BURGTHANN – Nachdem wir Sintflut und Mörderhitze bereits hinter uns haben, hoffen die Mitglieder vom Jazz- und Kulturverein auf moderates, freundliches Sommerwetter für das große Open-Air-Event. In diesem Jahr findet es von Freitag, 28., bis Sonntag, 30. Juni, statt. Geboten ist wie immer ein facettenreiches Musik- und Veranstaltungsprogramm, das über Puristen-Jazz weit hinausweist.
Gestartet wird am Freitagabend, noch im Keller, weil im romantischen Burghof zu dieser Zeit noch letzte Vorbereitungen für die Freiluftaktivitäten getroffen werden. Das Super Quartet Prag stimmt seine Instrumente bis 20.30 Uhr und wird zeigen, was moderner Jazz ist. 50 Prozent der Besetzung, Bassist Frantisek Uhlir und Drummer Josef Vejvoda, waren erst im April im proppenvollen Keller zu Gast und begeisterten das Publikum. Am Freitag bringen sie noch weitere Gäste mit, die ebenso wie sie selbst nicht nur in der renommierten Prager Jazzszene bekannt sind.
Tatsächlich nach draußen geht es am Samstag, wenn ab 15 Uhr wie in jedem Jahr das örtliche Sound Orchester die Open Air-Aktivitäten startet. Die Band ist inzwischen auf ein über 80 Musiker umfassendes Orchester angewachsen und hat einen Namen weit über die Grenzen Burgthanns hinaus. Solisten aller Alters- und Instrumentegruppen finden sich zusammen, um eine Mischung aus traditioneller und moderner Musik zu einem abwechslungsreichen Erlebnis zu machen. Durch den „Big-Band-Sound“ werden vorwiegend junge Leute für die Musik begeistert, die aber auch privat regen Kontakt halten und neben der Musik andere Aktivitäten pflegen.
Die Kapelle Weyerer, featuring Der Professor und Nick Flade, sind ab 16.30 Uhr zu erleben. „Drei Mann an Hackbrett, Toypiano, Glockenspiel, Melodica, Percussion, Piano und Akustikgitarre“, wird die Formation beschrieben. Dazu kommt eine faszinierende Stimme, die auf Songkunst, Jazzelemente und Indie-Poesie trifft. Die Kapelle um Stefan Weyerer war in den letzten Jahren u.a. auch die Tourband der singenden Schauspielerin Jasmin Tabatabai. Weyerer hatte schon mit seiner Band „Der große Wah“ in den 90ern seinen außergewöhnlichen Stil entwickelt und setzt jetzt mit seiner zweiten Kapelle noch eins drauf. Wer sich immer noch nichts Konkretes unter der Musik vorstellen kann, der möge kommen und zuhören.
Weiter geht es gegen 18.30 Uhr mit 2nd-Line & Helen`s Horns. Gegründet als eher traditionelle Rhythm‘n‘Blues-Band mit 4er-Besetzung spielt die Band inzwischen in einer nicht alltäglichen Formation: Den Grundstock für die Horn-Section legten ein Saxofon und eine Posaune, heute bestehen Helen’s Horns aus bis zu drei Posaunen und vier Saxofonen, was groovige Bläsersätze möglich macht. Zusammen mit den knackigen Backing Vocals der drei Sängerinnen ist diese Besetzung ein Garant für satten, kraftvollen Sound. Die Spannbreite der Band reicht von Soul über Rhythm’n’Blues bis hin zum Rock’n’Roll.
Mit alpinen Aspekten muss man rechnen, wenn man sich gegen 20.30 Uhr im Burghof aufhält. Dann steht der Österreicher Wolfgang Puschnig mit seinen Alpine Aspects auf der Bühne, ein Professor für Musik und darstellende Kunst. Vor etwa 20 Jahren vermählte der gebürtige Klagenfurter zwei sonst tunlichst auseinander gehaltene Genres: Der Jazz und die Volksmusik wurden plötzlich lustvoll miteinander intim. Zuvor war nur bekannt, dass Puschnig ein im Kärntner Lied geerdeter Jazzsaxophonist war. Nun sieht man, dass er auch mit deftigeren Klängen erfreulich gut umzugehen versteht.
