Symposium in Ottensoos

„Wir wollen die Rechte der Natur stärken“

Volker Stahlmann betreibt den Ottensooser Kulturbahnhof gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Renate Kirchhof-Stahlmann. | Foto: Krieger2017/11/VolkerStahlmann.jpg

OTTENSOOS/NÜRNBERG — Wie muss das Verhältnis zwischen Mensch und Natur gestaltet sein, damit die Erde nicht zerstört und künftige Generationen gut auf ihr leben können? Darüber diskutieren heute und morgen im Ottensooser Kulturbahnhof sowie im Nürnberger Rathaussaal Experten aus ganz Deutschland. Die Pegnitz-Zeitung hat mit Organisator Professor Dr. Volker Stahlmann vom Kulturbahnhof gesprochen.

Herr Stahlmann, worum geht es bei dem Symposium „Rechte der Natur“?
Stahlmann: Zusammengefasst darum, dass Ökonomie und Ökologie mehr in Einklang miteinander gebracht werden müssen. Gemeinsam mit dem Haus der Zukunft in Hamburg, Dr. Georg Winter, wollen wir die Rechte der Natur stärken. Bislang werden sie in unserer Rechtsordnung als Objekt definiert, was zur Folge hat, dass die Wirtschaft die Natur immer noch als „Sack voller Ressourcen“ sieht, den man beliebig ausbeuten kann. Die Berufs- und Produktionsfreiheit steht über dem Recht der Natur. Das darf aus unserer Sicht nicht länger sein. Wir wollen darauf hinwirken, dass die Natur einen Subjektcharakter erhält. Nur so kann man den Raubbau eindämmen und wirklich eine nachhaltige Entwicklung erreichen.

Sie wollen darauf hinwirken, dass die Rechte im Grundgesetz verankert werden. Das hätte aber weitreichende Konsequenzen.
Stahlmann: Ja, die Natur würde in Art. 1 des Grundgesetzes mit der Würde des Menschen auf eine gleiche Ebene gestellt. Mir ist bewusst, dass das ein großer Schritt wäre. Der Frieden in der Welt ist aus unserer Sicht aber nur möglich, wenn Mensch und Natur in Frieden miteinander leben.

Sie meinen damit die Flüchtlingsproblematik? Viele Menschen kommen nach Europa, weil in ihren Ländern die Lebensgrundlagen durch Ausbeutung der Böden und Ressourcen zerstört wurden, auch und vor allem durch die Industriestaaten.
Stahlmann: Die Flüchtlingsströme sind unter anderem eine Folge davon, die Klimaerwärmung ist eine weitere. Die Treibhausgase müssen runter. Es gibt Prognosen, dass die aktuellen Entwicklungen erst der Anfang noch viel größerer Flüchtlingsströme in der Zukunft sind. Wenn wir die zwei Grad nicht erreichen, werden laut Experten schon in wenigen Jahren bis zu 500 Millionen Menschen vor den Toren Europas stehen.

Aber in Deutschland gibt es doch schon ein relativ weit reichendes Umweltrecht und zahlreiche Maßnahmen zum Naturschutz. Reicht es nicht, die einfach besser anzuwenden?
Stahlmann: Es ist richtig, dass in Sachen Umweltschutz in den letzten Jahren einiges passiert ist. Die FFH (Flora-Fauna-Habitat) ist schon eine gute Richtlinie. Doch vieles ist auch hier ins Stocken geraten. Der Artenschutz lässt zu wünschen übrig und auch im Tierschutz liegt noch immer einiges im Argen. In der Landwirtschaft gibt es immer mehr Monokulturen, der Flächenverbrauch nimmt immer noch zu.

Fakt ist auch, dass die Treibhausgase seit 2009 wieder steigen.
Stahlmann: Wir müssen im 21. Jahrhundert die Wende schaffen, sonst wird es verdammt eng.

Auch im Entwurf der EU-Verfassung ist das Thema Natur nicht enthalten. Es scheint, dass es zu wenig Aufmerksamkeit für die Problematik gibt.
Stahlmann: Das ist richtig. Dafür hatte die UN 1982 schon einmal eine World-Charta für Nature. Und es gibt auch gute Beispiele. Ecuador etwa hat der Natur 2008 ein Eigenrecht verliehen. Das Land will damit der Ausbeutung durch große Konzerne einen Riegel vorschieben. Papst Franziskus öffnet die katholische Kirche dahin gehend, spricht in seiner Laudato si ausdrücklich vom Eigenwert der Natur. Er sagt, es genügt nicht, an die verschiedenen Arten nur als eventuelle Ressourcen zu denken und zu vergessen, dass sie einen Eigenwert besitzen.

Sie benutzen in diesem Zusammenhang das Wort „Biokratie“. Was muss man darunter verstehen?
Stahlmann: Biokratie ist erweiterte Demokratie. Der Einzelne fühlt sich für das Gesamte zuständig, als Teil der Natur und der Schöpfung. Das ist etwas, was wir uns deutlich ins Bewusstsein rufen müssen, dass wir Teil eines Ganzen sind.

Interview: Isabel Krieger

Zum Thema: Volker Stahlmann lehrte viele Jahre an der Technischen Hochschule in Nürnberg Betriebswirtschaft, Logistik und Materialwirtschaft. Der studierte Volkswirt, der zusammen mit seiner Frau den Kulturbahnhof Ottensoos betreibt, integrierte schon in den 1980er Jahren das Thema umweltbewusste Unternehmensführung in seine Lehre und Forschung. Mit Vorträgen und Seminaren setzt sich das Ehepaar im Kulturbahnhof Ottensoos für Nachhaltigkeit und Ökologie ein.

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