Verleihung der Altdorfer Kulturpreise

Back for good

Wolfgang Völkl erhält den mit 1000 Euro dotierten Kulturpreis der Stadt Altdorf. | Foto: Christian Geist2020/10/Altdorf-Kulturpreis-Wolfgang-Voelkl-scaled.jpg

ALTDORF – Ob die Kunst am Samstag tatsächlich für immer auf die Bühne zurückgekehrt ist, wird sich noch zeigen. Im Kulturtreff jedenfalls feiern 45 Gäste mit den Kulturpreisträgern von Stadt und Raiffeisenbank das große Wiedersehen von Musik und Publikum.

Ullrich Reuter hielt am Samstagabend nicht nur die Laudatio auf Wolfgang Völkl, er hatte den Komponist, Arrangeur, Musiker und Schauspieler auch selbst vorgeschlagen. Er skizzierte den Spross der Wallenstein- und Schauspielfamilie um Gusti Schön mittels zahlreicher Bands und Formationen, die der 35-Jährige gegründet oder bereichert hat.

Als bibliographisch und musikalisch wichtigstes Ensemble führte Reuter die experimentierfreudige Kammermusik-Formation J.J.P. and friends an. „Hier lernte Wolfgang eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber Überkommenem“, sagte Reuter, der vor mehr als zehn Jahren selbst schon mit Völkl auf der Bühne gestanden hatte.

Aus J.J.P. and friends heraus sei auch das Künstlernetzwerk Kunstamtisch entstanden, das Veranstaltungen wie den Poetry Slam nach Altdorf brachte. Musik auf der Straße, von der Straße, für die Straße und über die Straße: Dafür steht das Duo Wollmond, Völkls zweitwichtigste Combo im musikalischen Lebenslauf. Laut Reuter folgt sie der Tradition großer Folk-Poeten der 60er und 70er Jahre und „bildet für Wolfgang bis heute einen perfekten Ausgleich zum doch ziemlich verkopften künstlerischen Schaffen etwa mit J.J.P.“.

Ritterschlag der Altdorfer Musikszene

Als Ritterschlag der hiesigen Musikszene für „Wolle“, wie Völkl seit Leibniz-Theater-Zeiten genannt wird, bezeichnete Reuter dessen Einstieg bei Giftwood. Seien die nächtlichen Auftritte der beiden Giftwoods Jörg Szameitat und Mike Kolb doch einst „intensive emotionale Höhepunkte“ für die kleinen Jungs aus der Schultheatergruppe gewesen.

Sein Geld verdient Völkl unter anderem als Ensemblemitglied und Bühnenmusiker des Theaters Duisburg. „Er zeichnet sich für die musikalische Seite zahlreicher Inszenierungen verantwortlich. Seine Produktionen erhalten regelmäßig ausgezeichnete Kritiken“, berichtete Reuter und vollendete sein Bild eines Grenzgängers zwischen Stilen und Genres mit Völkls Wallenstein-Karriere. Als Baby krabbelte er bereits durchs Zigeunerlager, spielte inzwischen fünf verschiedene Rollen im Schillerstück – zuletzt den Questenberg – und komponierte 2018 die Musik für das Volksstück. Nur im Volk habe Wolle noch nie mitgewirkt.

Im Gegensatz zum Kulturpreis der Stadt geht die ebenso mit 1000 Euro dotierte Auszeichnung der Raiffeisenbank Altdorf/Feucht nicht an einen Solokünstler, sondern an eine Institution: die Stromer’sche Kulturgut-, Denkmal- und Naturstiftung von Rotraut von Stromer-Baumbauer. Die Laudatio auf Stiftung und Veranstalterin sprach Andreas Schlegel, der als Dirigent arbeitet und auf Burg Grünsberg lebt.

Sie schafft Raum für Kultur: Rotraut von Stromer-Baumbauer. Foto: Christian Geist2020/10/Altdorf-Kulturpreis-Rotraut-von-Stromer-Baumbauer-online.jpg

Angesichts der Pandemie und ihrer Folgen für Kunst- und Kulturschaffende betrachtete er den Abend vor genau diesem Hintergrund. „Uns droht in dieser Krise der Verlust von Strukturen, die unerlässlich für eine lebendige Kulturlandschaft sind. Dass Kultur in der Breite, jenseits von Staatstheater, Philharmonien und Museen der großen Städte existieren kann“, meinte Schlegel und setzte sich in der Folge kritisch mit dem ökonomischen, zweckrationalisierten Denken unserer Zeit auseinander, das vor der Kultur nicht Halte macht und diese gefährdet.

Antrieb und Seele auf Burg Grünsberg

Dann aber kam er auf die bereits erwähnten Strukturen zurück, die Kultur ermöglichen. Und damit zur Preisträgerin. Er sprach von einer Voraussetzung für kulturelles Leben in Altdorf, die „nicht von einem Kulturbetrieb, sondern aus dem enormen Engagement einer einzelnen Person“ geschaffen wurde und bewahrt und entwickelt wird. Von Stromer-Baumbauer sei „Antrieb und Seele“ der Kulturveranstaltungen auf Burg Grünsberg, wo sie am Einlass steht, das Pausencatering übernimmt, Blumen überreicht, den Flügel poliert, einfach alles macht. Hervor hob Schlegel noch die Auswahl der Künstler.


„Das Kriterium deiner Auswahl ist nicht, was sich leicht verkauft, was risikoarm ist, was viel Aufmerksamkeit bringt. Dein Kriterium ist einfach die Qualität von Künstlern.“ Weil Kultur für die Preisträgerin ein Wert ist, der sich nicht vermessen lässt. Dank dieser Herangehensweise, dieses „subjektiv-ästhetischen Blicks“, könne man auf der Burg noch immer Überraschungen erleben, die andernorts immer seltener werden. 40 Künstlern nahm die Pandemie auf der Burg in diesem Jahr ihre Bühne. Ihnen widmete von Stromer-Baumbauer ihre Auszeichnung und teilte das Preisgeld als „kleines Trösterchen“ unter ihnen auf.

Einstündiges Bühnenprogramm

Im Anschluss an ihre Auszeichnungen gaben beide Preisträger einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen. Wolfgang Völkl stand nacheinander mit Laudator Ullrich Reuter, Jörg Szameitat, Evelyn Cerny, Mathias Bechert und Simon Reuter auf der Bühne, Rotraut von Stromer-Baumbauer begleitete die Sopranistin Katrin Küsswetter am Klavier.

Als Gastgeber und Stifter der Preise sprachen Bürgermeister Martin Tabor und Raiba-Vorstandsvorsitzender Manfred Göhring im Kulturtreff. Für Tabor ist Kultur mehr als nur „gesellige Bespaßung der Bürger“. Sie biete Impulse und Struktur und diene als Referenzwert, wie es um die Gesellschaft bestellt ist. Vor diesem Hintergrund sei es schwer zu verstehen, dass ein großer Teil der Kunstschaffenden in Deutschland in prekären Verhältnissen leben müsse. Den Kulturpreis bezeichnete er deshalb als ein kleines Zeichen dagegen.

Und Göhring geriet angesichts der dargebotenen musikalischen Vielfalt beinahe ins Schwärmen und fragte in den Saal, ob das heute nicht die Geburtsstunde der Musiktage am Baudergraben sein könnte? „Die Altdorfer Musikszene hat so ein riesieges Repertoire – da könnte was gehen!“

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