Besuch aus dem französischen Oradour bei Fritz Körber in Behringersdorf

Vereint in Freundschaft und gegen Hass

2015/11/körber-besuch-hebras-lacroix-thurner.jpg

BEHRINGERSDORF — 71 Jahre ist es her, dass Mitglieder der Waffen-SS im französischen Örtchen Oradour-sur-Glane ein Massaker verübt haben. Einen der wenigen Überlebenden, Robert Hébras, verbindet seit vielen Jahren eine Freundschaft mit Fritz Körber, dem Altbürgermeister Schwaigs. Gestern trafen sich die beiden wieder. Im Gespräch zu Hause bei Körbers in Behringersdorf ging es um die Aussöhnung beider Länder, aber auch um aktuelle Entwicklungen.

Es ist die Geschichte seines Lebens. Wohin Robert Hébras auch kommt, mit wem er auch spricht, immer geht es notgedrungen um den Zweiten Weltkrieg, immer geht es auch um diesen einen Tag: den 10. Juni 1944. Mitglieder der Waffen-SS trieben die Bewohner des Örtchens Oradour-sur-Glane in der französischen Region Limousin zusammen, schlossen die Frauen und Kinder in die Dorfkirche, stellten die Männer in Gruppen auf und eröffneten das Feuer. Danach zündeten sie die Kirche und das ganze Dorf an. Wer nicht tödlich getroffen wurde, verbrannte bei lebendigem Leib. 642 Zivilisten, darunter vor allem Frauen und Kinder, starben. Nur sechs Einwohner überlebten das Massaker, teils schwer verletzt. Einer davon ist Robert Hébras.

Verfechter der Versöhnung

Wer den heute 90-Jährigen erlebt, lernt aber keinen verbitterten alten Mann kennen. Im Gegenteil. Während Oradour wie kein zweiter Ort für die Kriegsgräuel der Deutschen in Frankreich steht, symbolisiert Hébras die Aussöhnung zwischen den beiden Ländern nach dem Kriegsende. 2012 bekam er dafür das Bundesverdienstkreuz.

Hébras und Philippe Lacroix, seit März 2014 Bürgermeister von Oradour, waren am Wochenende in Franken, um in Nürnberg eine Veranstaltung zum 70. Jahrestag der Nürnberger Prozesse mitzuerleben. Doch gestern stand auch ein Besuch bei Fritz Körber in Behringersdorf auf dem Programm. Denn mit dem Schwaiger Altbürgermeister verbindet Hébras eine lange Freundschaft, die beide pflegen.

Erster Treffen vor 30 Jahren

1985 trafen sich die Männer in Nürnberg anlässlich des 40. Jahrestags des Kriegsendes, kurz darauf besuchte Körber Hébras im Limousin. „Ich bin dankbar für diese Freundschaft“, sagt der Behringersdorfer heute. „Hébras ist ein Riesen-Vorbild.“ Denn auch durch dessen Einsatz, durch das Vorleben von Vergebung, habe sich die Stimmung der Franzosen aus der Gegend um Oradour gegenüber den Deutschen geändert. „Der Hassgedanke ist in den Hintergrund gedrängt worden“, drückt es Körber aus.

Mit am Tisch im Wintergarten der Körbers: Schwaigs Bürgermeisterin Ruth Thurner, Horst Lott, ehemaliger Chorleiter, der schon in Oradour auftrat, die in Cadolzburg lebende und im Limousin geborene Elisabeth Eder sowie Oradours Bürgermeister Philippe Lacroix. Für ihn ist es der erste Besuch in Schwaig.
Das heutige Oradour hat rund 2000 Einwohner und wurde nach dem Krieg neben den Ruinen des ehemaligen Ortes neu aufgebaut. „Die Leute können heute genau unterscheiden zwischen dem heutigen Deutschland und den Tätern von damals“, sagt Lacroix. Es sei ihm ein Anliegen, die Freundschaft zu Deutschland zu unterstützen. Einen erster Schritt ist nun getan: Mit seiner Schwaiger Amtskollegin Ruth Thurner versteht sich Lacroix sofort. Eine Sprachbarriere gibt es nicht, denn die Bürgermeisterin ist gelernte Dolmetscherin und spricht perfekt Französisch.

Lacroix zeigt sich auch gegenüber einem Filmprojekt offen. Das Musical „Mademoiselle Marie“, das heuer bei den Cadolzburger Burgfestspielen uraufgeführt wurde und im Jahr 1955 in Deutschland und nahe Oradour spielt, wird aktuell verfilmt. Die Dreharbeiten fanden unter anderem in Oradour statt. Auch Robert Hébras kommt in der Handlung vor, entfremdet allerdings als alter, nicht als junger Mann, der er damals war. Womöglich wird das Musical bald auch in Oradour aufgeführt.

„Europa muss zusammenstehen“

Dann kommt die Runde auf die Terrorserie in Paris am Freitag vor einer Woche zu sprechen. Von einem „Krieg“ des Islamischen Staats hatte Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande gesprochen. Sowohl Lacroix als auch Hébras haben diese Formulierung als unpassend empfunden. „Das Wort schockiert mich“, sagt Hébras. Dennoch, an diesem Abend, dem 13. November 2015, kamen in dem 90-Jährigen Erinnerungen hoch an 1944. „Das Massaker in der Kirche von Oradour und das im Club Bataclan, das kann man schon vergleichen“.

Er sei ein überzeugter Europäer, sagt Philippe Lacroix. Europa müsse mehr zusammenarbeiten, um auf solche Anschläge zu reagieren. Werte wie Freundschaft, Brüderlichkeit und Humanismus gelte es zu verteidigen. Schwaigs Bürgermeisterin Thurner erkennt gewisse Parallelen des IS zum Nationalsozialismus: „Aus einer kleinen Gruppe wurde damals eine große Bewegung. Da muss man heute stärker dagegen halten, als es bisher getan wurde. Das hat man viele Jahre zu sehr schleifen lassen.“ Eine Einschätzung, die Lacroix und Hébras mit ihr teilen.

Am Mittag ging es für die beiden Franzosen per Flugzeug wieder in die Heimat. Doch der gute Kontakt nach Deutschland wird weitergeführt. Schon Anfang kommenden Jahres reisen Hébras und Lacroix wieder nach Franken, wenn die Verfilmung von „Mademoiselle Marie“ in Fürth im Kino anläuft. Und im Juli folgt Fritz Körber einmal mehr Hébras‘ Einladung ins Limousin anlässlich der Tour de France. Diese ganz besondere Freundschaft also geht weiter.

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren