Lebensretter mit Rotoren

Erfahrungsbericht: ehrenamtliche Rehkitzretter im Einsatz

Rehkitzretterin Alexandra Liebel mit Rehkitz.
Rehkitzretterin Alexandra Liebel mit Rehkitz. | Foto: Tina Harnisch2025/06/4d6e986116718586af6be1c55b80883dfbb276d7_max1024x.jpg

NÜRNBERGER LAND – Die Hochsaison der Setzzeit ist in vollem Gange. Wer in Wald und Flur unterwegs ist, sollte sich daher besonders jetzt bewusst machen, dass er draußen nicht alleine unterwegs ist, sondern sich im „Kinderzimmer des Wildes“ bewegt. „Gerade im Frühling und im folgenden Frühsommer werden die Jungtiere geboren. Es ist die Zeit, in der die Natur zu einer gut gefüllten Kinderstube wird und deshalb ungestört sein sollte“, berichtet Umweltingenieur Michael Kraus vom Jagdschutz- und Jägerverein Nürnberg Land. Für die Kitzretter hatte witterungsbedingt eine kleine Verschnaufpause eingesetzt. Doch verschoben ist nicht gleich aufgehoben. Der Regen hat die nächste Mahd nur nach hinten verschoben und das Gras wächst jetzt nur umso besser.

Seit mehreren Wochen sind die Kitzretter des Jagdvereins Nürnberg Land wieder täglich mehrfach im Dauereinsatz. Mit modernen Drohnen, ausgestattet mit Wärmebildkameras, fliegen sie in den frühen Morgenstunden die Wiesen ab. Bevor der Landwirt zum Mähen kommt, muss er sichergehen, dass kein Wild mehr in der Wiese liegt. Hierbei unterstützen die Jäger gerne. Harte Arbeit jedoch für die freiwilligen Helfer, die das Ganze zusätzlich neben ihrem Berufsleben ehrenamtlich bewerkstelligen müssen.

Wiesenmahd als Todesfalle

Junge Feldhasen und Rehkitze haben gegenüber ihren Fressfeinden eine besondere Strategie entwickelt: wenn Gefahr droht, fliehen sie nicht, sondern ducken sich und verharren still, um nicht entdeckt oder aufgespürt zu werden. Dieses regungslose Verharren als Schutz wird den Jungtieren bei der Wiesenmahd allerdings zum Verhängnis. Zur Rettung der Jungtiere hat der Jagdschutz- und Jägerverein Nürnberg-Land mehrere moderne Drohnen mit Wärmebildkameras angeschafft. Mit diesen können die Kitze, durch die Temperaturdifferenz zwischen Boden und der Felloberfläche, schnell identifiziert und gerettet werden. Doch dies funktioniert nur, solange die Außentemperatur noch möglichst gering ist: früh morgens. Die Kitzretter holen dann das Jungwild gezielt aus der Wiese heraus und setzen dieses nach der Mahd außerhalb der Gefahrenzone wieder ab. Wichtig ist dabei, dass möglichst kein menschlicher Geruch übertragen wird. Die Rehgeiß holt ihr Junges dann bald wieder ab.

Gerade in den letzten Tagen gibt es vermehrt Meldungen von Wildunfällen. Besonders tragisch ist das, wenn ein totes Muttertier auf der Straße zu Tode gekommen ist. Irgendwo liegen nun Tierbabys und warten auf ihre Mama. Doch diese wird nicht mehr kommen. Werden die Tiere nicht schnell gefunden, drohen sie zu verdursten. Doch auch hier kommen die Kitzretter täglich zum Einsatz.

Kürzlich Nähe Burgthann: Gegen 15.20 Uhr erfolgt beim Jagdpächter ein Anruf der Polizeiinspektion Altdorf. Ein Wildunfall hat sich ereignet. Der Jäger macht sich wie immer auf den Weg zum Unfallort. Das tote Reh liegt im Straßengraben. Vor Ort wird jedoch ersichtlich: Es handelt sich um eine führende Geis. Die Zitzen sind angesäugt, mindestens ein Kitz liegen irgendwo in der Nähe und wartet auf seine Mutter. Der Jagdpächter verständigt das Drohnenteam. Die Wiese ist noch nicht gemäht, daher sehr hoch und schwer zum Absuchen. Die Kitzretter fliegen mit zwei Drohnen gleichzeitig. Nach drei Stunden Suche konnten drei Kitze relativ nahe beieinander gefunden werden. Doch gehören die zu jener Geis? Das schlimmste, was passieren könnte, wäre das falsche Kitz zu retten, dessen Mutter noch lebt.

