HERSBRUCKER SCHWEIZ – „Das ist doch eher ein Marketing-Gag“, findet Thomas Schwab. Mit dieser Meinung zur vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer im Lebensmittelbereich von sieben auf fünf Prozent steht der Schweinezüchter aus Lieritzhofen nicht alleine da.
Obwohl die neue Versteuerung bereits seit Juli gelte, sei er noch von niemand darauf angesprochen worden. Dabei verkauft er die Produkte seiner Weideschweine zu rund 85 Prozent direkt an den Endverbraucher – und zwar weiterhin zum gewohnten Preis. „Bei meinen drei Gastro-Kunden habe ich die Preise kommentarlos angepasst“, erzählt Schwab. Gefordert habe das keiner. „Insgesamt habe ich den Eindruck, das interessiert niemanden.“
Dass zwei Prozent das Käuferverhalten beeinflussen, das glaubt und spürt auch Gerhard Hartmann von der Metzgerei Hartmann nicht: „Wer Wurst isst und sie im Discounter kauft, der wird das auch weiterhin tun und nicht zum Fachhandel wechseln oder umgekehrt.“
Wie Schwab gibt auch Hartmann die Senkung nicht an die Kunden weiter – aber nur aufgrund eines besonderen Umstands: „Wir haben im Juli mit dem Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren von Strohschweinen angefangen und die sind im Einkauf 40 Prozent teurer“, verrät er. Eigentlich müsste die Metzgerei deshalb die Preise erhöhen, tue es aber nicht, indem sie die Mehrwertsteuer beim Kunden bei sieben Prozent belässt.
Jedes Konto anfassen
Dennoch sei der Aufwand in der Buchhaltung im Juni und Juli erheblich gewesen: „Wir mussten jedem Konto den neuen Satz zuweisen.“ Auch das Warenwirtschaftssystem entsprechend anzupassen, sei problematisch und mit größeren Investitionen verbunden gewesen. „Es stellt sich die Frage, ob diese Senkung so glücklich war, wenn man Arbeit und Nutzen betrachtet“, überlegt Hartmann laut.
So sieht das auch Gunther Klos vom Gasthof „Schwarzer Adler“ in Hersbruck: „Bei unseren Umsätzen würden sich die Kosten für das Einpflegen und der Ertrag die Waage halten.“ Er habe sich das mit der Buchhaltung genau angesehen. Das Problem sei einfach die Befristung bis Dezember, „eine relativ kurze Zeit“. Daher verzichtet er ebenfalls auf eine Weitergabe an seine Gäste, sondern sieht die zwei Prozent als eine „Unterstützungsmaßnahme für uns selbst“.
Klos ist klar, dass der Staat etwas tun müsse: „Das ist eine Geste – wie die Soforthilfe.“ Die sei auch toll gewesen, habe aber nur eine Geschäftswoche abgedeckt – und „das ist nicht nachhaltig“. Zumal die ganz befristete Umstellung dem Staat ebenfalls wahnsinnig viel koste. So sehr Klos diesen psychologischen Effekt zu schätzen weiß, „dass einem unter die Arme gegriffen wird“, so deutlich fällt sein Fazit bei nüchterner Betrachtung aus: „Weder für den Kunden noch für uns ist das sinnvoll.“
Hilfe für sich selbst
Dem kann Gerhard Kratzer von Kratzers Biergarten nur zustimmen: „Wir müssten neue Karten machen lassen – was das kostet!“ Er hat daher die Preise nicht gesenkt, zudem „hatten wir ja auch acht Wochen keine Einnahmen“. Und außerdem habe er wirklich andere Probleme als die Mehrwertsteuer, denn das „Zentral“ und die Metzgerei sind wegen der Abstandsregeln geschlossen. „Für das Zentral müssen wir uns was einfallen lassen.“
Dass die ganze Maßnahme „nichts bringt außer mehr Arbeit“, sieht auch Daniel Bär von der Fischbrunner Bärenbrot-Bäckerei so. „Die Kasse musste umprogrammiert werden, die Software umgeschrieben, dann klappte nicht alles gleich“, erzählt er. Zuverlässig kam dagegen die hohe Rechnung der IT-Experten. Die Brotrebellen geben den neuen Mehrwertsteuer-Satz nicht an die Kunden weiter: „Da kämen völlig krumme Preise raus.“ Und die Brotliebhaber störe es nicht, dass sie weiterhin das Gleiche zahlen.
Pünktlich zum Stichtag
Auch die Fans der Thalheimer Bauernwurst hätten sich bislang nicht um das Thema gekümmert, verrät eine Mitarbeiterin – und das obwohl sie von der neuen Regelung profitieren. Bei der Metzgerei sei die Anpassung reibungslos gelaufen. Man habe in der Corona-Krise einen Einbruch verkraften müssen, dennoch sei es keine Frage gewesen, die Senkung nicht zum Stichtag weiterzugeben.
Auch Thomas Barth vom Hersburcker Brauhaus hat keine Sekunde gezögert, die Preise bei den Speisen – für die Getränke wäre der Aufwand zu groß – neu auszurechnen: „Wenn wir den neuen Satz vom Einkauf bekommen, sollen auch unsere Gäste etwas davon haben.“ Und denen stechen zahlen wie 7,31 Euro, 9,42 Euro oder 4,78 Euro laut Barth sofort ins Auge. „Die fragen dann nach und finden es toll, dass wir uns damit auseinandersetzen.“
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Denn viele würden gerade bei großen Ketten, die die Systeme eigentlich leichter umstellen könnten, die gegenteilige Erfahrung machen. Auf den Cent schaue kaum jemand: „Viele runden den Betrag auf.“
Eines macht Barth klar: „Die Umprogrammierungen muss man so und so machen.“ Für ihn hätten die krummen Beträge lediglich bedeutet, sich drei Stunden Zeit für Änderungen zu nehmen. „Und das habe ich gemacht, weil uns unsere Gäste das wert sind.“ Schließlich solle die Maßnahme ja generell für eine Konjunkturbelebung sorgen und nicht den Wirt bereichern.
Gerecht geteilt
Eher weniger ein Thema war die Mehrwertsteuersenkung am Münzinghof. „Wir verkaufen ja großteils über Händler und kaum an den Endkunden“, erklärt Michael Taubmann. Es habe Gespräche mit den Partnern gegeben, wer den neuen Satz weitergebe. „Teilweise behält jeder ein Prozent davon.“
Die zwei Prozent für sich verbuchen, das tun auch die „Vogelbeere“ und der Veldener Bürgerladen, bei dem Taubmann Geschäftsführer ist: „Wir haben das offensiv kommuniziert und ein entsprechendes Schild aufgehängt.“ Dass die Senkung nicht weitergegeben wird – nur Lotto mache seine Preise selbst –, werde akzeptiert, so Taubmann. Der Aufwand in Sachen Etikettierung sei riesig – „und dann muss man Silvester wieder alles ändern“, sagt er kopfschüttelnd.
Zumal bei zwei Prozent: „Von was reden wir da bei einem Durchschnittseinkauf bei uns im Laden von zehn Euro?“ Allein schon die Abstimmung mit der Buchhaltung sei der Wahnsinn gewesen, um „nichts mit in den Juli hineinzuschleppen“. Taubmann hält den Verwaltungsaufwand hinter der kurzzeitigen Mehrwertsteuersenkung für enorm: „Das kostet uns Kleinen nur.“