SCHNAITTACH/ LAUF / NEUMARKT – Martin Linek aus Schnaittach hat sich im Januar mit Corona infiziert. Die Monate seither hat er im Krankenhaus verbracht. Inzwischen weiß er seinen Entlassungstermin. Es ist der 18. Juni, ein Freitag. Das bedeutet: Er wird ein halbes Jahr im Krankenhaus verbracht haben.
Und trotzdem ist Martin Linek nicht verbittert. Im Gegenteil: Vor ein paar Tagen hat er seinen Rollator gegen Krücken eingetauscht. Die Freude darüber ist ihm am Telefon anzuhören: „Ich werde mein Ziel erreichen“, sagt er. Sein Ziel, das ist: die Reha-Klinik auf eigenen Füßen zu verlassen, ohne Hilfsmittel.

Im Januar hat sich der Schnaittacher mit dem Coronavirus angesteckt, mehrere Wochen lag er im Neumarkter Krankenhaus im Koma, musste beatmet werden. Es war knapp für ihn. Doch Linek hat überlebt und konnte die Intensivstation wieder verlassen.
Sein Fall zeigt: Der Weg zurück ins Leben ist für manche Covid-19-Patienten lang – und beschwerlich. Ob selbständiges Atmen oder Laufen: „Ich muss alles wieder lernen“, sagt der 59-Jährige. Dabei ist er einer von 6951 Landkreisbürgern seit Pandemiebeginn, die nach einer Infektion als genesen gelten.
Positiver Test im Laufer Krankenhaus
Alles beginnt mit einem Oberschenkelhalsbruch. Er bringt Linek Mitte Januar einen Aufenthalt im Krankenhaus in Lauf ein. Dort wird er regelmäßig auf das Coronavirus getestet. Anfangs negativ, doch am 29. Januar, kurz bevor er wieder nach Hause darf, bekommt er ein positives Ergebnis. Bei wem er sich angesteckt hat, kann der 59-Jährige heute nicht mehr nachvollziehen.
Fakt ist: Das Krankenhaus bestätigt gegenüber der Pegnitz-Zeitung Anfang Februar einen Ausbruch unter Mitarbeitern und Patienten. In zwei Abteilungen wird damals ein Aufnahmestopp verhängt.

„Anfangs war es easy, er hatte so gut wie keine Symptome“, erinnert sich Lineks Schwester Dagmar an die ersten Tage. Ihr Bruder weiß noch, dass er „ganz normal sprechen und atmen“ konnte. Nur Geruchs- und Geschmackssinn seien ihm zeitweise abhanden gekommen. Typisch für eine Coronavirus-Infektion.
„Wir haben eine Notfallsituation“
Nach knapp einer Woche verschlechtert sich der Zustand des Patienten, er wird nach Neumarkt verlegt. „Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass wir jetzt auch zu den schwereren Fällen gehören“, sagt Dagmar Linek. „Und irgendwann kommt der Anruf des Arztes: Wir haben eine Notfallsituation.“ Nachdem ihr Bruder anfangs Sauerstoff über eine Maske bekommt, geht es schließlich nicht mehr ohne Beatmung. Am 17. Februar wird Linek ins Koma versetzt.
„Wir haben uns schon gefragt, was wir tun, was wir entscheiden sollen. Aber er hat vorher klar gesagt, dass er leben will“, sagt Dagmar Linek über die entscheidenden Tage. Zu diesem Zeitpunkt hat der 59-Jährige weder Husten noch Fieber, das kommt erst später. Doch die Sauerstoffsättigung seines Bluts wird immer schlechter.
Erinnerungen an das Koma
An die rund drei Wochen im Koma kann sich Linek nicht mehr erinnern, „ich war wie im Tiefschlaf“. Er weiß allerdings noch, dass er sich bei einer bestimmten Pflegerin besonders geborgen gefühlt hat. Und: Seine Kinder und seine Schwester organisieren ihm Hörspiele – Märchen und Otfried-Preussler-Geschichten. „Das nimmst du schon wahr“, sagt der 59-Jährige. Die Hörspiele helfen ihm.
Für die Familie beginnt eine schwere Zeit. Lineks Tochter, die Medizin studiert, und seine Schwester werden zu Betreuern bestellt. Sie müssen etwa einem Luftröhrenschnitt zustimmen. Mehr als einmal habe sie sich mit dem Gedanken auseinandersetzen müssen, dass ihr Bruder sterben könnte, sagt Dagmar Linek.
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Viele Beatmete überleben nicht
In einer englischen Studie lag die Sterberate beatmeter Covid-19-
Patienten bei 66,3 Prozent. Bei Patienten, die ohne Beatmung auskamen, starben hingegen nur 19,4 Prozent. 2883 Fälle wurden dafür ausgewertet.
„Ich habe irgendwann aufgehört, solche Zahlen zu googeln. Wir haben dann beschlossen, dass wir immer nur auf die nächsten zwölf Stunden schauen“, sagt Lineks Schwester, die in diesen Wochen zwischen ihrem Wohnort Köln und Neumarkt hin- und herpendelt.
„Auf die harte Tour“ habe sie auch lernen müssen, dass das Erwachen aus dem Koma „nicht wie im Film abläuft“. Soll heißen: Ihr Bruder macht nicht einfach die Augen auf und lächelt alle an, sondern er kommt langsam zurück zu Bewusstsein, schwebt zwischen Schlafen und Wachsein.
„Kann jeden treffen“
„Genial“: So beschreibt der „Genesene“ das Gefühl, wieder selbst atmen zu können. Mit Demut blicke er nun auf sein wiedergewonnenes Leben. Aber er will auch andere warnen: „Es kann jeden treffen, und es ist eben nicht nur eine Grippe.“
Als Dialysepatient gehört Linek zwar zu einer Gruppe mit deutlich erhöhtem Risiko für schwere Covid-Verläufe. Das sei aber kein Argument dafür, die Pandemie zu verharmlosen, Corona nicht ernst zu nehmen, meint auch seine Schwester: „Das macht mich rasend. Man muss diesen Gedanken ja mal weiterdenken. Was soll das heißen, dass jemand mit Vorerkrankungen das Recht auf Leben verliert? Wollen wir, wie damals in Sparta, unsere Alten und Kranken in die Wüste tragen und dort aussetzen?“
Linek selbst konzentriert sich jetzt darauf, wieder ohne Krücken laufen zu können. Nach so langer Zeit im Bett ist die Muskulatur geschwächt. Sein Traum ist es, noch im August wieder im Schnaittacher Freibad schwimmen zu können. „Es hat mir das Leben gerettet“, sagt er. Vergangene Saison war er dort täglich, „dadurch hatte ich eine gewisse Fitness, sonst hätte ich es wohl nicht geschafft“. Aus Dankbarkeit will er nun einen Baum für das Gelände spenden.