Mord oder Totschlag?

Bereits der Prozess gegen den Neunkirchener Amokfahrer im November 2009 hatte ein großes Medieninteresse hervorgerufen. Jetzt muss der Fall neu verhandelt werden. PZ-Archivfoto
Bereits der Prozess gegen den Neunkirchener Amokfahrer im November 2009 hatte ein großes Medieninteresse hervorgerufen. Jetzt muss der Fall neu verhandelt werden. PZ-Archivfoto2011/03/obi_täter_gericht_nas_tat_3.jpg

NÜRNBERG — Der Prozess um den Neunkirchener Amokfahrer (21), der vor rund zwei Jahren nach dem Besuch in der Laufer Diskothek „Fun“ drei junge Leute mit dem Auto überfahren hatte, wird nächsten Dienstag neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil, das siebeneinhalb Jahre Haft wegen dreifachen Mordversuchs lautete, zum Teil wieder aufgehoben. Nun muss neu verhandelt werdne.

In der Nacht zum 1. Februar 2009 hatten mehrere Jugendliche im „Fun“ den 18. Geburtstag eines Kumpels gefeiert – mehr als ein halbes Jahr später trafen sie sich vor der Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Der junge Mann, der damals den Schritt in die Volljährigkeit feierte, zieht bis heute ein Bein nach; der Angeklagte sitzt seither im Gefängnis.

Am Ende der Beweisaufnahme war die Jugendkammer zur Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte in jener Nacht seine Freundin sowie einen mutmaßlichen Nebenbuhler töten wollte. Und beide absichtlich auf dem Parkplatz hinter den Faun-Werken mit dem Auto überrollt hatte. Ein weiterer junger Mann konnte sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite retten. Wegen Mordversuchs in drei Fällen wurde der heute 21-Jährige damals zu siebeneinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt (wir berichteten).

Ein Urteil, das der vierte Senat des Bundesgerichtshofs danach teilweise aufhob. Zwar bezweifeln auch die obersten Richter nicht, dass sich der Abend so abspielte, wie das Urteil der Jugendkammer festhält. Doch der BGH hält die „niederen Beweggründe“ des Angeklagten für nicht erfüllt, die ein zwingendes Merkmal für einen Mord sind. Immerhin, so die obersten Richter, hatte die junge Frau während des Tanzabends Anlass zu Wut und Eifersucht geliefert. Die Karlsruher Richter halten in ihrem Tenor fest, dass sich die junge Frau von ihrem Freund zwar etliche Getränke spendieren ließ, gleichzeitig aber mit einem Nebenbuhler flirtete. Die Eifersucht sei begründet und daher nachvollziehbar gewesen.

Juristisch betrachtet fehlt damit also das Mordmerkmal, das den Schuldspruch rechtfertigt. Nun muss ein anderes Richtergremium des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein neues Urteil finden: Ab Dienstag wird vor der Schwurgerichtskammer der Fall neu aufgerollt. Das Strafmaß von siebeneinhalb Jahren kann, muss sich dabei aber nicht ändern. Denkbar, dass das Urteil auf versuchten dreifachen Totschlag lauten wird.

Rückblick: Zwischen dem Angeklagten, einem Neunkirchener, und seiner Freundin hatte es schon vor der grässlichen Tat immer wieder gekracht. Doch an jenem Februarabend herrschte in der fröhlichen Geburtstagsrunde ausgelassene Stimmung. Er versorgte sie mit Getränken, bis plötzlich die Eifersucht in ihm bohrte – er hatte beobachtet, wie sich seine Freundin von einem jungen Produktionshelfer aus Schnaittach dessen Handynummer hatte zustecken lassen.

Tat vor Ort nachgestellt


Sechs Tage lang hatte die Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth im November 2009 verhandelt, den Unfall nachgestellt und sogar Zeugen direkt am Parkplatz hinter der Faun gehört, um sich vorstellen zu können, was sich an jenem Abend abgespielt hatte.

Am Ende stand für die Richter fest: Gegen fünf Uhr morgens stürmte der junge Neunkirchener wütend und betrunken aus der Disco. Er setzte sich hinter das Steuer seines weißen Peugeot, trat das Gaspedal durch. Nur zwölf Meter weiter entfernt war seine Freundin zusammengebrochen und lag auf dem Boden des geplasterten Parkplatzes. Nach der durchzechten Nacht spielte ihr Kreislauf nicht mehr mit. Zwei junge Männer, darunter der mutmaßliche Nebenbuhler, leisteten Erste Hilfe. Der Angeklagte überrollte die Frau und einen der Helfer. Sie trug eine schwere Lungenquetschung davon, der Helfer erlitt mehrere Knochenbrüche am ganzen Körper, auch seine Hüfte wurde ausgekugelt.

Der Angeklagte hatte von einem „Filmriss“ gesprochen und behauptet, von dem Unfall nichts mitbekommen zu haben.

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