Energiekosten explodieren

Betriebe kämpfen mit dem Strompreis

Bevor Stahl und Kupfer zu Rohren werden, müssen sie im Röthenbacher Werk von Diehl Metall in riesigen Schmelzöfen verflüssigt werden. Diese werden mit Strom betrieben und haben hohen Anteil an den Energiekosten der Firma. | Foto: PZ-Archiv2021/11/diehl-giessanlage-ofen-rothe.jpg

Nürnberger Land – Der Strom, den die Bürger des Nürnberger Lands täglich aus ihren Steckdosen ziehen, darf zurzeit einen Namenszusatz tragen: Elektrisches Gold. Denn seit einem halben Jahr klettert der deutsche Strompreis immer weiter nach oben, in schwindelerregende Höhen. Während im Januar 2021 eine Megawattstunde am Spotmarkt – der Strombörse für den kurzfristigen Bedarf – durchschnittlich 30 Euro kostete, lag der Durchschnittspreis im Oktober bei 98 Euro.

Diese Preisexplosion trifft – ähnlich wie beim rasant steigenden Spritpreis (die PZ berichtete) – sowohl die privaten Haushalte als auch die Wirtschaft. Was für die Spediteure der Diesel ist, ist für Werkstätten und Fabriken der Strom. Er ist der „Treibstoff“, der alles am Laufen hält und der einen großen Teil der Ausgaben ausmacht.

Wer im Nürnberger Land über Strom redet, kommt an Diehl Metall nicht vorbei. Rund 100 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht das Werk in Röthenbach im Jahr, vor allem weil die riesigen Schmelzöfen der Fabrik elektrisch betrieben werden. Geht man davon aus, dass ein deutscher Vier-Personen-Haushalt laut dem BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) rund 4000 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht, benötigt Diehl Metall also so viel Strom wie 25 000 Vier-Personen-Haushalte.

Um ihren Bedarf zu decken, kauft die Firma teils lange im Voraus günstige Kontingente im Stromgroßhandel ein. Diese mildern zurzeit die Folgen der Preisexplosion, „langfristig können wir dem Preisanstieg aber nicht ausweichen“, sagt Claus Heubeck, der bei Diehl für alle Fragen rund um das Thema Energie zuständig ist.
Diese steht auf Platz zwei der Diehl’schen Ausgaben. Der Betrieb rechnet für 2021 mit 23 Prozent mehr Kosten für Strom als im vergangenen Jahr, für 2022 mit 30 Prozent mehr Kosten als 2020.

Mehrkosten weitergeben ist für Diehl schwierig

Durch diese zusätzlichen Kosten müsste Diehl – ähnlich wie die Spediteure beim Diesel – eigentlich beim Verkaufspreis anziehen und die Mehrkosten so in letzter Konsequenz an den Verbraucher abgeben, doch das ist leichter gesagt als getan.

„Wir stehen mit unseren Produkten im internationalen Wettbewerb und Deutschland hat im Vergleich die höchsten Energiepreise. Die Mehrausgaben weiterzugeben, weil gerade in Deutschland der Strom teuer ist, ist problematisch“, sagt Heubeck. Laut ihm müssen Deutschland und auch Europa dafür sorgen, dass der Energiepreis nicht zur Standortfrage wird.

„Auch wenn alle Parteien der Ampelkoalition im kommenden Jahr die EEG-Umlage senken wollen, sollten wir uns nichts vormachen: Die Förderung der erneuerbaren Energie verursacht hohe Kosten, die von der Volkswirtschaft getragen werden müssen.“ Die Energiewende sei eine große Kraftanstrengung, sowohl für die Bürger als auch die Betriebe. Die Regierung müsse die Wende mit der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zwingend in Einklang bringen.

Auch wenn die Experten von einer weiteren Preissteigerung des Stroms bis ins Frühjahr 2022 ausgehen, hält Heubeck den aktuellen Preis für überhöht und rechnet mit einer Entspannung im kommenden Jahr.

