Laptop oder PC: Home-Schooling ist teuer

Corona-Zeiten: Kinderarmut wieder aktuell

Viele Schüler mussten sich während des Corona-Lockdowns ein Laptop teilen, um am digitalen Schulunterricht teilnehmen zu können. In manchen Haushalten aber war gar keines vorhanden. | Foto: Krieger2020/08/Kinderarmut-PC-2.jpg

NÜRNBERGER LAND – Während die Zahl der Kinder und Familien, die von Sozialleistungen leben müssen, in Bayern zuletzt leicht sank, ist sie im Nürnberger Land gestiegen. Ende Dezember 2019 lebten 1398 Kinder unter 18 Jahren im Landkreis von Hartz IV. 2014 waren es noch 1159.

Kinderarmut ist und bleibt ein Thema, nicht nur in Deutschland, sondern auch im wirtschaftlich starken Bayern. Fast 120.000 Kinder und Jugendliche leben nach aktuellen Zahlen der Bertelsmann Stiftung im Freistaat von Hartz IV. Rund 250.00 Kinder sind von Armut bedroht.

Für das Nürnberger Land bedeutet das: Es waren Ende 2019 fünf Prozent der Kinder unter 18 Jahren auf Leistungen von Hartz IV angewiesen. Das entspricht einem Anstieg von 16 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Alfred Hornung, Geschäftsführer des Jobcenters Nürnberger Land, führt das vor allem auf den im Vergleich zum übrigen Bayern starken Zuzug von Flüchtenden und Migranten seit 2015 zurück.

Flüchtlingskrise ist noch spürbar

So stieg laut Statistik die Zahl der unter 18-jährigen Kinder mit ausländischer Herkunft in Bedarfsgemeinschaften von 2014 bis 2019 im Nürnberger Land um 316,6 Prozent an, in Bayern „nur“ um 88,5 Prozent. Das hänge damit zusammen, dass der Landkreis in der Flüchtlingskrise vergleichsweise viele Menschen, darunter viele Familien, aufgenommen habe, sagt Hornung. „Die Bereitstellung von Unterkünften und Wohnmöglichkeiten war hier besser als in anderen Regionen gegeben“.

Seit 2018 habe sich die Quote wieder verbessert. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern unter 18 Jahren sank laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit von 2018 auf 2019 im Landkreis Nürnberger Land wieder um 5,9 Prozent. So konnten 2018 dank der guten Wirtschaftslage mehr Menschen in Arbeit vermittelt werden, darunter auch Menschen mit Migrationshintergrund, deren Asylverfahren zwischenzeitlich positiv beschieden wurde. „Vom Wirtschaftsaufschwung haben auch arme Familien profitiert“, sagt Hornung.

„Kein schwerwiegendes Problem“

Für 2020 und 2021 wagt der Chef des Jobcenters noch keine Prognose. Es sei allerdings damit zu rechnen, dass die Folgen der Corona-Krise auch im Landkreis spürbar werden. Insofern könne sich die Situation auch wieder verschlechtern. Im Hinblick auf die Entwicklung bei der Kinderarmut betont Hornung, es gebe aus seiner Sicht kein „schwerwiegendes Problem“ im Landkreis. „Gleichwohl sind fünf Prozent Kinder in Bedarfsgemeinschaften natürlich grundsätzlich zu hoch“.

Auch wenn die Armutsquote Bayern und das Nürnberger Land im Vergleich zum restlichen Deutschland nicht schlecht dastehen lässt, so verbergen sich hinter den Zahlen Schicksale, die keine Einzelfälle sind. Spürbar wurde das gerade während des Corona-Lockdowns, als nicht nur Familien, die von Hartz IV leben müssen, sondern auch Geringverdiener plötzlich vor die Situation gestellt waren, technisches Equipment für das Home-Schooling ihrer Kinder bereit stellen zu müssen. Nach Umfragen hatten damit viele Familien nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell ein echtes Problem.

