KAINSBACH – Das Haus schmiegt sich an den Hang am Ortsrand von Kainsbach. Dahinter erstrecken sich ein idyllischer Garten mit Teich, Wiesen und Felder. Rundherum blühen Blumen und Sträucher. Es summt und brummt überall. Ein kleines, grünes Schild, fast etwas versteckt an der ehemaligen Doppelgarage hängend, weist darauf hin, was sich in diesem (Bienen-)Paradies versteckt: Hier sind die „Honigwanderer“ Jonas und Daniel Scholz zu Hause.
Und ihre rund 100 Bienenvölker – zumindest teilweise. Unter einem alten, knorrigen Baum stehen einige bunte Kästen. „Das ist unsere Königinnenzucht“, erklärt Jonas Scholz. Der 30-Jährige arbeitet als Software-Entwickler und ist vor rund zehn Jahren in die Familientradition der Imkerei nebenbei mit eingestiegen. Vater Daniel (65) hat das Imkern vor rund 35 Jahren vom Vater übernommen und lebt das Hobby als Rentner nun in vollen Zügen aus. „Aus dem Interesse ist Leidenschaft geworden.“ Und wenn Jonas Scholz beginnt, über die Königin, die das „A und O des Volkes“ ist, zu sprechen, wird diese Begeisterung spürbar.
Um ein neues Volk gründen zu können, braucht es eine gute Königin. Sie und die Arbeiterinnen machen letztlich die Eigenschaften des Staats aus, also wie gut der Honig ist, wie der Wabenbau, welches Verhalten die Tiere an den Tag legen und wie widerstandsfähig sie sind, so der Junior. „Schwache Bienenvölker merken wir uns und tauschen im Herbst die Königin aus.“ Sind die besten Anführerinnen gefunden, werden ihre Nachkommen im Frühjahr an Orte – der Fachmann nennt es Belegstellen – gebracht, an denen Bienen sonst nicht überleben – wie im Karwendel –, und dort mit Drohnenvölkern zusammengebracht zur Begattung. Eine neue Chefin entsteht.
Die kann mit ihrem Volk durch die Lande wandern, denn wie der Name der kleinen Nebenerwerbs-Imkerei schon sagt, handelt es sich um Wander-Bienen. Rund 6000 Kilometer im Jahr sind die Tierchen samt ihren beiden Besitzern auf Reisen. Doch warum dieser Aufwand? „Nahrungsmangel ist das Schlimmste für die Bienen“, betont Jonas Scholz. Pollen und Nektar sind aber wichtig für Gesundheit, Vitalität und Nachwuchsproduktion der Völker. Da die heimische Vegetation auf einmal blühte und nach dem Frühjahr ihren Zenit erreicht hatte, so Daniel Scholz, fanden die Bienen hier nichts mehr. Im Mai tourte der Tross daher nach Brandenburg in den Akazienwald, danach standen Winterlinde, Edelkastanie und im Juli als letztes Wald und Tannen auf dem Speiseplan.
Dieser Rundlauf von März bis Juli, wie ihn Daniel Scholz scherzhaft nennt, hat zwei Effekte: „Wir können Sortenhonige produzieren und haben gesunde Völker.“ Zuckerwasser als Nektarersatz bekommen die Scholz-Bienen erst, wenn es Richtung Winter geht. „Dann sind wir eigentlich auch froh, wenn mal Ruhe ist.“ Denn Vater und Sohn fahren die Völker nicht nur von A nach B, zwischendrin müssen die vollen Honig- gegen neue Leerkästen ausgetauscht werden. Viel Zeit verbringen sie im Auto, in der Natur und auch bei der Produktion zu Hause zusammen. „Da beschwert sich meine Frau schon manchmal“, verrät Daniel Scholz und lacht.
Gelbe Höschen
Doch nach zwei bis drei Monaten ohne die kleinen Summer können die beiden das Frühjahr kaum erwarten. Wenn sie die ersten gelben Pollenhöschen an ihren Bienen entdecken, dann hüpft ihr Herz. „Es ist eine Begeisterung, die kaum zu erklären ist“, sagen sie und wirken völlig erfüllt und überzeugt von ihrem Tun. Was sie an den Hautflüglern fasziniert, das können sie aber sehr wohl in Worte fassen: Es sind Komplexität, Robustheit und Dynamik. So entwickeln die Insekten ausgeklügelte Strategien zur Überwinterung: „Sie bilden eine Kugel, die in der Mitte bei der Königin 20 Grad warm ist“, weiß Jonas Scholz und seine Augen leuchten. Und als er den Tanz als Kommunikationsmittel beschreibt, gerät er ins Schwärmen.

