Söder-Erlass im Nürnberger Land

Das Kreuz mit dem Kreuz

Für Schulamtsleiter Joachim Schnabel war das Anbringen eines Kreuzes eine Selbstverständlichkeit – und das auch ganz ohne Söder-Erlass. | Foto: Mock2018/06/schulamt-feucht-kreuzpflicht-schnabel-e1528126325672.jpg

NÜRNBERGER LAND (mm/kp/tib/kir) — Söder-Erlass umgesetzt: Im Eingangsbereich des Amts für Landwirtschaft, des Finanzamts und des Amtsgerichts in Hersbruck sowie im Schulamt in Feucht hängen jetzt Kreuze – wie vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder verfügt. Über die Sinnhaftigkeit des Erlasses, der seit 1. Juni für alle staatlichen Behörden in Bayern gilt, wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Auch im Nürnberger Land gehen die Meinungen auseinander.

„Ja natürlich haben wir bei uns ein Kreuz“, sagt Joachim Schnabel, der Leiter des Staatlichen Schulamts in Feucht. Klein, schlicht und aus dunklem Holz gefertigt, hängt es im Eingangsbereich neben der Rezeption. Und das nicht erst seit 1. Juni, sondern bereits seit dem Umzug des Schulamts im Jahr 2014 von Lauf nach Feucht. Für ihn sei das selbstverständlich gewesen, sagt Schnabel.

Söders Kreuzerlass an sich findet er nicht problematisch: „Es ist das Recht eines Dienstherren, zu bestimmen, wie die Räume zu gestalten sind“, sagt er.

Auch im Landwirtschaftsamt und im Amtsgericht in Hersbruck wurden die Kreuze bereits am Freitag aufgehängt. Das Finanzamt in Hersbruck zog erst am gestrigen Montag vor Dienstbeginn nach. Weil „es nicht ganz so einfach war, so kurzfristig das Kreuz zu bestellen, das wir haben wollten“, sagt der stellvertretende Leiter Bernd Lindner.

Da im lichten Eingangsbereich der Behörde zudem Glas das vorherrschende Baumaterial ist, war auch die Wahl des richtigen Platzes nicht so ganz einfach – jetzt hängt das Kruzifix an der einzig „echten“ Wand über dem Tresen mit den Antrags- und anderen Formularen direkt hinter der Eingangstür.

„Ausdruck kultureller Prägung“

Seit 1. Juni muss in allen staatlichen Behörden im Bayern ein Kreuz im Eingangsbereich hängen. Einzig Hochschulen, Theater und Museen sind von der Regelung ausgenommen. Für Ministerpräsident Markus Söder ist das Aufhängen von Kreuzen in Behördeneingängen ein „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns“. Doch das sieht bei weitem nicht jeder so.

Im Eingangsbereich des Hersbrucker Amtsgerichts hängt seit Freitag ein Kreuz. | Foto: Porta2018/06/kreuzpflicht-amtsgericht-hersbruck-foto-porta.jpg

Das Foyer des Landratsamts in Lauf wird jedenfalls kein Kreuz zieren, das hat Landrat Armin Kroder so entschieden. Das Landratsamt ist keine staatliche, sondern eine kommunale Einrichtung und untersteht deshalb der „Verfügungs- und Organisationshoheit“ des Landrats. Und auch das Gesundheits- und das Veterinäramt, die früher dem Freistaat zugeordnet waren, sind inzwischen als Abteilungen dem Landratsamt unterstellt. Zwar hat der Bayerische Landkreistag eine Empfehlung an die Behörden ausgesprochen, ein Kreuz aufzuhängen, bindend ist dies aber nicht.