Anträge auf Finanzierung von PCs

Beim Jobcenter Nürnberger Land wurden in den vergangenen Monaten rund 20 Anträge auf Finanzierung von PCs und Notebooks gestellt. Laut Hornung wurden die Anträge aber nicht bewilligt, weil das Bayerische Sozialministerium die Zuständigkeit dafür an die Schulen bzw. Schulaufwandsträger weitergereicht hatte.

„Wir gehen davon aus, dass dort ab Herbst genügend Leihgeräte zur Verfügung stehen werden“, sagt Hornung. Sollte das nicht der Fall sei, könnten bedürftige Familien finanzielle Unterstützung außerhalb des üblichen Schulbudgets beantragen. In den vergangenen Monaten allerdings konnten die Nöte vieler Familien nur durch Initiativen gelindert werden, weil viele Schulen eben nicht über Leihgeräte verfügten: So hatten beispielsweise das Freiwilligenzentrum WinWin, Caritas und Sparkasse Nürnberg die Sammlung und Verteilung ausrangierter PCs und Notebooks organisiert.

Armut nicht nur bei Hartz IV

Dass der seit Jahren nicht wesentlich steigende Hartz IV Satz Familien wenig Spielräume für Anschaffungen dieser Art lässt, genauso wie die niedrigen Einkommen vieler Familien, die in Corona-Zeiten durch Kurzarbeit zusätzlich gebeutelt sind, bemängelte jetzt die Fraktion der Linken im Landkreis. Auch sie verweist auf die Bertelsmann-Studie, die mit deutlich steigenden Armutszahlen im gesamten Bundesgebiet aufgrund der Corona-Pandemie rechnet.


Evelyn Schötz, Kreisrätin der Linken, spricht in diesem Zusammenhang von einer „alarmierenden Entwicklung“. „Es leben nicht nur Kinder in Armut, deren Eltern Leistungen nach SGB II erhalten, sondern auch viele Kinder, deren Eltern nur ein geringes Erwerbseinkommen haben oder Sozialhilfe beziehen, so dass die Kinderarmut eigentlich um einiges größer ist.“

Die Linke fordert zur Bekämpfung unter anderem die Einführung einer Kindergrundsicherung, eine Forderung, die auch von Wohlfahrtsverbänden, Grünen und SPD immer wieder kommt. Darin könnten alle staatlichen Leistungen für Kinder zusammengefasst werden.
Statt einer Anrechnung des Kindergeldes auf Hartz IV-Leistungen, wie sie heute der Fall ist, und steuerlichen Freibeträgen für höhere Einkommen, bekäme jede Familie denselben Kindergeldgrundbetrag, der dann zusammen mit dem Haushaltseinkommen besteuert würde. So bliebe nach Meinung der Befürworter für Kinder aus einkommensschwächeren Familien mehr übrig. Ein Weg, um Kinderarmut langfristig vielleicht zu beseitigen.

Zum Thema

In Bayern sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fast 1,9 Millionen Menschen von Armut bedroht, unter ihnen rund 250.000 Kinder. Armut definiert sich nach gängigen Auslegungen über das Haushaltseinkommen und die daraus folgenden Möglichkeiten an gesellschaftlicher Teilhabe. Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. In Bayern liegt die Grenze für Alleinstehende bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.114 Euro. Darunter gelten Menschen als arm. Die Armutsgefährdungsquote liegt bei derzeit 14,5 Prozent. Besonders betroffen von Armut und gefährdet, arm zu werden, sind Alleinerziehende und deren Kinder.Langzeitstudien bestätigen, dass sich Armut bei Kindern und Jugendlichen auf alle Lebenslagen auswirkt. Ihr Risiko , arm zu bleiben ist größer als das Risiko anderer junger Menschen, arm zu werden. Armutserfahrungen haben zudem negative Folgen auf Gesundheit, Bildung und Selbstbewusstsein. Gerade der mangelnde Zugang zur Bildung vieler armer Kinder ist seit dem Corona-Lockdown ein Thema. Experten befürchten, dass diese nun erst recht abgehängt werden, wenn nicht gegengesteuert wird.

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