Diskussionsrunde im Sportpark zum Thema Stromtrassen

Drohender Strommangel – nur ein Märchen?

MdL Martin Stümpfig (rechts) musste sich mit seiner Pro-Trassen-Position gegen viele wehren. Links neben ihm am Podium der Diskussionsrunde in Altdorf der Bundestagsabgeordnete der Linken, Ralph Lenkert. | Foto: Blinten2017/05/Stromtrassen-Diskussion.jpg

ALTDORF – Die taz hat in Altdorf eine Diskussionsrunde zum Thema Stromtrassen organisiert. Im Publikum waren neben vielen interessierten Bürgern Aktivisten der örtlichen Bürgerinitiativen und Zuhörer aus dem Regensburger Raum, die sich im Widerstand gegen die Trasse Süd-Ost-Link zusammengefunden haben. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig war der Watschenmann des Abends.

Wie Martin Stümpfig ergeht es einem in einer Runde von erbitterten Stromtrassengegnern, wenn man darauf hinweist, dass in Bayern nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke im Jahr 2022 zu wenig Strom fließt. Das passiert einem, wenn man die Frage stellt, wo der Strom denn herkommen soll. Die Frage ist offenbar so abstrus, dass sie in der Runde nur Stöhnen und Abwinken provozierte. Und Lacher. Spätestens jetzt weiß der Abgeordnete der Grünen, wie es für ihn laufen wird an diesem Abend im Altdorfer Sportpark, in dem sich Mitglieder der hiesigen Bürgerinitiativen gegen Stromtrassen versammelt haben. Gekommen sind aber auch viele Zuhörer aus dem Regensburger Raum, die sich im Widerstand gegen die Gleichstromtrasse im Osten Bayerns, den Süd-Ost-Link, zusammengeschlossen haben.

Quo vadis Ökopartei?

Stümpfig ist an diesem Abend nicht zu beneiden. Ursprünglich sollte der Pressesprecher des Netzbetreibers Tennet an der Veranstaltung teilnehmen, so hatten sich die Organisatoren das gewünscht. Doch das Unternehmen lehnte seine Teilnahme ab. Blieb am runden Podium also allein ein Grüner übrig, der für die Stromtrassen in die Bresche sprang. Ausgerechnet ein Grüner. Die Öko-Partei sei doch bislang immer Partner im Kampf gegen Umweltzerstörung gewesen, wirft deshalb Thomas Gründer von der Altdorfer BI in die Debatte.

Stümpfigs Kontrahenten am Podiumstisch waren Ralph Lenkert, Bundestagsabgeordneter der Linken, Alexander Rossner saß für die Initiative „Zeit zu handeln“ in der Runde, Herbert Barthel für den Bund Naturschutz, Hubert Galotzy als Sprecher der Bürgerinitiativen und, ja, Margit Kiessling für die Altdorfer Grünen, die in Sachen Stromtrassen eine andere Position vertreten als ihre Parteifreunde an der Landes- und Bundesspitze.

„Versuchskaninchen“

Hubert Galozy sieht die Bevölkerung in der Nähe der Hochspannungstrassen einer „massiven gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt“, „Versuchskaninchen“ seien die Leute, weil es keine Langzeitstudien gibt, unverantwortlich sei das. „Deshalb ist es auch eine seltsame Konstellation, dass die Grünen dasselbe fordern wie die CSU“, ärgerte sich der BI-Sprecher. Gesundheitsgefährdung? Da bat Stümpfig um Versachlichung der aufgeregten Debatte. „Die Gesundheit der Menschen liegt mir aber sehr am Herzen“, hielt ihm seine Parteifreundin Kiessling entgegen. „Deshalb lehne ich die Trassen ab.“ Stattdessen brauche man mehr Windkraft in Bayern.

Strommangel? Gibt es nicht, sagt Ralph Lenkert von der Linken. Jetzt nicht und auch dann nicht, wenn die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet sind. Für Lenkert sind die Trassen nur Profit-Maschinen der großen Konzerne. Außerdem stehen sie für den Beibehalt einer zentralen Struktur, die jede dezentrale Energieversorung verhindert, sagt der Abgeordnete der Linken. Womit er Zustimmung bei Herbert Barthel vom Bund Naturschutz erntet, der sich dafür aussprach, viel mehr dezentrale Konzepte in den Fokus zu nehmen. Konzepte? „Es gibt in Bayern kein energiepolitisches Konzept“, sagt Alexander Rossner.

Die Bürgerinitiativen haben dagegen den Verdacht, dass die großen Konzerne am Ende ganz gut mit dem Atomausstieg leben können, weil sich ihnen mit dem Bau der Trassen ganz neue Geschäftsfelder eröffnen und über die neuen Leitungen Atomstrom aus europäischen Nachbarländern transportiert und gehandelt werden kann. BI-Sprecherin Dörte Hamann warf deshalb Stümpfig vor, mit seiner Pro-Trassen-Position den Atomausstieg zu unterwandern.

„Das ist Parteienbashing“

Als Herbert Barthel SPD und CSU vorwarf, sich einer transparenten Diskussion über die Stromtrassen zu verweigern, wehrte sich Martina Baumann, die Vorsitzende der SPD im Nürnberger Land: Parteienbashing sei das. „Ich hatte mir das ganze eigentlich anders vorgestellt.“ Als Mitstreiterin der Bürgerinitiative Neunkirchen wies sie auch darauf hin, dass die Stromversorgung eine „unglaublich komplexe Materie“ sei. Moderator Jann-Luca Zinsers Frage, wo denn eigentlich die CSU an diesem Abend sei, wurde aus dem Publikum mit höhnischem Gelächter beantwortet.

Für mehr Windkraft

Schlussrunde: Moderator Zinser bat die Diskutanten am Podium jeweils um einen Abschlusssatz. „Wir haben Stromüberkapazitäten“, sagte Ralph Lenkert. „Der Bund Naturschutz begrüßt die Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen“, schloss sich Herbert Barthel an. „Es gibt ein großes Misstrauen gegenüber all denen, die über unsere Energieversorgung entscheiden“, so Alexander Rossner. „Wir haben Fakten und Quellen für die Bürger zusammengestellt“, sagte BI-Sprecher Hubert Galotzy. „Mein Wunsch wäre: 100 Prozent erneuerbare Energien ohne Stromtrassen“, so Margit Kiessling. „In Bayern müssen wir für mehr Windkraft kämpfen“, schloss Martin Stümpfig.

Das Nürnberger Land kann weiterhin vom Ausbau der Wechselstromtrasse P44mod betroffen sein. Die Verstärkungen dieser und anderer Leitungen hängen mit dem Bau des Sued-Ost-Link zusammen. Bei einem Ausfall der erdverkabelten Gleichstrom-Trasse müssen Ersatzkapazitäten zur Verfügung stehen. In der zweistündigen Diskussion kam die Trasse P44mod allerdings nicht vor.

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren