HERSBRUCK – Citta slow? Der Begriff löst bei vielen Hersbruckern noch immer Achselzucken aus. Zu viele, finden die Mitglieder des Arbeitskreises „Citta slow Hersbruck“ und planen deshalb am 27. September 2014 einen ganzen Tag, der den Bürgern die ursprünglich italienische Bewegung näher bringen soll.
„Eine slow City erkennt man daran, dass bei allen Bürgern – nicht nur in den Arbeitskreisen – das Bewusstsein gefördert wird, in einer Citta slow zu leben“, so steht es in der offiziellen Satzung. Der Arbeitskreis rund um Hersbrucks zweite Bürgermeisterin Brigitta Stöber sieht diesbezüglich dringenden Nachholbedarf.
Puppenspiele mit dem Schnecken-Maskottchen und die Schulaktionen des Arbeitskreises haben bereits bei den kleinen Citta slow-Bewohnern Wirkung gezeigt. Der Aktionstag am 27. September 2014 soll nun auch die anderen Altersgruppen mit einbinden.
Quer durch alle Hersbrucker Stadtteile und darüber hinaus – von Kühnhofen bis zum Arzbergturm, von Altensittenbach bis zur Ostbahn – soll die Schnecke unterwegs sein. Die Themengebiete Nachhaltigkeit, Umwelt, regionale Lebensmittel(-vermarktung) oder urbane Lebensqualität durch kulturelle Angebote sollen abgedeckt werden. Kräuterwanderungen, Besuche auf Hersbrucks letztem Hopfenacker oder Leckereien von den Miniköchen sind in Planung.
Einige Unterstützer konnten die Arbeitskreis-Mitglieder schon für ihre Idee gewinnen: Hewa, Uhrmacher Rösel, Hirtenmuseum und Bund Naturschutz haben unter anderem ihre Unterstützung zugesagt. In Kratzer s Biergarten am Unteren Markt soll außerdem eine Feier stattfinden. Die Firma Meidenbauer ist bereit, eine kostenlose Buslinie von Station zu Station anzubieten. Trotzdem: Es werden noch weitere Vereine oder Privatpersonen gesucht, die sich aktiv am Citta slow-Tag beteiligen wollen.
Im Kulturausschuss stieß der Vortrag von Stadträtin Angelika Pflaum (FRB) zum geplanten Aktionstag auf viel Lob. Einen kleinen „Schock“ jagte den Ausschussmitgliedern dann aber der geforderte Werbekostenzuschuss des Arbeitskreises ein: 2500 Euro hatten die Citta slow-Aktiven veranschlagt. „Das ist zu viel“, sagte Armin Steinbauer (CSU). Weil im Haushalt 2014 insgesamt nur 10.000 Euro für Defizite bei kulturellen Veranstaltungen vorgesehen sind (wir berichteten), stimmte ihm das Gremium zu. 1500 Euro erhält der Citta slow-Tag nun für Werbekosten. Veranstalter ist aus Versicherungsgründen ohnehin die Stadt.
Nicht nur den Bürgern wird momentan übrigens die Citta slow nahegebracht, die Bewegung ist mittlerweile auch auf Bundesebene angekommen: Das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat in einem Forschungsprojekt elf Citta slows – darunter auch Hersbruck – untersuchen lassen. Das Ergebnis: Die Bewegung stelle die Lebensqualität in den Mittelpunkt, lenke den Blick auf Potenziale einer Stadt und stärke das Wir-Gefühl – Dinge, von denen andere Nicht-Citta slows lernen könnten, so das Fazit. Zusammengefasst sind die Ergebnisse in einer Broschüre mit dem sperrigen Titel „Lokale Qualitäten, Kriterien und Erfolgsfaktoren nachhaltiger Entwicklung kleiner Städte – Cittaslow“.
Wer den Arbeitskreis „Citta slow Hersbruck“ am 27. September 2014 mit einer Aktion unterstützen möchte, kann sich bei Angelika Pflaum unter Tel. 09151/823333 melden.
Ziele der Cittaslow-Bewegung
Städte, die der „Internationalen Vereinigung der lebenswerten Städte – Cittaslow“ angehören, haben sich folgende Ziele gesetzt:
Nachhaltige Umweltpolitik
Innovative Technologien fördern
Schonung der natürlichen Ressourcen
Regionalverträgliche Konzepte
Steigerung der Energieeffizienz
Charakteristische Stadtstruktur
Stadtgeschichte als Entwicklungspotenzial
Behutsame Stadterneuerung
Nachhaltige Stadtentwicklung
Gastfreundschaft
Qualitätsorientierte Gastronomie
Pflegen von Städtepartnerschaften
Weltoffenheit und Herzlichkeit
Kultur und Traditionen
Wahrung von regionalen Besonderheiten
Förderung von Veranstaltungen
Kulturelle Einrichtungen erhalten
Typische Kulturlandschaft
Vielfalt von Flora und Fauna schützen
Charakteristische Eigenart bewahren
Schönheit der Landschaft aufzeigen
Regionaltypische Produkte
Bewahrung traditioneller Herstellung
Unterstützung natürlicher Produktionsabläufe
Kurze Wege
Regionale Märkte
Förderung der Direktvermarktung
Veranstalten von Wochenmärkten
Schaffung regionaler Wirtschaftskreisläufe
Bewusstseinsbildung
Geschmacks- und Sinnesschulung
Förderung der regionalen Identität
Wie sich das mit einem Windpark auf dem Großviehberg verträgt, ist mir nicht klar. Man kann nicht über Jahre mantraartig ständig Citta-Slow predigen und kaum, wenn es leichtes Geld mit einem Windpark abzugreifen gilt, sind die oben von der deutschen Citta-Slow-Website zitierten Ziele nur noch Makulatur. Ich finde, Windkraft und Citta-Slow passt überhaupt nicht zusammen.
Auszug aus der Homepage der Citta Slow Wirsberg:
…Neben slow food basiert der Citta Slow Gedanke in Wirsberg auf drei weiteren Themenfeldern, so erklärte Anselstetter. Erstens kurze Wege: Es gibt Dorfläden mit heimischen Produkten und die Wirsberger haben für ihre eigene Gemeindeverwaltung im Ort gekämpft. Zweitens saubere Luft und erneuerbare Energien: Dazu werden nach dem zehn Jahre alten ersten Bürger-Windrad gerade zwei weitere Gemeinschafts-Windanlagen gebaut… .
Frau Pflaum, ich kenne die Situation in Wirsberg nicht. Wo die Windräder hinkommen etc. Was ich weiß ist, dass wir uns um Hersbruck und nicht um Wirnsberg kümmern sollten. Was mir allerdings bei einer Fahrt nach Oberbayern aufgefallen ist: Südlich von Ingolstadt habe ich kein einziges Windrad gesehen. Das kann mehrere Gründe haben. Vielleicht haben die Oberbayern doch ein ausgeprägteres Heimatbewusstsein. Vielleicht sind sie einfach auch nicht so leichtgläubig hinsichtlich Politikerversprechen.