LILLINGHOF/BRAUNSCHWEIG — Auch nach eineinhalb Jahren ist das Flugunglück von Lillinghof nicht juristisch aufgearbeitet, sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht abgeschlossen. Ein Gutachten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig steht noch aus. Veröffentlicht wird es wohl erst im Herbst. Die Betroffenen und ihre Angehörigen – eine Frau starb bei der Flugschau, 38 Menschen wurden verletzt – müssen weiter warten. Sie stören sich daran, dass sie über den Stand des Verfahrens nur aus der Presse erfahren.
„Der Sachstand ist unverändert“, sagt Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Die Behörde ermittelt seit dem Unfall im September 2010, bei dem ein Doppeldecker in die Zuschauer des Flugtags gerast ist, gegen vier Personen: den Piloten der historischen Maschine vom Typ Tiger Moth, den Veranstaltungsleiter vom Laufer Segelflugclub und zwei Mitarbeiter des Luftamts Nordbayern.
Wer trägt Verantwortung dafür, dass eine 46-Jährige sterben musste, dass Dutzende verletzt wurden? Die Justiz ist der Ansicht, dass der nötige Sicherheitsabstand zur Startbahn nicht eingehalten wurde. Zentral sei dabei die Frage, so die Oberstaatsanwältin, ob das kausal mit den Verletzungen zusammenhänge. Es geht also darum, ob das Unglück bei ausreichendem Abstand hätte vermieden werden können oder ob die Folgen dann zumindest weniger schlimm für die Betroffenen gewesen wären.
So recht kommt die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen allerdings nicht voran. Das liegt daran, dass sie noch immer auf ein Gutachten aus Braunschweig wartet. Dort sitzt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU). Laut Gesetz ist sie die für ganz Deutschland zuständige Behörde, wenn es um die Untersuchung von Störungen und Unfällen mit Luftfahrzeugen geht. Gabriels-Gorsolke spricht deshalb von einem „Monopol“.
Abschlussbericht erst im Herbst
Einen abschließenden Bericht hatte die BFU bereits für Oktober 2011 angekündigt. Jetzt soll es wieder Herbst werden. Warum dauert das so lange? Spricht man mit Roger Knoll, dem zuständigen Sachbearbeiter, bekommt man einen Eindruck davon, wie kompliziert das Verfahren ist. Lillinghof, verrät Knoll, sei einer von drei Fällen auf seinem Schreibtisch, „die kurz davor sind, dass sie zur Kommentierung herausgegeben werden“. Heißt: Zwar haben die Ermittler der BFU ihren Bericht fertig, doch zunächst bekommen die Beteiligten, zum Beispiel der Pilot und das Luftamt, die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Sie können die Fakten hinterfragen, die Berücksichtigung zusätzlicher Details fordern. Dafür gibt es eine Frist von 60 Tagen – „und die Anwälte werden diese Frist voll ausschöpfen“, sagt Knoll. Immerhin ist das Gutachten die Basis für die weitere Arbeit der Staatsanwaltschaft. Aber auch in Zivilverfahren, wenn also um Schmerzensgeld gestritten wird, kann es eine wichtige Rolle spielen.
Vor September oder Oktober werde der abschließende Bericht nicht an die Öffentlichkeit gehen, sagt Knoll, auch wenn es selten sei, dass nach der Kommentierungsphase noch etwas an der Substanz geändert werde. Grundsätzliche Empfehlungen für die Durchführung von Flugschauen will die BFU indes nicht aussprechen. Das war zwischenzeitlich im Gespräch, doch es gebe schon „einen richtig dicken Wälzer“ zu diesem Thema, so der Sachbearbeiter. Einfach hat sich die Bundesbehörde ihre Arbeit nicht gemacht: Kurz nach dem Unglück war ein vierköpfiges Team vor Ort in Lillinghof, im vergangenen Sommer ist der Start der Tiger Moth auf einem Flughafen in Norddeutschland nachgestellt worden.
Kritik von Angehörigen
Peter Schimmel aus Eckenhaid ist Angehöriger eines Betroffenen. Seinem Schwiegervater wurde der Unterschenkel zertrümmert, als die Maschine die ersten Zuschauerreihen erfasste. Der heute 87-Jährige leidet körperlich noch immer unter dem Unglück. Erst kürzlich wurde ihm das nach einer Operation angebrachte Metall aus dem Bein entfernt. Schimmel stört sich nicht daran, dass die juristische Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist. „Vielleicht bin ich da nicht kämpferisch genug“, sagt er.
Wichtiger sei ihm, dass es seinem Schwiegervater gut gehe. Die beteiligten Versicherungen hätten alle Leistungen erbracht, ein angemessenes Schmerzensgeld gezahlt. Nur: „Mich stört, dass man von der Justiz nichts hört.“ Der 87-Jährige sei kurz nach dem Vorfall von der Polizei vernommen worden, noch geschwächt von einer Operation. Seitdem erfahre er den Stand des Verfahrens nur aus der Zeitung. Schimmel: „Der Laie weiß ja nicht, dass alles so lange dauern kann.“
Gehandelt hat inzwischen der bayerische Luftsport-Verband (LVB), die Dachorganisation der Flugvereine im Freistaat. Der LVB bietet jetzt ein „Briefing für Veranstaltungsleiter“ an – im vergangenen Jahr in Südbayern, noch in diesem April in Ebermannstadt. Dort geht es unter anderem um den vorgeschriebenen Abstand des Publikums zur Startbahn.