NÜRNBERGER LAND — Achim Dobbert, stellvertretender Landrat und einer der profiliertesten Landkreis-Politiker der Grünen, tritt bei den kommenden Wahlen zum Kreistag nicht mehr für die Öko-Partei an. Zusammen mit seiner Frau und einer Gruppe politisch engagierter Bürgerinnen und Bürger hat er jetzt eine „Bunte Liste – Bürgerdemokratie“ aus der Taufe gehoben.
Anlass für den Schritt Dobberts ist sein Unmut über Ämterhäufung und anderes Gebahren des Laufer Bürgermeisters Benedikt Bisping, dem er unter anderem vorwirft, im Kreistag nicht die Interessen des Landkreises sondern nur der Stadt Lauf zu vertreten. Damit würden die Grünen auf Landkreisebene immer handlungsunfähiger. „Weil wir uns überall diesem ‚grünen‘ Bürgermeister ausliefern, der seine eigene Politik und seine eigenen Ziele verfolgt“, heißt es in einer wütenden Mail, die Dobbert als Erklärung für seinen Schritt an Parteifreunde sandte. Ausgedruckt füllt der Brief über vier DIN-A-4-Seiten. Da ist viel Ärger zusammengekommen in den vergangenen Monaten und Jahren. Ärger über Benedikt Bisping, dem er vorhält, sich neben dem Amt des Laufer Bürgermeisters auch das Amt des Fraktionsvorsitzenden im Kreistag unter den Nagel gerissen zu haben, „ohne einen Funken Kreistagserfahrung“.
Fraktion gespalten?
Doppelmandate und Ämterhäufung haben die Grünen einst bekämpft, Bisping dagegen sammelt, so Dobberts Vorwurf, Posten um Posten: Mitglied im Parteirat der Landespartei der Grünen, Mitglied im Vorstand des Bayerischen Städtetags, Mitglied des Bayerischen Gemeindetags, „und nun auch noch ein Teil der grünen Doppelspitze auf der Landkreisliste“.
Enormen Ehrgeiz, den Kreisverband zu dominieren und unter seinen Einfluss zu bekommen, sieht Dobbert ebenfalls beim Laufer Rathauschef: „Dabei nimmt er die Spaltung unseres Kreisverbands billigend in Kauf, wie zuvor schon die Spaltung in der Fraktion.“
Ein Vorwurf auch an den Altdorfer Grünen-Stadt- und Kreisrat Horst Topp: Dobbert hatte vorgeschlagen, dass auf der Kreistagsliste er selbst, Bisping und Topp weiter hinten platziert werden sollten. „Bisping hat nicht reagiert, Topp rundweg abgelehnt.“
Der Altdorfer allerdings weist auf telefonische Nachfrage darauf hin, dass er bei der Listenaufstellung zu jedem Kompromiss bereit gewesen sei. „Völlig unverständlich ist für mich, dass der Achim bei der Listenaufstellung rausgeprescht ist.“ Wie das ganze Vorgehen des ehemaligen Grünen-Fraktionschefs für ihn nicht nachzuvollziehen ist. „Wahrscheinlich ist das eine persönliche Sache zwischen ihm und Bisping“, vermutet Topp.
Der Laufer Bürgermeister will sich zunächst mit Fraktionschefin Dr. Ulrike Eyrich besprechen, bevor er sich öffentlich äußert. Die ist aber in Urlaub. „Vorher will ich nichts dazu sagen, um kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen“, sagt Bisping auf Nachfrage. Intern hat er sich allerdings bereits per Mail geäußert. Adressaten vermissen hier freilich „nötige selbstkritische Distanz“.
Nun also die „Bunte Liste – Bürgerdemokratie“: Gemeindeunabhängige und parteienunabhängige Landkreispolitik will Dobbert mit seinen Freunden machen und lädt auch Grüne ein, „denen jeglicher Personenkult ein Dorn im Auge ist“.
Der Schwarzenbrucker Uwe Düker ist Sprecher der Grünen im Nürnberger Land. Überraschend war das nicht, was ihm Achim Dobbert da zusandte. „Dass sich da etwas zusammenbraute, haben wir schon gesehen“, so Düker im Gespräch mit dem Boten. In letzter Zeit habe sich Dobbert ohnehin nicht mehr in die Fraktionsarbeit eingebracht und der Konflikt mit Bisping sei ja offenkundig gewesen. Es habe zwar Dobberts Ankündigung gegeben, eine neue Liste zu gründen, „aber es war komplett offen, ob die überhaupt zustande kommt.“
Der Schwarzenbrucker hat einen guten Draht zu Achim Dobbert, der ihn vor acht Jahren überredete, sich als Sprecher der Grünen im Nürnberger Land zu engagieren. Und er kann dessen Schritt nachvollziehen: „Dobbert spricht aus, was andere nur denken.“ Im Landkreisnorden hat Bisping aus Dükers Sicht viel grünes Porzellan zerschlagen. Sein Kontakt zum grünen Bürgermeister von Lauf? Der sei formal, so Dükers ebenso kurze wie vielsagende Antwort.
Porzellan zerschlagen
Eben weil im Landkreisnorden viel Porzellan kaputt ging, kommen von dort, aus Lauf, Schnaittach und Hersbruck, die meisten Mitgründer der neuen „Bunten Liste“. Aus dem Süden sind lediglich Christian Kubisch aus Altdorf und Richard Schlappa aus Schwarzenbruck dabei. Kubisch ist bei den Piraten engagiert, Schlappa bei der Linken. Der Schwarzenbrucker hat sich spontan entschlossen, Dobberts Einladung anzunehmen: „Das lief ganz kurzfristig.“ Jetzt werde man sich daranmachen, die Bürgerdemokratie wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, sagt er im Telefongespräch mit dem Boten. Schlappa hofft, dass sich weitere landkreisweit bekannte Persönlichkeiten, auch Leute, die kein Parteibuch haben, bei der „Bunten Liste“ einklinken.
So auch die Hoffnung von Christian Kubisch, der die Idee einer für alle engagierten Bürger offenen „Bunten Liste“ für den Kreistag unmittelbar nach den verlorenen Bundestagswahlen hatte. „Wir haben dann alle Vorstände kleinerer Parteien mit unserem Vorschlag angeschrieben und haben positive Resonanz erhalten“, so Kubisch. Das Ganze lief parallel mit Dobberts Anstoß. „Ein zeitlicher Zufall“, sagt der Altdorfer. Über die „Bunte Liste“ hätten jedenfalls auch Leute von Ödp, von der Linken oder Piraten Chancen auf einen Sitz im Kreistag.