Interview mit Lukas Kranzelbinder

„Es gibt keine Schranken“

Bandleader und Basssenkrechtstarter: Lukas Kranzelbinder von Shake Stew. | Foto: Frank Schindelbeck2020/01/Altdorf-Lukas-Kranzelbinder-c-Frank-Schindelbeck-3000p-scaled.jpg

ALTDORF – Lukas Kranzelbinder, der Bandleader der gefeierten österreichischen Jazztruppe Shake Stew, spricht im Interview über Erfolg, Inspiration und Emotionen.

Herr Kranzelbinder, die Kritiker überschlagen sich. Auf die Einladungen und Chancen, die Sie in drei Jahren erhalten haben, warten andere ein Leben lang. Was macht das mit Ihnen, wie bewahren Sie Ihre Bodenhaftung?

Es ist wirklich unglaublich. Wir sind nach wie vor extrem glücklich darüber, wie sehr die Musik bei den Menschen ankommt und seit letztem Jahr haben ein paar von uns auch begonnen, uns gegenseitig immer wieder daran zu erinnern, wie außergewöhnlich die Reise ist, auf der wir uns gerade befinden. Bei großen Konzerten in Istanbul oder am North Sea stellen wir uns zum Beispiel manchmal zusammen und führen uns vor dem Konzert noch einmal die Tragweite dessen, was gerade passiert, vor Augen. Das Schöne an dem ganzen ist aber, dass wir alle das Gefühl haben, als ob unser Weg gerade erst begonnen hat und ich freue mich schon wahnsinnig drauf, was da noch alles kommen wird!

Wie hat die Truppe vor ein paar Jahren zusammengefunden und wie kam es zu dieser originellen Besetzung mit zwei Drummern und zwei Bassisten?

Ich bekam 2016 als bisher jüngster Musiker den Auftrag für das Eröffnungskonzert des Jazzfestival Saalfelden und habe dafür Shake Stew ins Leben gerufen. Dabei ging es mir vor allem um die Frage: Wer hat die musikalischen Eigenschaften, um mit mir in dieser Band weit über das gewohnte energetische Limit zu gehen? Seit es die Band gibt, erzeugt die besondere Besetzung einen wahren Kreativfluss in mir, weil mit diesen Instrumenten einfach so viel möglich ist!

Wie entstehen diese unglaublichen Kompositionen?

Alles was ich schreibe, entsteht aus dem Moment. Ich bin absolut kein Typ, der sich bewusst hinsetzt und sagt: So, jetzt schreibe ich ein gutes Stück. Es ist nie absehbar in welchem Moment man eine Idee für ein neues Stück hat – das kann im Wohnzimmer mit der Familie, auf der Straße, im Proberaum oder wo auch immer sein. Wichtig für mich ist nur, sehr respektvoll mit solchen Momenten der Inspiration umzugehen und alles so gut es geht festzuhalten; meistens mit der Aufnahmefunktion meines Handys. Wenn ich das Gefühl habe, dass gerade etwas Großes entsteht, dann muss ich mich so schnell wie möglich zurückziehen und alles aufschreiben. Ein für mich wichtiges Barometer ist mein Körper- und Bauchgefühl: Wenn ich beim Komponieren spüre, dass die Musik etwas in meinem Körper auslöst und ich von der Energie bewegt werde, dann ist das meistens ein sehr gutes Zeichen.

Richtig gute Musiker haben Schubladen längst überwunden, was wohl auch dem Empfinden des jüngeren Publikums entspricht. Gibt es stilistische Grenzen für Sie oder ist alles erlaubt, wenn es denn zündet?

Wenn es sich für mich gut anfühlt, fließt es in unsere Musik ein – da gibt es keine Schranken.

Stichwort Improvisation. Wie weit beeinflusst die Live-Stimmung Ihre Performance, wie wichtig ist das Feedback während des Auftritts?

Das ist fast der essentiellste Faktor, warum wir überhaupt mit dieser Band Musik machen! Die Emotionen, die seit der Entstehung von Shake Stew bei Konzerten frei geworden sind, haben wirklich alles übertroffen, was ich bisher in Bands erlebt habe. Ich denke auch, dass diese enorme energetische Verbindung zwischen Publikum und Band ein Grund dafür ist, warum die Band so gut funktioniert und so erfolgreich ist.

In Rezensionen und Konzertberichten ist immer wieder vom Sog, vom Spirit, von Energie zu lesen, inwieweit spielt bei Ihrer Musik Spiritualität eine Rolle, hat Shake Stew eine Mission?

Spiritualität spielt eine sehr große Rolle. Ich denke, dass es für viele Menschen immer wichtiger wird, Mittel zu finden, um sich Energie oder eine bestimmte Emotion zuzuführen. Musik ist da seit jeher das wichtigste Medium und für mich gibt es nichts Schöneres, als einer Zuhörerin oder einem Zuhörer die Möglichkeit zu geben, an einem Abend komplett in ein anderes Universum einzutauchen und sich ganz dem energetischen Fluss der Musik hinzugeben.

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