Späte Sühne für Verbrechen der Waffen-SS?

Der Behringersdorfer Fritz Körber ist eng befreundet mit Robert Hébras (links), einem Überlebenden des Massakers von Oradour. Auch Raymond Frugier (rechts), den Bürgermeister des Orts, kennt er von vielen Besuchen. Foto: PZ-Archiv2011/12/34884_oradourkoerberhebrasfrugier_New_1323271567.jpg

NÜRNBERGER LAND — 67 Jahre, nachdem die Waffen-SS den kleinen französischen Ort Oradour-sur-Glane im Limousin in Schutt und Asche gelegt hat, ermittelt der Staatsanwalt gegen sechs mutmaßliche Täter. Fritz Körber, Bezirksrat aus Behringersdorf, begrüßt die späte juristische Aufarbeitung. Er bemüht sich seit Jahren um Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen, war über 30 Mal mit Besuchern aus Mittelfranken in Oradour.

Der 86-jährige Robert Hébras ist im Augenblick ein gefragter Mann. Er sei „angenehm überrascht“, dass die Deutschen noch immer nach den Verantwortlichen fahndeten, zitieren Nachrichtenagenturen den Überlebenden des Massakers von Oradour.Dem französischen Fernsehen gab er am Dienstag ein Interview. Hintergrund für das Medieninteresse sind Ermittlungen der Dortmunder Staatsanwaltschaft gegen sechs Männer im Alter von 85 und 86 Jahren. Sie sollen dabei gewesen sein, als am 10. Juni 1944 die Waffen-SS den Ort nahe Limoges umstellte und 642 Bewohner tötete. Hinweise in Akten der Stasi-Unterlagen-Behörde hatten das Verfahren ins Rollen gebracht. In den vergangenen Wochen wurden mehrere Wohnungen durchsucht. 

Hébras geht es nicht um Rache, sondern um eine Aufarbeitung der Geschehnisse. Er führt heute regelmäßig Besucher durch die Ruinen von Oradour, hält Vorträge vor Schulklassen und besucht immer wieder Deutschland, auch Mittelfranken. „Ich bin überzeugt, dass man miteinander reden muss, damit solche Dramen nicht mehr geschehen“, sagte er 2007 in einem Interview mit der Pegnitz-Zeitung.

Deutsch-französische Freunde 

Einen Helfer hat er in Fritz Körber gefunden. Der Behringersdorfer, den Hébras als „engen Freund“ bezeichnet, engagiert sich auf deutscher Seite für die Versöhnung zwischen den Nachbarländern. Zuletzt spendete er Geld, um den französischen Dokumentarfilm „Une vie avec Oradour“ – in dem Hébras auftritt – ins Deutsche übertragen zu lassen. Als erster Politiker aus der Bundesrepublik sprach er öffentlich in dem Ort, in dem die Vorbehalte gegen die Deutschen noch immer groß sind.

Körber, Bezirksrat und früherer Bürgermeister von Schwaig, freut sich über die Ermittlungen. Es sei gut, dass sich die Behörden dafür einsetzten, die Verantwortlichen zu finden – auch so viele Jahre nach Kriegsende.„Mord verjährt nicht“, so der 72-Jährige gestern. Ihn hatte die Nachricht aus Dortmund während des SPD-Parteitags in Berlin erreicht: „Und ich habe mir sofort ein paar Zeitungen gekauft.“ 

Körber ist es wichtig, den Franzosen zu zeigen, „dass Deutschland inzwischen ein anderes Land ist“. Dazu könnte die Justiz beitragen, glaubt er. Was der Bezirksrat besonders betont: Die mutmaßlichen Täter, deren Wohnungen jetzt durchsucht wurden, führten ein ganz normales Leben. Der Radikalismus, sagt Körber, verstecke sich eben immer, „dieses Thema treibt mich auch politisch um.“

Robert Hébras ist da zurückhaltender. Es würde ihn wundern, wenn es sich bei den Verdächtigen um Befehlshaber handle, zitieren ihn verschiedenen Medien. Schließlich seien die Angehörigen des SS-Panzergrenadier-Regiments „Der Führer“ damals kaum 19 Jahre alt gewesen. 

Der Überlebende des Massakers, berichtet Körber, habe immer wieder gegen Widerstände kämpfen müssen. Zuletzt habe es juristische Streitigkeiten um seine als Buch veröffentlichten Memoiren gegeben. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob die SS-Soldaten zwangsrekrutiert wurden oder als Freiwillige dienten. Das Thema ist in Frankreich ein heißes Eisen, weil während des Kriegs viele Elsässer zur Waffen-SS herangezogen wurden. „Er fragt sich“, so der Behringersdorfer Politiker, „ob das, was wir beide machen, überhaupt Widerhall findet.“

Körber übrigens hat auch Rückschläge einstecken müssen. Sein großes Ziel, eine Partnerschaft seiner Heimatgemeinde Schwaig mit Oradour, hat er nie erreicht. Zu groß waren die Ressentiments auf beiden Seiten. „Man darf so etwas nicht einfordern“, sagt er heute. 

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