Weltoffenes Nürnberger Land

In einem schriftlichen Statement schreibt Kroder als Begründung für seine Entscheidung gegen das Kreuz: „Als Behörde nehmen wir diese Empfehlung zur Kenntnis. Unser wirtschaftlich starkes und soziales Nürnberger Land ist weltoffen und steht für ein friedliches und gedeihliches Miteinander der Kulturen und der Religionen im unverbrüchlichen Rahmen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.“

Auch für das Jobcenter in Lauf gilt der Erlass des Freistaats nicht, denn hier handelt es sich um eine Bundes- und Kommunalbehörde. Eine solche Entscheidung müsste daher die Trägerversammlung aus Arbeitsagenturen und Kommunen treffen, wie Mathias Ringler, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, auf Nachfrage erklärt. „Aktuell gibt es aber keinerlei Überlegungen in diese Richtung. Eine Kreuzpflicht steht nicht auf der Agenda“.

Auch die Wände im Eingangsbereich der Realschule in Feucht sind leer. Hier hängt kein Kreuz. „Ich sehe auch keine Veranlassung dazu“, sagt Direktor Christian Schütz. Die staatlichen Schulen befänden sich zwar in einem Graubereich, da sie anders als Hochschulen nicht explizit von der Verfügung ausgenommen sind, andererseits aber auch keine „reinrassige Behörde“ sind. „Eigentlich hat das Ganze keine Relevanz für uns“, sagt Schütz. Die Kreuze, die bereits in den Klassenzimmern angebracht sind, werden an Ort und Stelle bleiben. Doch ein neues Kreuz wird nicht aufgehängt.

Ähnlich sieht das Schulleiterin Konstanze Seutter vom Leibniz-Gymnasium Altdorf. Da an der Schule momentan gebaut wird, ist der Eingangsbereich ein Provisorium. „Im Container hänge ich nichts auf. Das wäre eine Profanierung und entwertet das Kreuz“, sagt sie. Zudem habe die Schule vom Kultusministerium keine konkrete Anweisung erhalten, den Kreuzen in den Klassenzimmern, ein weiteres im Eingangsbereich hinzuzufügen.

Auch von Seiten der Kirche gibt es Kritik an Söders Vorstoß. Dekan Stefan Alexander aus Lauf hatte bereits vor einigen Wochen deutliche Worte gefunden. Gegenüber der PZ sprach er von einer „scheinheiligen Debatte“. Das Kreuz dürfe nicht instrumentalisiert oder auf ein kulturelles Symbol reduziert werden. Es müsse darum gehen, „christliche Werte zu leben“ – und das sei nicht Ausgrenzung, sondern Integration und Nächstenliebe.

Auch Jan-Peter Hanstein, Laufs evangelischer Stadtpfarrer, hatte sich bereits damals kritisch geäußert. Das Kreuz dürfe nicht, wie schon so oft in der Historie als politisches Symbol missbraucht werden. „Das Kreuz ist ein Symbol dafür, dass Jesus für uns am Kreuz gestorben ist“, sagt er. „Das gilt weltweit für diejenigen, die daran glauben. Das Kreuz ist kein Symbol einer bayerischen Identität.“

Und auch Dekan Jörg Breu von der evangelischen Kirche in Altdorf äußert sich ähnlich. Er habe zwar nichts gegen Kreuze im öffentlichen Raum – Marterl sowie Weg- und Gipfelkreuze seien normal. Für ihn als Christ stehe das Kreuz für den Weg des radikalen Gewaltverzichts und der Menschenliebe bis zum Tod.

Kein Herrschaftszeichen

„Insofern schmerzt mich, dass das Kreuz immer auch in Gefahr steht, als Herrschaftszeichen missbraucht zu werden. Der Kreuzerlass kann zumindest als eine Interpretation des Kreuzes als Herrschaftszeichen missverstanden werden. Dazu tragen die Attitüde des Ministerpräsidenten beim medial inszenierten Anbringen eines Kreuzes ebenso bei, wie die fehlende Konsensbildung im Vorfeld des Erlasses“, sagt Breu. Menschen, die anderen Religionen angehören, und Atheisten, fühlten sich zudem mit dem Kreuz nicht angesprochen.

Für staatliche Räume wünsche er sich daher statt religiöser Symbole Tafeln mit dem ersten Artikel des deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

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