Der Fokus liegt auf Stromsparen

Ein weiterer Betrieb, der im Nürnberger Land stark von der Strompreisexplosion betroffen ist, ist der Laufer Werkzeugproduzent Emuge. Geschäftsführer Gerhard Knienieder rechnet mit hohen Zusatzkosten im kommenden Jahr. „Unsere Verträge zu alten Konditionen laufen in Kürze aus. Daher gehen wir davon aus, dass sich unsere Energieausgaben 2022 verdreifachen“, so Knienieder. Wie Diehl hat auch Emuge weltweit Konkurrenten, „doch ab dem 1. Januar müssen wir unsere Preise anheben.“

Dass Energie teurer wird, sei durch die angestrebte Wende unvermeidbar und von der Politik gewollt. „Der Klimaschutz ist wichtig und günstige Energie ist nicht umweltfreundlich. Energiequellen wie Kohlekraft passen einfach nicht mehr in unsere Zeit.“ Deswegen liege der neue Fokus auf dem Energiesparen. „Wir nutzen inzwischen Abwärme zum Heizen unserer Hallen und es laufen ständig Analysen, um die Effizienz zu steigern.

Neben den akuten Lieferkettenproblemen, die für Materialmangel sorgen, behindere auch die aktuellen Energieknappheit Chinas die Produktion von Emuge. „Nach dem australischen U-Boot-Handel mit den USA und Großbritannien hat China den Import von Kohle aus Australien gestoppt. Doch 60 Prozent der chinesischen Energie besteht aus Kohlestrom.“ In Folge des Mangels schalte China an verschiedenen Standorten tageweise den Strom ab. „Auch unser dortiges Werk war bereits betroffen“, sagt Knienieder.

Kosten für sauberen Strom

Anders als die großen Betriebe im internationalen Wettbewerb sind kleinere Produzenten im Nürnberger Land weniger stark vom Strompreisanstieg betroffen. Dem Laufer Hersteller von Elektrotechnik Löhnert reicht zum Beispiel der verfügbare Strom zu alten Konditionen noch einige Zeit aus. Trotzdem nutzt die Firma seit Jahren Alternativen zum externen Versorger, um Energie zu sparen.

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„Unsere Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert im Sommer so viel Strom, dass wir die Überproduktion für das Laden unserer Elektrofahrzeuge nutzen können“, sagt Geschäftsführer Thomas Baum. Doch das aktuelle Energiewende-Konzept der Regierung sei hinderlich. „Wir zahlen eine EEG-Umlage für unseren selbstgewonnen Strom, das ist völlig inakzeptabel.“

Als weitere Maßnahme habe Löhnert den Einsatz eines Stromspeichers geprüft. „Das Ergebnis war, dass der Stromspeicher für 150 000 Euro uns Kosten von 1500 Euro pro Jahr erspart. Wir würden den Speicher also 100 Jahre abbezahlen.“ Das mache zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Sinn.
„Die Wende ist ohne Stromspeicher nicht umsetzbar. Sie müssen regnerische und windarme Phasen überbrücken.“ Baum geht davon aus, dass die völlige Energiewende in Deutschland noch mindestens 20 Jahre entfernt ist.

Warum steigt der Strompreis?

Dass der Strom in Deutschland aktuell zu den höchsten Preisen seit rund zehn Jahren gehandelt wird, liegt laut den Experten des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) unter anderem an den hohen Erdgaspreisen, dem gestiegenen Bedarf durch das Ende des Corona-Tiefs und eine niedrige Einspeisung von erneuerbaren Energien. Aufgrund des regnerischen und eher windarmen Sommers ist der Anteil des „grünen“ Stroms gesunken. Die konventionelle Erzeugung liegt beim deutschen Strom vorne und hat sich durch den akuten Mangel an Rohstoffen wie Kohle und Gas verteuert.

Außerdem treiben die CO2-Emissions-Zertifikatspreise die Kosten. Dass der Strompreis in Deutschland zu den höchsten der Welt zählt, liegt – wie beim Sprit – an den zusätzlichen Abgaben. 50 Prozent des Preises machen Steuern, Netzentgelte und die EEG-Umlage aus. Die Industrie fordert deswegen die künftige Regierung auf, tätig zu werden.

Diese plant laut aktuellen Berichten, die EEG-Umlage 2022 zu senken und dafür Mittel aus dem Haushalt in die Förderung des Öko-Stroms zu stecken. Mit der angestrebten Elektrifizierung der Industrie wird der Energiebedarf in Deutschland in den kommenden Jahren weiter steigen. Der Ausbau der Produktion von erneuerbaren Energien soll den deutschen Strompreis auf lange Sicht senken.

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