Kontaktbeschränkungen halfen gegegen Influenza-Virus

Grippewelle fiel komplett aus

Die Influenza, auch „echte Grippe“, ist in Deutschland eine meldepflichtige Krankheit. Sie kann in seltenen Fällen tödlich enden. | Foto: NIH NIAID2021/06/influenza-virus-fotonachweis-NIH-NIAID.jpg

NÜRNBERGER LAND – Normalerweise gibt es ab Oktober die ersten Grippeerkrankungen, bis zum Ende der kalten Jahreszeit kommen im Landkreis Hunderte hinzu, die meisten im Januar, sagt Dr. Hanspeter Kubin, der Leiter des Gesundheitsamtes am Landratsamt. Doch vergangenen Winter war alles anders.

„Wir hatten keine Grippewelle, nicht einmal eine Delle nach oben. Unglaublich.“ Im Jahr 2021 wurde dem Gesundheitsamt kein einziger Grippefall gemeldet. Zum Vergleich: In den letzten vier Jahren waren es jeweils mindestens 491 Grippeerkrankte im Landkreis, die dem Gesundheitsamt gemeldet wurden. Besonders viele gab es 2018 mit 899. In den Jahren 2019 und 2020 starben insgesamt drei Landkreisbewohner an der Influenza.

Für Kubin liegt der Grund der ausgebliebenen Grippewelle auf der Hand: „Die niedrigen Zahlen der Influenzaerkrankungen sind der Beweis dafür, dass die allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen wirksam waren“, sagt der Mediziner.

Gleiche Verbreitungswege

Die Influenzaviren verbreiten sich wie die Coronaviren durch kleine Tröpfchen in der Luft, etwa beim Niesen, Husten oder Sprechen. Die Kontaktbeschränkungen und die FFP2-Maskenpflicht aufgrund der Pandemie haben laut dem Arzt verhindert, dass eine Grippewelle entstehen kann.

Die Influenza gilt als weniger ansteckend als das Coronavirus, die Maßnahmen gegen die Pandemie halfen demnach umso besser gegen die Grippe. Was für den Landkreis gilt, gilt genauso für ganz Deutschland, wie das RKI mitteilte: Die Grippe hatte diesen Winter keine Chance.
Kubin ist davon überzeugt, dass die Maßnahmen auch viele Ansteckungen mit dem Coronavirus verhindert haben.
Ohne Masken und Abstandsbestimmungen hätte es also deutlich mehr Infizierte und damit auch mehr Todesfälle gegeben.

„Bastelmasken“

Ein großes Plus sei die Nutzung von FFP2-Masken gewesen. „Ich bin sicher, dass dadurch eine ganze Menge an Infektionen nicht stattgefunden hat.“
Kritisch sieht Kubin hingegen die sogenannten Community-Masken, der Mediziner nennt sie scherzhaft „Bastelmasken“. Sie waren in Gebrauch, solange es nicht ausreichend FFP2-Masken im Handel gab. Laut Kubin hätten sich die Träger der im Vergleich zu FFP2-Masken nicht gut abdichtenden Community-Masken in falscher Sicherheit gewogen.

Skeptisch ist der Leiter des Gesundheitsamtes bei der Anzahl der Schnelltests, für die ein „wahnsinniger Aufwand“ betrieben worden war. Entscheidend ist für ihn hingegen, dass man zu Hause bleibt, wenn man sich krank fühlt.

Große Hoffnungen setzt Kubin in die Impfungen. Er ist zuversichtlich, dass sie auch bei Mutationen wirksam sind. Ob uns eine „vierte Welle“ bevorsteht, kann er nicht sagen.

Ab Herbst hat die Grippe Saison

Die Grippe dürfte jedenfalls im Herbst zurückkommen. „Influenzaviren werden sich ab Oktober vermehren und schauen, wo sie ungeimpfte Menschen finden“, sagt der Mediziner. Er hält es für möglich, dass es künftig Kombinationsimpfstoffe gegen Corona und die Grippe gibt, auch wenn es sich um völlig unterschiedliche Viren handelt. Kombinationsimpfstoffe gibt es bereits, etwa gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken bei Kleinkindern.


Lässt sich abschätzen, wie die Pandemie ohne jegliche Beschränkungen des öffentlichen Lebens abgelaufen wäre? Das haben wir das bayerische Gesundheitsministerium gefragt. „Nach einer Analyse des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit aus dem Mai 2021 hätte das alternative Szenario des ‚Nichtstuns‘ eine Durchseuchung der Bevölkerung mit SARS-CoV-2 von etwa 70 bis 80 Prozent zur Folge gehabt (unter Berücksichtigung des Auftretens möglicher Varianten auch höher)“, schreibt ein Sprecher der Behörde.

Gesundheitsministerium antwortet

„Es ist davon auszugehen, dass es dadurch zu einer Überforderung des Gesundheitssystems gekommen wäre und die Infizierten-Sterblichkeit nicht so niedrig geblieben wäre, sondern sich unter diesen Voraussetzungen deutlich erhöht, mindestens aber verdoppelt hätte“, so das Ministerium weiter. „Unter diesen vereinfachten Annahmen (Bevölkerung von 13 Mio. Einwohnern, Durchseuchung von 80 Prozent und einer durchschnittlichen Infizierten-Sterblichkeit von 1,5 Prozent) hätten rund 150 000 bayerische Bürger versterben können.“

Zehnmal mehr Tote ohne Maßnahmen?

Demgegenüber stehen rund 15 000 Corona-Todesfälle in Bayern laut RKI, also ein Zehntel. Folgt man diesen Annahmen, also einer Durchseuchung von rund 75 Prozent, hätten sich rund 128 000 der etwa 171000 Landkreisbewohner infiziert, etwa 1920 wären an den Folgen der Erkrankung gestorben. Tatsächlich gab es bisher 7438 Infizierte und 193 Corona-Tote im Landkreis.

Unklar bleibt, wieso die Behörde von einer höheren Infizierten-Sterblichkeit spricht und diese dann mit 1,5 Prozent angibt. Tatsächlich liegt die Sterblichkeit bayernweit bei rund 2,34 Prozent, also deutlich über 1,5 Prozent. Im Landkreis liegt sie bei rund 2,59 Prozent.

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren