NÜRNBERGER LAND – Bürgermeister im südlichen Nürnberger Land hadern mit Söders Ankündigung, zum Beginn des neuen Schuljahrs alle Klassenzimmer mit Luftfiltern auszustatten. Während man in den Schulen vor Ort bereits gute Erfahrungen mit den CO2-Ampeln gemacht hat, ist die Wirksamkeit der Filter noch immer nicht wissenschaftlich belegt.
In den Rathäusern im Nürnberger Land hat die Ankündigung von Markus Söder in Sachen Luftfilter für Klassenzimmer für erhebliche Unruhe gesorgt. Wie berichtet will der Ministerpräsident zum Beginn des kommenden Schuljahrs alle Schulen in Bayern mit Filtern ausstatten, damit es auch dann nicht zu Schulschließungen kommt, wenn die Inzidenzen wieder steigen. 190 Millionen Euro stellt der Freistaat dafür zur Verfügung. Finanziert werden damit allerdings nur 50 Prozent der Anschaffungskosten. Die andere Hälfte müssen die Kommunen und Landkreise als Sachaufwandsträger zahlen. Das sorgt für reichlich Ärger bei den Bürgermeistern.
Im Winkelhaider Rathaus ist Michael Schmidt der Kragen geplatzt: „Das ist doch gar nicht umsetzbar“, empört sich der Bürgermeister, „man hat uns nicht gefragt, ob wir die Filter hier brauchen.“ Ein „Konjunkturprogramm zum Geldverbrennen“ nennt er die Luftfilterpläne, „weil in der Winkelhaider Grundschule optimal gelüftet werden kann.“ Wie in vielen anderen Schulen gibt es auch in Winkelhaid die CO2-Ampeln in den Klassen, an denen sich Lehrer und Eltern orientieren können, wann gelüftet werden muss.
Kein Ersatz für das Lüften
Damit komme man sehr gut zurecht, betont Schmidt und verweist darauf, dass er damit auch auf einer Linie mit dem Schulleiter sei. Außerdem: Luftfilter würden das Lüften ja auch nicht ersetzen. Das Ganze ist aus Schmidts Sicht „nicht durchdacht“. Und darüber hinaus sei der Umgang mit den Kommunen nicht in Ordnung. „Wir brauchen das nicht“, hält Schmidt fest.

Altdorfs Bürgermeister Martin Tabor ärgert sich zwar auch über das Kommunikationsdesaster, geht aber davon aus, dass man die Luftfilter durchaus braucht – auch wenn bis heute nach seiner Kenntnis keine tiefer gehende Studie über deren Wirksamkeit vorliegt. An der Grundschule in Altdorf wurden seinerzeit, auch mit Hilfe von Elternspenden die ersten Filteranlagen im Landkreis aufgestellt. Zwischenzeitlich sind alle Klassenräume und das Lehrerzimmer mit solchen Filtern ausgestattet. Dabei war Altdorf in der günstigen Lage, noch höhere Zuschüsse für die Anlagen zu bekommen. Der Fördertopf ist inzwischen leer. 25 500 Euro hat Altdorf seinerzeit für den Kauf von Filtern ausgegeben.
„Für mich machen die Geräte jedenfalls Sinn“, fasst Tabor zusammen, sieht aber auf die bayerischen Schulen Probleme zukommen, wenn jetzt ganz schnell Filtergeräte bestellt werden sollen. „Da wird es zu Engpässen bei den Herstellern kommen.“ Mit seinem Winkelhaider Kollegen Michael Schmidt sieht er noch Diskussionsbedarf, wenn es um die Anschaffung von Filtern für die Mittelschule Altdorf geht. Das Thema wird auf die Tagesordnung des Schulzweckverbands kommen.

