Putz. „Was für eine nervenaufreibende Arbeit das ist, kann ich gar nicht in Worte fassen.“
Ärzteblatt informiert
Das bestätigt Matthias Leniger, der in Lauf gemeinsam mit seiner Kollegin Lisa Noack eine Hausarztpraxis führt. „Da entscheiden Menschen in Hinterzimmern, die vom Praxisalltag keine Ahnung haben“, findet der Allgemeinmediziner klare Worte. Manches erfahre man nur übers „Ärzteblatt“. Aber das sei man von der Kassenärztlichen Vereinigung „seit Jahrzehnten gewöhnt“. Zudem sei das permanente Arbeiten mit FFP2-Masken für ihn und seine sechs MFAs anstrengend.
30 bis 40 Corona-Abstriche werden hier pro Woche vorgenommen, unter anderem in den Lebenshilfe-Wohnstätten. Dafür wurden in der Praxis zwei „Testzimmer“ eingerichtet, die nach jedem Abstrich desinfiziert werden.
Weil die Politik den MFAs einen „Corona-Zuschlag“ bislang verwehrt, hat er sich entschlossen, seinen Mitarbeiterinnen einen solchen Bonus heuer aus eigener Tasche zu zahlen.