Pilot und Flugzeug im Visier der Ermittler

Wenige Minuten nach dem Unglück: Zuschauer umringen die Unfallstelle auf dem Lillinghofer Flugplatz. Die verunglückte „Tiger Moth“ ist gut zu erkennen, ihre linke Tragfläche wurde stark beschädigt. Foto: PZ-Archiv/Buchner-Freiberger2010/11/11564_New_1290182763.jpg

LILLINGHOF (as) — Nun rücken doch wieder der Pilot und sein Doppeldecker in den Mittelpunkt: Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat gestern ihren Zwischenbericht zum Unglück in Lillinghof veröffentlicht.

Roger Knoll, der zuständige Sachbearbeiter der Braunschweiger Bundesstelle, die Flugunfälle in ganz Deutschland untersucht, drückt sich vorsichtig aus: „Das Bild wird schon klarer“, sagt er. Aber auf eine genaue Ursache für das Unglück vor elf Wochen, bei dem eine 46-Jährige starb und 38 Menschen verletzt wurden, will er sich noch nicht festlegen. Schließlich steht ein entscheidender Test aus: Der Start der historischen „Tiger Moth“ soll nachgestellt werden.

Der gestern im monatlich erscheinenden Bulletin der BFU veröffentlichte Zwischenbericht – eine reine Faktensammlung – gibt einige Anhaltspunkte zum Ablauf der Ereignisse beim diesjährigen Flugtag am 5. September. Die Ermittler haben rekonstruiert, dass der Doppeldecker auf der Hälfte der Startbahn kurz abhob, ehe er seine Flugrichtung änderte und nach rechts ins Publikum raste.

„Zwischen der Wahrnehmung vieler Zeugen und der des Piloten gibt es starke Unterschiede“, erklärt Knoll. Der Sachbearbeiter geht davon aus, dass der Start rechtzeitig hätte abgebrochen werden können. Dem gegenüber steht die Aussage des 68-jährigen Flugzeugbesitzers aus Hessen, der von einem plötzlichen Drall berichtet, kurz nachdem er den Hebel für die Motorleistung des Doppeldeckers nach vorne geschoben hatte, um diesen zu beschleunigen. Sein Gegensteuern hätte keine Wirkung mehr gezeigt, dann sei auch schon der Aufprall gekommen.

„Die Reaktionszeit lässt nach“, erklärt Knoll mit Blick auf das Alter des Mannes, der für ihn aber „kein Bruchpilot“ ist. Medien hatten über zwei vorhergehende Abstürze berichtet, in die der 68-Jährige verwickelt war. Hier sieht der BFU-Vertreter keinen Zusammenhang. Der Hesse zähle mit einer Flugerfahrung von rund 2840 Stunden, davon 1300 Stunden auf dem fraglichen Modell, „zweifellos zu den Könnern“, so Knoll. Die Lizenz für Privatpiloten hat der 68-Jährige bereits 1972 erworben, sein medizinisches Tauglichkeitszeugnis war zum Zeitpunkt des Unfalls noch über ein halbes Jahr lang gültig.

Ein Detail am Flugzeug hat die Aufmerksamkeit der Ermittler erregt: Als vier Mitarbeiter der BFU das Wrack vor Ort in Lillinghof unter die Lupe nahmen, stellten sie fest, dass das Zündkabel an einem der vier Zylinder der Maschine nicht auf der Zündkerze steckte. „Das kann beim Aufprall passiert sein, das Kabel kann aber auch schon vorher beim Rollen abgegangen sein“, erklärt Knoll. Das wäre ein möglicher Grund für den Fehlstart der „Tiger Moth“. Die BFU schließt im Augenblick allerdings – wie berichtet – weder den Luftstrom eines zweiten Flugzeugs noch eine Windböe als Auslöser endgültig aus, ehe der Ablauf nicht unter Testbedingungen nachgestellt wurde.

Definitiv fest steht bereits, dass der Abstand der Zuschauer zu dem startenden Flugzeug mit 46,2 Metern zu gering war – vorgeschrieben sind 50 Meter. Insbesondere die Ehrengäste, die sich auf Bierbänken vor den Zuschauern befanden, „hätten da nicht sitzen dürfen“, sagt der Ermittler. Zwar hätte eine größere Distanz das Unglück laut Knoll kaum verhindert, „aber für die Schwere des Schadens spielt das sicher eine Rolle“. Der Sachbearbeiter berichtet auch, dass sich viele Menschen erst bei der Panik nach dem Aufprall des Doppeldeckers verletzt hätten – „durch Schubsen und Überrennen“.

Nach dem in den nächsten Wochen geplanten Teststart will Knoll mit seiner Untersuchung „recht zügig“ fertig werden. Bevor der Abschlussbericht der BFU erscheint, haben jedoch alle Beteiligten das Recht, ihre Einwände geltend zu machen. Deshalb rechnet der Sachbearbeiter damit, dass es Sommer wird, ehe auch die Öffentlichkeit von den Resultaten erfährt.

Nachlesen kann man das September-Bulletin der BFU mit dem Zwischenbericht zum Flugunfall in Lillinghof unter www.bfu-web.de/Bulletin im Internet.

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