Im Burgthanner Rathaus ist Markus Bierschneider für mögliche Luftfilteranlagen in Schulen zuständig. „Mögliche“ deshalb, weil es an den Schulen in Burgthann bislang noch keine Filter gibt. Burgthann will die zwar anschaffen, für Bierschneider ergeben sich aber eine ganze Reihe offener Fragen: Muss die Anschaffung ausgeschrieben werden? Und wenn ja: Wie soll dann der Zeitplan bis September gehalten werden? Und muss nicht ein Fachplaner für den Einsatz der Filteranlagen hinzugezogen werden?
Die Kosten für den Kauf der Filteranlagen für 26 Klassenräume und acht Horträume sind in Burgthann laut Bierschneider erheblich. Sie belaufen sich auf 170 000 Euro.
Luftfilter als Klimaanlage?
Im Schwarzenbrucker Gemeinderat waren die Luftfilter für Klassenräume bereits mehrmals Thema (wir berichteten). Hier sind Filter bereits im Einsatz, die Gemeinde hat aber Größeres vor. In der Schule soll ein stationäres Filtersystem eingebaut werden, das im Sommer auch als Klimaanlage eingesetzt werden kann, kündigt Bürgermeister Markus Holzammer an.
59 mobile Luftfilter hat die Marktgemeinde Feucht bereits Anfang des Jahres angeschafft für die Klassenräume der Grundschule und der Mittelschule. Dort gibt es in den Klassen auch CO2-Ampeln mit Signalen zum Lüften. „Wir sind also ganz gut aufgestellt“, sagt Bürgermeister Jörg Kotzur, sieht das Vorpreschen von Söder aber kritisch: „Da sollte man doch zunächst mal mit den Kommunen reden, vor allem dann, wenn die zahlen müssen.“ Knapp 48 000 Euro hat Feucht im Februar für die Filter gezahlt.
An der Grundschule Diepersdorf sind ebenfalls CO2-Ampeln im Einsatz, mit denen man dort beste Erfahrungen gemacht hat. So berichtet es Bürgermeister Thomas Kraußer und verweist auch auf optimale Möglichkeiten zum Lüften in den Diepersdorfer Klassenräumen. Plant er den Kauf von mobilen Luftfiltern? Kraußer ist da sehr zurückhaltend.
Bis September sei das Ganze wohl kaum zu schaffen, stellt er fest, fügt aber hinzu, dass er in der Angelegenheit in ständigem Kontakt mit der Schule steht – auch um zu erfahren, wie die Eltern dazu stehen. Die Schulleitung jedenfalls halte eine umgehende Anschaffung von Luftfiltern derzeit nicht für nötig. „Es gibt im ganzen Landkreis auch keine einzige Schule, die jetzt sagt: Wir brauchen das unbedingt“, fügt er hinzu.

Die kommunalen Spitzenverbände haben derweil einen Brandbrief an den Ministerpräsidenten geschrieben, in dem sie Söders Kommunikation scharf kritisieren. Da würden Erwartungen bei den Eltern geweckt, die die Kommunen nicht erfüllen könnten. Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayer (CSU) kritisiert wie sein Altdorfer Kollege Martin Tabor, dass nach wie vor nicht geklärt sei, welchen Beitrag mobile Lüftungsgeräte im Sinne des Infektionsschutzes tatsächlich leisten könnten.
Leinburgs Rathauschef Kraußer befürchtet, dass man unter Umständen Luftfilter anschafft, die irgendwann im Keller landen, zwischen ausgedienten Overhead-Projektoren und Kopierern. In Leinburg würden dann Filter im Gesamtwert von 80 000 Euro im Schulkeller stehen.
Kritik kommt auch vom Elternverband
Gestern hat sich der Bayerische Elternverband (BEV) zu Wort gemeldet und das unterschiedliche Vorgehen der Kommunen kritisiert. „Warum können die einen handeln und die anderen nicht?“, fragt der BEV-Landesvorsitzende Martin Löwe. Der BEV fordert Filter für alle Schulen in Bayern und deren komplette Finanzierung durch den Freistaat.
Der BEV besteht darauf, dass sich die Schließung von Schulen keinesfalls wiederholen darf. Technisch sei man in der Lage, Schulen auch in Pandemiezeiten zu sicheren Orten zu machen. Alle Klassenräume müssten jetzt lufthygienisch aufgerüstet werden, damit auch im Falle einer vierten Pandemiewelle Präsenzunterricht stattfinden kann.