Der Sonntag beginnt wie immer um 11 Uhr mit einem deftigen Frühschoppen und der Band Collegium Dixicum. Trotz ihres akademisch klingenden Namens sind die Musiker kein Kammermusik-Kränzchen, sondern eine „profihafte Amateur-Jazzband“, die bereits seit Jahrzehnten im bayerischen Raum, vor allem in Mittelfranken, ihr Unwesen treibt. Alle Bandmitglieder haben langjährige Jazz-Erfahrung und kämpfen für heißen, swingenden Jazz. Ob Dixieland, Swing, Blues oder Mundart-Jazz, überall ist die Band mit ihren ausgefallenen Arrangements zu Hause. Mit einem Augenzwinkern behaupten die Sechs von sich, folgende Instrumente fast fehlerfrei zu beherrschen: Trompete, Posaune, Tenor- und Sopransaxophon, Banjo/Gitarre, Bass, Schlagzeug.
Mitreißender Balkan-Pop steht ab 14.30 Uhr auf dem Programm: Das Fanfara Kalashnikov Orchestra steht in der Tradition jener Hochgeschwindigkeits-Blaskapellen, die in den Ländern des Balkans auf Hochzeiten und Dorffesten spielen und seit den 90er Jahren zunehmend Eingang in die westliche Popkultur finden. Die Mitglieder von Fanfara Kalashnikov gehören zur jungen Generation dieses Genres. Sie stammen aus Rumänien, der Ukraine, Griechenland und Deutschland. Hinzu kommen Gastkünstler aus Bulgarien, Italien, Serbien und Lateinamerika. Ihre Musik ist von Jazz, Rock, Funk und elektronischer Musik beeinflusst und integriert u.a. Elemente von Ska, Flamenco, Raggamuffin und sibirischem Schamanengesang – ein interessantes, explosives Gemisch.
Vorletzter Gig des Festivals ist gegen 17.30 Uhr Tian et al. Tenor- und Sopransaxophonist Christian Korthals, alias Tian, hat erste musikalische Erfahrungen als Straßenmusikant gemacht. Dies hat ihn zu Geschichten über das Reisen, das Verlieren und das Finden inspiriert. Neben Jazz- und Latin-Einflüssen, die gelegentlich an Sonny Rollins erinnern, sind es vor allem die Flamenco-Elemente, die der ansonsten traditionellen Combobesetzung ihre besondere Note verleihen. Doch selbst bei den experimentelleren Titeln bleibt Tians Musik immer verständlich und zugänglich, die Botschaft klar: keine Angst vor dem Unbekannten.
Alte Bekannte, sehr alte Bekannte kommen zum Finale am Sonntagabend in die Burg: Ab etwa 19.30 Uhr lässt es wieder einmal die NC Brown Blues Band richtig krachen, nachdem sie das vor 32 Jahren das erste Mal an gleicher Stelle tat. Mit Rhythm`n` Blues der feinsten Sorte sorgten die Mannen um Reinhold Engelhardt für Furore in ganz Deutschland und darüber hinaus. Daher sind die Jazzer ganz besonders stolz, dass die Combo ihrer Bitte nachgekommen ist, eines ihrer wenigen Konzerte im Jahr beim Burgfest zu geben.
Bei den mittlerweile ergrauten Musikfans werden dann Erinnerungen wach, denn die Band, die sich nach der englischen Biermarke „New Castle Brown“ benennt, hat von 1980 an fast zehn Jahre vor stets vollem Haus an fast jeder Ecke in der Region gespielt. Auf Tour ging es mit Canned Heat, Climax Blues Band, Dr. Feelgood, Eric Burdon und vielen anderen. Gespielt wird vorwiegend Electric Blues mit Schwerpunkt Chicago-Stil. Durch die unterschiedliche Herkunft der Musiker bekommen die Stücke zusätzlich musikalischen Pfeffer, das war 1981 so, das wird auch 32 Jahre später im Burghof wieder der Fall sein.
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