Wenn die Beine sich wie Buttermilch anfühlen

Strampeln für einen guten Zweck: Im Selbstversuch trat Stefan Bergauer, Volontär der Nürnberger Nachrichten, zum 24-Stunden-Spinning beim 5. Indoor Cycling Marathon des Feuchter Radl Express an – und scheiterte grandios.

MOOSBACH – Am Telefon hatte sich alles noch ganz gut angehört. Ob ich Lust hätte, bei einem 24-Stunden-Rennen mitzumachen, hatte mich Hans-Peter Berr, der Vorsitzende des Radl Express Feucht, gefragt. Ja klar. Der gute Zweck, die Spendenaktion für die Tafel Nürnberger Land, ließ mich die angestammten Grenzen des Nürnberger Lokalsports überschreiten. So fand ich mich am vergangenen Samstag frohen Mutes in der Bürgerhalle Moosbach wieder. Ich hatte ja keine Ahnung.

Die Chronik meines Versagens: Schon die Anreise stand unter einem schlechten Stern. Mein Auto springt wegen der Kälte nicht an, ich muss mit meiner mit Sportgetränken vollgepackten 20-Kilo-Sporttasche zum Zug rennen. Endlich angekommen, wundere ich mich über die rhythmischen Auf- und Abbewegungen der 66 Teilnehmer. Mir schwant Schreckliches. Auf dem vom Radl Express organisierten fünften Indoor-Cycling-Mar athon wird nicht geradelt. Indoor-Cycling ist einfach ein anderes Wort für Spinning. Ein Trick, um die Lizenzgebühren zu umgehen, auf den ich Ahnungsloser hereingefallen bin. 24 Stunden Radlfahren sind für einen Untrainierten wie mich an sich schon ein hohes Ziel. Man könnte es auch vermessen nennen. Meine Freundin findet eine passend-nette Umschreibung: Bescheuert. Sie hat wahrscheinlich recht.

„Schon mal auf so einem Rad gesessen?“ fragt mich Berr, als ich etwas ratlos vor meinem Fahrrad mit den vielen Einstellungsmöglichkeiten stehe. Ich verneine. Berrs Blick ist deutlich: Nein, das wird nichts.

Ich gebe mein Bestes. Ich teste den Sattel. Hart. Zum Glück habe ich auf Anraten meines Chefs eine Radlerhose gekauft. Die Polsterung wird mir gute Dienste leisten. Denke ich. Aber schon nach 20 Minuten spüre ich zwar den harten Sattel, aber keinen Schaumstoff mehr. In der ersten Pause überprüfe ich, ob ich die Hose vielleicht verkehrt herum angezogen habe. Leider alles richtig gemacht.

Wir fahren immer 50 Minuten, dann folgen zehn Minuten Pause. Ich bin einer von 620 Teilnehmern, ein neuer Rekord. Knapp werden 6000 Euro aus Sponsoring, Teilnehmergebühren und -spenden für die Tafel zusammenkommen.

Beim Spinning werden immer wieder verschiedene Positionen auf dem Rad eingenommen. Alles zum Takt der aus den Boxen dröhnenden Musik. „Spinning ist eigentlich Disco für Grobmotoriker“, sagt Peter Troidl. „Der Trainingseffekt kommt von den Lastwechseln.“ Troidl ist zweiter Vorsitzender des Radl Express und ausgebildeter Instruktor, auf der Bühne geben er und seine Kollegen die Übungen vor. Langsam wird das Fahren eintönig. Berr schaut immer mal wieder vorbei und prüft die Temperatur meines Schwungrades.

Eiskalt — im Gegensatz zu denen der übrigen Teilnehmer. Der Schweiß tropft ihnen vom Gesicht, die Fenster beschlagen. Ich fahre beinahe ungebremst. Wenn hier ein Weg zum Ziel führt, dann der des geringsten Widerstandes.

Mein Blick wandert immer wieder zu Katja und Mareile Hertel. Die beiden sind ebenfalls für 24 Stunden angetreten und sehen im Gegensatz zu mir so aus, als würden sie es auch schaffen. „Wir hatten nichts Besseres vor“, sagt Mareile. Na dann.

Schier endloses Leiden

In der fünften Stunde beginnt das Leiden. Meine Oberschenkel haben keine Lust mehr auf Treten im Stehen. Eine Zwickmühle, denn mein Hintern hat ebenfalls keine Lust mehr auf Treten im Sitzen. Die Oberschenkel setzen sich durch.

In einer Pause besuche ich Physiotherapeutin Stefanie Grumann. Sie hat Mitleid, massiert mich wieder fit und besorgt mir sogar Magnesium, verlängert aber doch nur mein Leiden.

„Quäl dich, du Sau“, sagte Radprofi Udo Bölts einst. Ich gehorche und wechsle auf „normales“ Radfahren, muss aber trotzdem mein 24-Stunden-Ziel drastisch nach unten korrigieren. Ein Mann um die 50 zwei Räder weiter muss als Konkurrent dienen: Ich muss mindestens so lange durchhalten wie er. Nach sieben Stunden steigt er gerade rechtzeitig ab. Meine Beine fühlen sich an wie Buttermilch, die Beschreibung meines Hintern erspare ich Ihnen. Dabei sind die Sättel „eigentlich Marke Damensofa“ sagt Troidl. Radsportler müssen Masochisten sein.

Am Sonntag steige ich noch mal für eine Stunde aufs Rad. Fürs Ego. Außerdem will ich sehen, wie es den Hertels geht. Die sehen auch nach 24 Stunden so frisch aus wie zu Beginn. Ich dagegen kann nicht mehr sitzen. Freundin und Kollegen haben trotz Qualen nur Hohn und Spott für mich übrig. Da halte ich mich lieber an 
Troidls aufmunternde Worte: „Sieben Stunden sind schon ein Brett.“ Danke! Wenigstens einer.

STEFAN BERGAUER

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