NÜRNBERG/NEUNKIRCHEN —Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt ein Nürnberger Urteil teilweise auf: Ein 21-jähriger Neunkirchener war Ende 2009 wegen versuchten Mordes in drei Fällen zu siebeneinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden – zu Unrecht, entschieden die obersten Richter gestern.
In der Nacht zum 1. Februar 2009 hatten mehrere Jugendliche in einer Diskothek den 18. Geburtstag eines Kumpels gefeiert, im November letzten Jahres trafen sich alle vor der Jugendkammer des Nürnberger Landgerichts wieder.
Der Disco-Besuch hat ihr Leben dramatisch verändert: Der junge Mann, der damals den Schritt in die Volljährigkeit gefeiert hatte, zog nun ein Bein nach und ein damals 21-Jähriger saß auf der Anklagebank und musste sich wegen versuchten Mordes in drei Fällen verantworten. Er hatte, so hielt das Urteil der damaligen Strafkammer fest, aus Eifersucht seine Freundin sowie einen mutmaßlichen Nebenbuhler mit dem Peugeot-Kastenwagen seiner Eltern überrollt, ein weiterer junger Mann hatte sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite retten können.
Sechs Tage verhandelte die Strafkammer und hörte sogar Zeugen direkt am Tatort, um sich vorstellen zu können, was sich in der Nacht auf dem Parkplatz hinter der Diskothek in Neunkirchen abgespielt hatte. Und um zu rekonstruieren, ob die Tragödie vielleicht doch ein Unfall war.
Schließlich stand für die Strafkammer fest: Der Angeklagte war als Amok-Fahrer unterwegs und hatte den Vorsatz, zu töten. Dafür wurde er wegen versuchten Mordes in drei Fällen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Mit seiner Freundin hatte es bereits früher immer wieder Ärger gegeben, an jenem Abend kam es erneut zu einer Eifersuchts-Szene: Er spendierte seiner Freundin den Eintritt und gab ihr Getränke aus, doch sie ließ sich in der Diskothek die Telefonnummer eines Gleichaltrigen zustecken. In dem späteren Angeklagten bohrte die Eifersucht.
Gegen fünf Uhr früh stürmte er wütend und betrunken aus der Disco, setzte sich hinter das Steuer und trat das Gaspedal durch. Nur zwölf Meter entfernt war seine Freundin zusammengebrochen und lag auf dem Boden des Parkplatzes, nach der durchzechten Nacht spielte ihr Kreislauf nicht mehr mit. Zwei junge Männer leisteten Erste Hilfe. Der Angeklagte überrollte die Frau und einen der Helfer, der zweite Mann konnte sich retten.
Auch die obersten Richter des BGH haben keinen Zweifel, dass sich der Abend so zugetragen hat, wie die Richter der Jugendkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth in ihrem Schuldspruch festhielten. Die Beweisaufnahme muss also nicht neu aufgerollt werden. Allerdings hält der 4. Senat des BGH die „niederen Beweggründe“ des Angeklagten für nicht erfüllt. Juristisch betrachtet fehlt damit das Mordmerkmal, das einen Schuldspruch wegen Mordes rechtfertigt. Daher wurde das Urteil aufgehoben. Nun muss die Jugendkammer II des Landgerichts Nürnberg-Fürth neu verhandeln.
Das Strafmaß von siebeneinhalb Jahren kann, muss sich aber nicht ändern. Denkbar, dass das neue Urteil auf versuchten, dreifachen Totschlag lautet.