SCHWARZENBRUCK – Die Schwarzenbrucker Bürgerhalle ist bereits brechend voll, während sich draußen im Foyer noch einige Hoffnungsvolle drängen. Vielleicht können sie ja doch noch eine Karte ergattern? Poetry Slam nennt sich die Veranstaltung, zu der an dem Abend alle wollen, und die durch die Künstler wie Marc-Uwe Kling, Nora Gomringer oder Horst Evers (Vorlesebühne) bekannt wurde. Einige Gäste sind Fans dieser Art von Literatenwettstreit, andere, und an diesem Abend die Mehrheit, kommen, weil sie neugierig sind und wissen wollen, was sich dahinter verbirgt.
Im Saal wechselt derweil alle sieben Minuten der Hauptdarsteller auf der Bühne. So viel Zeit haben die Poeten – sieben Männer und eine Frau –, ihre Gedanken möglichst eindringlich, halt publikumswirksam, vorzutragen. Was und wie sie das machen, dafür hätten sie laut Reglement alle Freiheiten, erklärt einführend Moderator und Szene-Star Michael Jakob im fantasievollen schwarz-weißen Sternenanzug mit Hut. Er ist selbst Poetry-Slam-Meister und inzwischen Veranstalter von Slam-Wettbewerben.
Allerdings müssen es eigene Texte sein und die Poeten dürfen, außer zum Ablesen des Textes, keine Hilfsmittel verwenden. Ansonsten ist alles erlaubt: Prosa wie Gedicht, Märchen wie Bericht, Rap wie dadaistische Lautmalerei, von feinfühlig über ironisch bis laut und derb. Feedback für die Künstler gibt’s gleich im Anschluss, zum einen durch Applaus, zum anderen durch die Punktevergabe einer Publikumsjury.
Beeindruckend, was alles geboten wurde. Den Auftakt machte Slam Meister Flo Langbein (Bamberg) mit seinem engagierten Appell für mehr Fantasie, Eigenwilligkeit, gegen Anpassung und Bürokratie. „Wir brauchen Helden, die nie erwachsen werden“, sagte er, Politiker, die ihre Kindheit nicht vergessen hätten und zuhören könnten. In „Du bist der Boss“ beleuchtete Felix Kaden (Erlangen) ironisch-satirisch Machtstrukturen, in die Kinder hineinwachsen, während Helmuth Steierwald alias Emir Taghikhani (Nürnberg) über das „Einander“ von „miteinander“ – „gegeneinander“ und „ein an der“ (Waffel) sinnierte.
Ob „körperliche Freiheit“ von dicken Menschen (Martin Hönl, Dietenhofen), urkomische chinesisch-tschechische Sprachverwirrung (Jaromir Konecny, München) anhand von Krapfen mit Rhabarbermarmelade – die Geschichten waren bunt, das Niveau hoch.
Martin Geier (Nürnberg) erzählte eine Rachegeschichte, und mit seinem ersten öffentlichen Auftritt feierte Olivier Manolikakis aus Schwarzenbruck Poetry-Slam-Premiere.
Bayerische Vizemeisterin siegte
Eigentlich hätten sie alle die Flasche Wein als Siegestrophäe verdient – sie wird anschließend gemeinsam geleert, verriet Moderator Jakob – aber auch hier kann es nur einen geben, in diesem Fall eine: Frederike Jakob (Erlangen), die bayerische Vizemeisterin erhielt am Ende und nach dem spannenden Finale mit Steierwald die meisten Punkte.
In verschiedenen Bildern enthüllt ihr Text allmählich die Gräuel von Kriegen, von Stalingrad über Völkermord bis zum Glaubenskrieg. Dass sich nichts ändert, zeigen die Soldaten, denen Jakob einmal den Namen Jim, einmal Theo gibt. Ihre Seelen gehen im Blutbad unter – „Du wolltest nur die Sterne sehen.“ Ihr zweiter Text „Europa Kinderland“, den sie im Finale sehr berührend vortrug, schildert ein Aufwachsen in einer fröhlichen und bunten Multikultikindheit. Gemeinsam wollen die Kinder die Welt erobern, doch mit dem Größerwerden driften sie langsam auseinander. „Grenzen waren uns fremd“, heißt es, und „aus grenzenlos wird maßlos“.
Unglaublich, mit welcher selbstverständlichen Sicherheit und Bühnenpräsenz die Poeten ihre Texte vortrugen, auswendig, als ob sie das tagtäglich machten. Inhaltlich durchdacht und geschliffen, präsentierten sich diese auch in ihrem Ausdruck mit Betonung, Tempo, Sprachmelodie durchgestylt.
Am Ende hatten alle strahlende Gesichter, Publikum wie Künstler, und natürlichen die Veranstalter, allen voran Monika Eibl, die Leiterin der Bücherei, denn von ihr stammt die Idee zu einem Poetry-Slam-Abend in Schwarzenbruck.
Richtig überwältigt zeigte sie sich von dieser Premiere. Geht man nach der Stimmung und Begeisterung der Zuschauer, war das bestimmt nicht der letzte Dichterwettbewerb.