Dank Corona-Lockerungen

Reisebranche verspürt deutlichen Aufschwung

Neben Deutschland sind vor allem Reiseziele in Europa – wie hier Alkmaar in den Niederlanden – bei den Urlaubern gefragt. An Fernreisen trauen sich noch nicht viele heran. | Foto: A. Pitsch2021/07/31936515-2100963996584609-71302840938240.jpg

HERSBRUCK – „Das war wie, als hätte jemand den Schalter umgelegt“, sagt Kathrin Eisenstein. Seit den Lockerungen der Reisebeschränkungen verspürt die Chefin des gleichnamigen Reisebüros ebenso einen Ansturm wie ihre Kollegen.

Seit Anfang Juni ist Eisenstein wieder in Vollzeit mit dem Thema Urlaub beschäftigt. „Einige Kunden haben sich in der Corona-Zeit gar nicht getraut, sich zu melden“, erzählt sie. Die kämen jetzt wieder, dazu etliche neue Bucher, denn Eisenstein hat den Eindruck, dass das Vertrauen in stationäre Reisevermittler gewachsen ist: „Unsere kompetenten Partner und unsere Beratung geben den Leuten ein Gefühl von Sicherheit.“

Unterschiedliche, rasch wechselnde Reisevorschriften je nach Land verwirren die Leute; bei der Frage nach Testmöglichkeiten vor Ort müsste sich Eisenstein selbst einlesen. Daher muss sie viel Zeit in die Beratung investieren – viel mehr als vorher. Zumal sie ja „ganz verschiedene Kunden“ habe – von „noch gesund“ über genesen bis zu geimpft – und es bei jedem individuell anders sei.

Jeder kommt zurück

Vielleicht auch dank der umfassenden Informationen gab es bislang keine Probleme bei den Reisen: „Hängen geblieben ist noch nirgends jemand.“ Dennoch scheuen sich die Kunden vor Fernreisen. „Die meisten Buchungen sind um den Sommer herum in Europa.“ Eisenstein freut sich, dass sie ihren Job wieder machen darf, sagt sie. Zugleich geselle sich zum lachenden aber auch ein weinendes Auge: „Was wird im Herbst sein?“ Schon jetzt ist Portugal dicht, die Delta-Variante mache einigen Angst. „Die Dinge ändern sich so rasch, dass stets ein Risiko bleibt.“

Dieses versucht die Branche mit der neuen Flex-Versicherung abzumildern. „Viele Kunden fragen, was mit ihrem Geld ist, wenn ein Urlaub nicht klappt“, berichtet Carola Hoffmann vom Tui-Reisecenter. Gegen eine kleine Gebühr könne man jetzt ohne Angabe von Gründen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Abreise stornieren. Online gebe es das schon lange. „Damit hat sich auch im stationären Bereich ein Wandel vollzogen“, findet Hoffmann die Entwicklung gut.

Etliche Neukunden

Und der punkte damit, dass Ansprechpartner vorhanden seien. „Ich denke, diese Tatsache hat uns etliche Neukunden beschert“, so Hoffmann. Denn auch sie und ihr Team sind derzeit gefragt wie lange nicht mehr. „Wir haben auch im PEZ wieder stundenweise offen.“ An beiden Standorten haben sie viel mit Papieren, Beratungen und Vordrucken zu tun – „ein irrer Aufwand“.

Und trotz Verunsicherung wollen die meisten einfach raus, weiß Hoffmann. Dabei zieht es die Menschen nicht unbedingt nach Ägypten und in die Türkei, aber „sonst ist alles gefragt“, egal ob Ferienwohnung oder Hotel. Kreuzfahrten würden in Pandemie-Zeiten eigentlich gut funktionieren, weil man als Einheit von Bord geht, meint Hoffmann. Wie sich der Reisesommer entwickelt, dazu vermag Hoffmann keine Prognose abzugeben. Wer sie aktuell fragt, was er denn für eine Reise in die Türkei im November brauche, dem erwidert sie: „Ich habe keine Glaskugel.“

Viele Fragen

Mit vielen Fragen sieht sich auch der IGE Reisebahnhof konfrontiert. „Wir haben als Veranstalter mittlerweile eine hohe Informationspflicht“, beschreibt Ina Pilhöfer die Erwartungen der Kunden. Das bedeute, genau Bescheid zu wissen über Leistungen und Bestimmungen.

Doch diesen Einsatz scheinen die Reisewilligen zu schätzen. „Die Anfragen steigen und wir verzeichnen viele Buchungen besonders im August“, fasst Pilhöfer den „positiven Trend“ in Worte. Deutsche Ziele seien sehr begehrt, aber auch ins europäische Ausland lassen sich viele locken. Viele hätten Bedenken wegen der vierten Welle und vertreten daher die Einstellung „Wenn nicht jetzt fortfahren, wann dann“, hat Pilhöfer den Eindruck.

Besetzung verdoppelt

Den teilt Tanja Schilling vom Reiseland. „Wir haben seit Mitte Mai die Besetzung verdoppelt und die extreme Kurzarbeit der vergangenen 12, 13 Monate reduziert.“ Denn sehr viele würden nun ihr Guthaben aus stornierten Reisen einlösen. Aber auch sie und ihre Kollegen sehen etliche neue Gesichter: „Ich denke, dass das Online-Bucher sind.“ Sie würden es nun zu schätzen wissen, dass sie Hilfe bekämen, wenn vor Ort irgendetwas aufgrund von Corona wäre, vermutet Schilling. Unterstützung sei bei den vielen Regelungen nötig, weiß Schilling. „Unser Beratungsaufwand hat sich vervierfacht.“

Große Themen seien Ein- und Rückreise, Test- und Maskenpflicht, Fragen nach Ausgangssperre und Gastronomie sowie Versicherungen. Dazu käme noch das Ausfüllen diverser Formulare. Beliebt seien Pauschalreisen mit Flügen in Europa. „Der Deutschland-Tourismus geht an uns eher vorbei, weil die Leute das direkt über die privaten Vermieter abwickeln.“ Schilling ist aufgefallen, dass die Preise angezogen haben – vielleicht, weil nicht alle Hotels offen haben, vielleicht aber auch, weil einige versuchen, Verluste auszugleichen, ist ihr Gefühl. „Die Leute sind bereit, dieses Geld auszugeben, weil sie so lange daheim gewesen sind.“

Hoffen und bangen

Echte Schnäppchen seien momentan Kreuzfahrten, die langsam anlaufen. „Mit 3000 Menschen an Bord und gemeinsamen Ausflügen, das ist nichts für jeden.“ Daher lockten die Reedereien mit Angeboten. Egal, ob Schiff oder Flieger – Schilling zittert bei jedem Trip mit ihren Kunden mit. „Verdient ist erst was bei der Abreise.“

Eine solche nach Portugal verhindert die Delta-Variante gerade. „Nachrichten wie diese spüren wir sofort.“ Diese Woche habe die Nachfrage eine leichte Delle erhalten. „Es kann einfach jeden Tag in jedem Land eine Veränderung geben.“ Da sei es die Kunst, alles richtig zu machen für den Traumurlaub der Kunden.

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