Die Retter informieren die Wildtierhilfe Süddeutschland und bitten um Unterstützung. Ein verwaistes Jungtier kann und darf schließlich nicht einfach so von jedermann aufgezogen werden, sondern braucht professionelle Hilfe. Währenddessen wird die Wiese aus der Ferne beobachtet und überwacht. Ab etwa 20.30 Uhr kommt eine Geis den Hang hinunter. Um 22.30 Uhr nimmt sie zwei der drei Kitzen mit. Nur noch eines bleibt alleine übrig. Das Kitz wird geborgen und nun von der Wildtierhilfe Süddeutschland versorgt.

Wenige Tage später ein ähnlicher Fall nähe Pühlheim. Auch hier liegt ein totes Muttertier auf der Straße. Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin von der Wildtierhilfe und einer Drohne kann Jägerin Tina Harnisch zwei Kitze identifizieren. Beide rufen schon anhaltend nach ihrer Mutter, werden gesichert und nun bis zur Auswilderung ebenfalls von der Wildtierhilfe aufgezogen. Es wird sogar eine „Krabbelgruppe“ Nürnberger Land gebildet, weil es leider mehrere verwaiste Kitze aus unserem Landkreis gibt.

Rehkitze nicht anfassen

Rehkitze und andere Jungtiere dürfen unter keinen Umständen angefasst, gestreichelt oder auf den Arm genommen werden. Der menschliche Geruch, der anschließend an ihnen haftet, ist ihr Todesurteil: Die Rehgeiß würde ihren Nachwuchs nicht mehr annehmen. Das Kitz müsste verhungern oder ist seinen Fressfeinden ausgeliefert.

„Rehgeißen sind jedoch keine Rabenmütter. Auch wenn man diese nicht sieht, sind sie stets in der Nähe. Rehkitze kommen nahezu ohne eigenen Körpergeruch auf die Welt. Rehgeißen, die das Leben ihres Nachwuchses schützen wollen, legen die Kitze daher in Wiesen oder im Wald ab und suchen es nur zum Säugen auf, um das Versteck durch ihre eigene Witterung Fressfeinden nicht zu verraten. Hierzu gehören Fuchs, Marder, Dachs, aber auch Greifvögel, Katzen und Hunde“, erklärt Kraus. Wer ein Wildtier findet und der Meinung ist, es sei verwaist, sollte in jedem Fall Abstand halten und zuerst den berechtigten Jäger oder die Polizei informieren. Diese leiten dann weitere Schritte ein.

Wie kann man helfen?

Eine professionell ausgestattete Drohne kostet rund 8000 Euro; zuzüglich bedarf es Equipment, Wartung und Reparatur. Wer die Arbeit der Kitzretter unterstützen möchte, der kann eine Spende auf das Konto des gemeinnützigen Vereins tätigen. Auch kleine Beträge helfen weiter. Durch den fortwährenden harten Einsatz leidet die Ausrüstung und muss immer wieder erneuert werden.

Auch die Wildtierhilfe Süddeutschland kann jede Spenden gut gebrauchen. Derzeit werden jeden Tag über 20 Liter Milch für aufgefundene Tiere benötigt. Zur Aufzucht der Kleinen wird die haltbare Andechser Ziegenmilch mit drei Prozent Fett verwendet. Sachspenden in Form dieser Milch werden dort gerne entgegengenommen. Kuhmilch ist ungeeignet.

Info: Nähere Informationen zur ehrenamtlichen Arbeit finden und wie die Rettung unterstützt werden kann, finden Interessierte unter www.jjv-nbgland.de sowie in den sozialen Medien.

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