Doch lange können die beiden dieses Phänomen nicht beobachten, die Arbeit ruft. Im Schleuderraum, der einmal eine Hälfte einer Doppelgarage war, pappt der Boden. Es riecht nach gutem Bienenwachs. Die große, silbern glitzernde und auf Hochglanz polierte Schleudermaschine im hinteren Eck surrt vor sich hin. An einer Seite sind Leerkästen ordentlich aufgereiht, einzelne Wabenplatten liegen herum. Hier schlägt das Herz der zertifizierten Bioland-Imkerei. „Wir haben schon immer Biowachs verwendet, aber als wir uns entschlossen haben, das richtig anzupacken, haben wir komplett auf Bio umgestellt“, blicken sie zurück. Alles Alte kam weg, eine Agentur entwickelte das Design für die Gläser und stimmte alles auf die Zielgruppe derer ab, die bereit sind, für Gesundes und Gutes Geld auszugeben, so die Scholz-Herren.
Das war ein Prozess mit vielen Diskussionen, geben sie unumwunden zu. „Der Junge musste den, der das schon immer so gemacht hat, oftmals überzeugen“, verrät Vater Daniel augenzwinkernd. Aber genau das sei „fruchtbar“ für beide gewesen und nun können sie blind miteinander arbeiten, sagen sie. Bio bedeutet bei Familie Scholz: die Verwendung von ätherischen Ölen und organischen Säuren gegen Bienenschädlinge, von Bioland genehmigte Standorte für die Völker außer Reichweite von konventionellen, intensiv gespritzten Obstplantagen, regelmäßige Überprüfung von Honig und Wachs und vieles mehr.
Aber warum das Wachs? „Es ist die Kinderstube für die Bienen und sozusagen die Leber, denn es reinigt den Honig und speichert Giftstoffe“, erläutert Jonas Scholz. Eine Reihe Bio-Wabenplatten hängen die Kainsbacher Imker oben in den Kästen ein, dann bauen die Bienen selbst hellere Naturwaben dazu. Wiederverwendet wird das Wachs nicht. „Das ist der Unterschied zur konventionellen Imkerei.“ Da kann es dann passieren, dass im Wachs Rückstände von Stoffen zu finden sind, die seit 20 Jahren verboten sind, klärt der Junior auf.
Auf der Butter
Derweil prüft er den Wassergehalt und entdeckelt die Waben. Dann wandern 16 Rahmen in die vollautomatische Schleuder. Langsam läuft sie an. „Sonst könnten die Waben zerbrechen“, erzählt Daniel Scholz. Von dort rinnt das Bienenprodukt in einen flachen Behälter – den Honigsumpf – mit verschiedenen Sieben, die die letzten Wachsreste auffangen. Wie mögen die beiden Honig denn am liebsten? Auf Butterbrot oder
-semmel, sind sie sich einig. „Oder als Met“, schiebt Jonas Scholz hinterher und beide lachen, weil sie an die zerplatzten Flaschen bei der Eigenproduktion denken müssen.
Sicher sind sie sich auch, dass sie ihre Honigsorten am Geschmack erkennen würden. „Lindenhonig ist frisch und minzig, Akazie süß und Edelkastanie sehr herb“, beschreiben sie die einzelnen Noten. Diese Sorten fließen nach dem Honigsumpf in einen großen Behälter mit ganz feinem Sieb, der unterhalb der Garage im ehemaligen Holzlager steht. Dort ist es kühl und dunkel. Als Daniel Scholz den glänzenden Hahn öffnet, ergießt sich ein goldener, dickflüssiger Strom des mehrfach prämierten Honigs in weiße Eimer. Sie werden exakt mit Standort und Sorte versehen und stehen aufgereiht und gestapelt in dem kleinen Raum. Man kann sich kaum umdrehen. „Vier bis fünf Tonnen Honig wird es in diesem Jahr geben“, überschlägt Vater Daniel.
Kleine Kristalle
„Eigentlich ist der Honig jetzt fertig“, sagt er. Bei richtiger Lagerung – trocken, dunkel und unter 15 Grad – sei das Produkt lange haltbar. Aber was heißt „eigentlich“? Während Tannen- und Waldhonig vor dem Abfüllen und Etikettieren per Hand leicht erwärmt wird, muss Blütenhonig, der leicht kandiert, vor dem Festwerden gerührt werden. „Dann bilden sich nur kleine Kristalle und er wird cremig“, geben sie Einblick in ihr Handwerk.
Woran erkennt man denn nun guten Honig? „Da steht ,die Honigwanderer’ drauf“, antwortet Jonas Scholz und lächelt verschmitzt. Man sollte nachvollziehen können, woher er kommt, am besten aus Deutschland direkt vom Imker, lautet ihr Rat. Sie selbst geben Land, Region und sogar GPS-Daten auf den modernen Gläschen an, die in rund 40 Feinkostläden zwischen Rügen und Bad Tölz verkauft werden. So verbreiten Jonas und Daniel Scholz ihre Passion für die Bienen in der ganzen Republik und vielleicht schaffen sie es ja, dass mancher sich von der Faszination anstecken lässt: „Wir Menschen können vom Sozialstaat der Bienen lernen: Jede kennt ihre Aufgabe, passt sie bei Zwischenfällen an und erfüllt diese, weil das Volk sonst in Gefahr geraten würde.“
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