Corona-Krise

Lage der Reisebranche spitzt sich zu

HERSBRUCKER SCHWEIZ – Reisen nur für Geimpfte, Abschottung Tirols, kein Osterurlaub – das sind nur einige der Schlagzeilen aus den vergangenen Wochen rund ums Thema Wegfahren. Aufgrund der Corona-Pandemie und damit einhergehenden Beschränkungen werden etliche Unternehmer in der Reisebranche ans Existenzminimum getrieben.

Wie zu hören ist auch in der Region: Da müsse die Altersvorsorge hergenommen werden, um überleben zu können. Dabei hatte das Reisejahr 2020 gut begonnen. „Unsere Angebote waren sehr gut gebucht, entsprechend optimistisch starteten wir“, erzählt Armin Götz von der IGE in Hersbruck. Als nach dem Lockdown wieder Fahrten innerhalb Europas möglich waren, erarbeiteten die Touristikexperten kurzerhand ein neues Programm, das ebenfalls gut angenommen wurde, so Götz: „Mit der zweiten Welle waren wir erneut gezwungen, das Angebot wieder herunterzufahren – bis zum absoluten Stillstand Ende Oktober. Seitdem haben wir keine Reisen mehr anbieten können.“

Ähnlich gut ging es auch für Kathrin Eisenstein vom gleichnamigen Reisebüro los. Für sie wäre 2020 das dritte Jahr am neuen Standort in der Hersbrucker Poststraße gewesen; das Jahr, in dem sich der Schritt zum stationären Ladengeschäft und der damit verbundene finanzielle Aufwand in höheren Umsätzen auszahlen sollte. „Das hat sich im Januar und Februar auch gezeigt.“ Doch dann folgte im März „von heute auf morgen der totale Stopp aller Reisen“, wie es Götz beschreibt. Von April bis Oktober war Eisenstein daher mit „wilder Umbucherei“ beschäftigt: „Es wurden bereits gebuchte Reisen storniert und mehr um- statt neu gebucht – sogar im Sommer.“ Die Leute seien stark verunsichert gewesen, erkundigten sich lieber online.

Kampf um Hilfen

Kaum einer sei in den Laden gekommen: „Das ist eine Höchststrafe gewesen und hat meine Seele echt getroffen“, sagt Eisenstein offen. „2020 – beschissen wäre geprahlt und es war einfach ein einziger Kampf.“ Vor allem einer um staatliche Hilfen. Die Ansprechpartner fehlten, die Antragstellung sei ein Bürokratiemonster, das nur mit Hilfe eines Steuerberaters zu bezwingen sei. „Dieser kostet aber wiederum Geld, das momentan nicht verdient werden kann.“ Daher hat Eisenstein bereits das Gespräch mit der örtlichen Politik über diese Regelungen gesucht.

Denn es ärgert Eisenstein, dass Konzerne wie Tui große Kredite ohne große Antragsformalitäten zugeschustert bekommen, aber sich kleine und mittelständische Reisebüros großen Hürden bei der Beantragung gegenübersehen. Tui selbst reduziere Arbeitsplätze und sei seit Anbeginn der Krise nicht oder nur per Chat statt Telefon erreichbar, erlebt Eisenstein regelmäßig. „Wir in den Reisebüros sind dagegen für unsere Kunden da“, betont sie. Das sei auch eine Frage der Wertschätzung, die sie aktuell von mehreren Seiten vermisse.

Aufgeben keine Option

Seit 17 Jahren betreibe sie ihr mobiles Reisebüro und fährt zu den Menschen zum Beraten. Das könne gerade jetzt helfen, aber: „Will man in eine Stadt gehen, in der es keine Läden mehr gibt?“ Von vielen im Kollegenkreis habe sie schon gehört, dass sie aufgeben. „Ich will durchhalten, das ist mein Job, das ist mein Leben“, stellt Eisenstein klar.

„Wir warten dringend darauf, dass wieder gereist werden darf“, macht Götz die Lage bei der IGE klar. Seit Oktober sind seine Mitarbeiter in Kurzarbeit. Dank staatlicher Hilfen waren bislang alle Arbeitsplätze sicher. Zugleich musste die Reise-Sparte der IGE eigene Rücklagen angreifen: „Allerdings sind diese langsam aufgebraucht.“ Da helfe auch der Fahrkartenverkauf nicht; der laufe laut Götz auf niedrigem Niveau weiter – überwiegend im Nahverkehr. Und das zweite Standbein, der Gütertransport? „Natürlich profitiert die IGE von ihrer Vielseitigkeit und kann so auch schwierige Zeiten überbrücken“, erklärt Götz. Nur schlage sich die Krise auch im Güterverkehr nieder, weil vor allem die Mineralöltransporte rückläufig seien.

Trotz allem treibt Götz die Hoffnung an: „Wir haben ein Programm aufgelegt – mit Fahrten ab Mai innerhalb Europas.“ Denn nur einige wenige boxen derzeit ihren Urlaub wirklich durch, weiß Eisenstein. „Ich denke, viele bekommen langsam einen Lagerkoller und wollen zumindest einmal im Jahr etwas anderes sehen.“ Täglich bekomme sie daher ein bis zwei Anfragen rein, die Kunden würden aktiv suchen. Aber: „Buchungen sind aktuell wie Risikoschwangerschaften, da hängt ein Damoklesschwert über den Leuten.“


Dorn der Angst

Ungewissheit, Verschärfungen, die Ausweisung von Risikogebieten, Diskussionen ums Impfen – „das treibt den Dorn der Angst noch mehr rein“, findet Eisenstein. Entspannung verspreche Urlaub so nicht – auch wenn Reisen ja möglich sei – wenn auch mit vielen Fragezeichen. Dabei hätten beispielsweise Hotels „wahnsinnige Summen in Hygienemaßnahmen investiert“. Doch sie bleiben zu. Aufgrund dieser vielen offenen Fragen müsse sie viel Zeit für Beratung und Aufklärung aufwenden: „Jetzt brauche ich für einen Kunden so viel wie früher für zehn.“

Eisenstein fragt sich, was mit Land und Leuten passiert, wenn das noch länger so weitergeht: „Werden die Menschen wieder aufstehen und fröhlich weiterarbeiten?“ Und wer bezahle das Ganze eigentlich? „Das ist das Geld, das der Mittelstand verdient.“ Sie sieht wie Götz die Entwicklung kritisch, doch beide betonen, dass sie die Existenz dieses Virus mit all seinen Mutationen nicht bestreiten. Doch Götz hatte den Eindruck, dass die Prioritäten falsch gesetzt werden: „Es wird nichts an der prekären Situation im Gesundheitssystem verändert und es werden weiter Krankenhäuser in Deutschland für immer geschlossen.“

Das zu überdenken ist nur eine Forderung von Götz an die Politik: „Das derzeitige Hin- und Her muss aufhören und es müssen wieder planbare Vorgaben gemacht werden, was wann unter welchen Bedingungen wieder möglich ist.“ Diese fehlende Öffnungsstrategie bemängelt auch Eisenstein: „Wir treten auf der Stelle und haben keine Perspektive.“ Denn gerade als Unternehmer im Reisegeschäft brauche man langfristige Planbarkeit und nicht alle 14 Tage neue Vorgaben, die sich dann meist auch noch wiederholen, sagt Götz: „Ich habe derzeit das Gefühl, dass unsere Regierenden selbst nicht mehr wissen, wohin die Reise gehen soll.“

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