Experteninterview

Funktioniert eine Koexistenz von Wolf und Mensch?

Der Niedersachse Frank Faß ist Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik und seit 2010 Leiter und Inhaber des Wolfcenters Dörverden. | Foto: privat2021/04/Frank-Fa-.jpg

NÜNBERGER LAND – Der Wolf ist derzeit im Nürnberger Land in aller Munde. In Wildgehegen gab es mehrere Risse. Ein Wolf soll schon bei helllichtem Tag durch ein Dorf marschiert sein. Der Niedersachse Frank Faß ist seit 2010 Leiter und Inhaber des Wolfcenters Dörverden. Neben Aufklärung und Information fungiert das seit 2016 auch als Auffangstation für verletzte Wölfe. Er kennt sich als Jäger bestens mit der Problematik und den Chancen rund um den Wolf und den Herdenschutz aus.

Sind die Wölfe dabei, eine natürliche Grenze zu überschreiten und sich zu nah an menschliche Siedlungen heranzuwagen?

Frank Faß: Dieses Thema ist keineswegs neu in Deutschland. Bereits 2000 wurde in der Lausitz in Sachsen ein erstes Wolfsrudel gesichtet. Jetzt ist eben Bayern dran. Die Befürchtungen von Anwohnern und Nutztierhaltern haben sich in diesen 20 Jahren nicht geändert und die Debatte bleibt dieselbe. Es wird im ländlichen Raum immer wieder vorkommen. Wichtig ist dabei, den Menschen von allen Seiten zuzuhören.

Der Wolf genießt in Deutschland einen besonderen Schutzstatus. Werden die aktuellen Risse etwas daran ändern?

Der Wolf ist in Deutschland sehr streng geschützt und das bleibt auch in Zukunft absehbar. Die von vielen Parteien geforderte Entnahme des Wolfs hat sehr wenig mit der klassischen Wolfsjagd zu tun. Auch wenn der Wolf in Bayern, wie beispielsweise in Sachsen 2013, ins Jagdrecht aufgenommen wird, verändert sich nichts an seinem Schutzstatus. Das Tier wird artenschutzrechtlich gesehen „ganzjährig geschont.“ Ein großes Problem sind allerdings illegale Abschüsse, zu denen es oft kommt.

Was halten Sie von Vergrämungsmaßnahmen?

Das Wort „Vergrämung“ passt für mich nicht in den Kontext. Hier möchte ich gezielt auf Herdenschutzmaßnahmen eingehen. Ein Elektrozaun beispielsweise kann schon viel bewirken. Angenommen ein Wolf versucht, wie es am häufigsten vorkommt, sich unter einen Zaun durchzugraben. Dabei berührt eines seiner Glieder den Elektrozaun und er bekommt einen Stromschlag. Dadurch merkt er, dass sein Verhalten unerwünscht ist und er dafür bestraft wird. Daneben können außerdem Herdenschutzhunde zur „Vergrämung“ eingesetzt werden. Anhand dieser Beispiele sieht man, dass Präventionsmaßnahmen die meiste Sicherheit bieten.

Was empfehlen Sie Nutztierhaltern und Züchtern, um ihre Tiere zu schützen?

Wie bereits gesagt bieten wolfsabweisende Zäune den besten Schutz vor Übergriffen. Diese sollten eine Höhe von 1,20 Meter haben, damit der Wolf nicht darüber springen kann, und über einen sogenannten Untergrabeschutz verfügen. Oftmals reicht es, einen schon vorhandenen Zaun umzurüsten, in manchen Fällen ist eine Neuanschaffung nötig. Bei Tieren wie Schafen, die immer wieder den Weideplatz wechseln müssen, ist ein Elektronetzzaun eine gute Lösung. Diese lassen sich schnell auf- und abbauen und wiegen sehr wenig. Außerdem können Herdenschutzhunde zum Einsatz kommen, da diese den Wolf wittern und vertreiben können.

Sie sind der Überzeugung, dass das Zusammenleben zwischen Wolf und Mensch möglich ist. Was ist nötig, um Konflikte zu lösen?

Die Politik muss darauf reagieren und beide Parteien an einen Tisch holen. Selbstverständlich ist dabei zu beachten, dass die Nutztierhalter die direkt Betroffenen sind. Deshalb sind Subventionierung und richtige Kommunikation von Präventionsmaßnahmen nötig. Dazu gehören die finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung oder Aufrüstung von wolfsabweisenden Zäunen, faire Ausgleichszahlungen für gerissene Tiere und Zuzahlungen für das Futter und die Hege von Herdenschutzhunden. Außerdem ist das richtige Augenmaß beim Wolfsschutz wichtig. Angenommen, die erwähnten Präventionsmaßnahmen scheitern in einem Fall und ein Wolf überwindet einen richtig ausgebauten Zaun. Da bin ich der Letzte, der sich gegen einen Abschuss stellen würde. Allerdings wäre das eine absolute Ausnahme!


Interview: Johannes Gurguta

Mehr zum Wolfcenter Dörverden unter www.wolfcenter.de

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