NÜRNBERGER LAND — Nun gilt die Homeoffice-Pflicht: Arbeitgeber müssen es ihren Beschäftigten ermöglichen, zu Hause zu arbeiten, wenn keine triftigen Gründe dagegen sprechen. Wie schätzen Unternehmer im PZ-Verbreitungsgebiet die Situation ein?
Gleich vorneweg: Belastbare Zahlen, wie viele Menschen aktuell von zu Hause aus arbeiten, gibt es für das Nürnberger Land nicht, so Frank Richartz von der Wirtschaftsförderung des Landkreises.
Homeoffice sei in der Pandemie ein wichtiges Werkzeug, aber eben kein Allheilmittel, meint Johannes Bisping, Chef des Laufer IT-K-Unternehmens Bisping&Bisping sowie Vorsitzender des IHK-Gremiums Lauf. Ein gesetzlicher Zwang sei allerdings wenig hilfreich. „Es müssen die technischen Rahmenbedingungen vorhanden sein, aber die Heimarbeit muss auch zu den Aufgaben und letztlich zur jeweiligen Person passen“, betont Bisping. Denn für manche sei das Arbeiten zu Hause auch „emotional schwierig“, etwa für Alleinstehende, die zurzeit ohnehin kaum Sozialkontakte haben, oder umgekehrt für Arbeitnehmer mit kleinen Kindern, die sich daheim schlecht konzentrieren können. „Zwingen kann ich als Chef ohnehin niemanden.“
Produktivität war gebremst
Bei Bisping&Bisping sind zurzeit 70 Prozent der Mitarbeiter, die sinnvoll von zu Hause arbeiten können, im Homeoffice. Das werde „gut gelebt“, die Mitarbeiter kommen auch mal stundenweise ins Büro. Sogenannte Viererinseln sind zurzeit nur mit jeweils einem Mitarbeiter besetzt. „Im ersten Lockdown haben wir eine Zeitlang alle heim geschickt, aber das hat die Produktivität enorm gebremst“, hat Johannes Bisping erfahren. Auf Dauer lasse sich das nicht durchhalten.
Deshalb wurde viel in andere Maßnahmen investiert. Es wurden etwa kostenlose Masken an die Mitarbeiter verteilt, CO2-Wächter und Plexiglasscheiben in den Büros eingebaut sowie eigene Coronatest-Möglichkeiten geschaffen.
In bestimmten Bereichen habe das Homeoffice ohnehin natürliche Grenzen, sagt der Geschäftsführer. „Ein Glasfaserkabel kann ich nicht von zu Hause einbauen.“ Insgesamt, so Bispings Eindruck, tun die überwiegend inhabergeführten Unternehmen im Nürnberger Land viel für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter. Außerdem gebe es eine wöchentliche Lagebesprechung mit dem Landratsamt.
Lange Lieferzeiten für Hardware
„Die Erwartungen der Politik bezüglich Homeoffice sind gerade sehr hoch, aber es kann nur ein Mosaikstein in der Pandemie sein“, meint auch Gerhard Knienieder, Geschäftsführer von Emuge. 1000 Mitarbeiter sind am Standort Lauf beschäftigt, die meisten davon in der Fertigung, im Lager und Versand. Zieht man die 70 Azubis und die rund 100 Mitarbeiter ab, die an hochkomplexen CAD-Arbeitsplätzen sitzen, kommen etwa 200 Beschäftigte für Homeoffice infrage, rechnet Knienieder vor. Aktuell arbeiten rund 70 von zu Hause, etwa 40 bis 50 weitere sollen das tun, wenn die bestellte Hardware endlich eintrifft. Laptops hätten zurzeit „exorbitante Lieferzeiten“. Private Geräte seien im Homeoffice nicht zugelassen.
Natürlich sei die Datensicherheit ein Problem, räumt Knienieder ein. „Mit jeder Leitung macht man eine Tür ins Firmennetzwerk auf.“ Außerdem sei in manchen Büros, trotz aller Digitalisierung, „noch viel Papier unterwegs“. „Man muss auch mal gemeinsam über einen Plan schauen“, weiß der Emuge-Chef aus Erfahrung. Man habe deshalb auch mit anderen Maßnahmen versucht, die Personaldichte runterzubringen, etwa leerstehende Räume reaktiviert und dort Büros eingebaut. Nicht nur in der Fertigung gab es Schichtarbeit, auch an den CAD-Arbeitsplätzen, wo manche Mitarbeiter morgens um 6 Uhr anfingen, andere um 13 Uhr. Besprechungen finden generell online statt.
Die Emuge-Betriebskantine darf seit Kurzem nur noch Speisen austeilen, gegessen werden muss aber am Arbeitsplatz. Außerdem wurden die Umkleiden samt Duschen geschlossen. „Die Mitarbeiter kommen jetzt schon in Arbeitsmontur“, berichtet Knienieder. Kein Problem sieht er beim Arbeitsweg. „Der ÖPNV spielt bei uns keine große Rolle, die meisten unserer Mitarbeiter fahren bei uns mit dem Auto.“
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Daheim statt im Rathaus
Seit Montag sind im Rathaus der Stadt Lauf fast alle Verwaltungsmitarbeiter geschlossen im Homeoffice, rund 80 an der Zahl. Nur im Bürgerbüro ist noch eine Rest-Mannschaft vor Ort. Damit wurde die bisherige Homeoffice-Regelung, mit der die Stadt Lauf schon im ersten Lockdown zu den Vorreitern gehörte, noch einmal verschärft. „Es funktioniert sehr gut und wir verbarrikadieren uns auch nicht“, sagt geschäftsführender Beamter Benjamin Wallner. Für wichtige Anliegen können Bürger im Vorfeld Termine vereinbaren. „Wenn mir jemand sagt, ‚ihr seid ja nicht da‘, dann antworte ich: ‚Wir sind schon da.‘“
Die Mitarbeiter kommen regelmäßig ins Rathaus, um Post oder andere Unterlagen abzuholen oder Unterschriften zu leisten. Für die Heimarbeit wurden zusätzliche Monitore angeschafft, ansonsten sei eine „gute digitale Infrastruktur“ bereits vorhanden gewesen, so Wallner. Besprechungen gibt es nur noch online, das sei lediglich am Anfang gewöhnungsbedürftig gewesen. Beim Thema Datenschutz lege man an die Mitarbeiter zu Hause zurzeit nicht die allerhöchsten Maßstäbe an, räumt Wallner ein.
Was leidet, das gibt der geschäftsleitende Beamte offen zu, sei der soziale Kontakt, die Treffen an der Kaffeemaschine oder der „Flurfunk“. Wallner: „Manche Kollegen habe ich seit einem Vierteljahr nicht mehr gesehen.“