OTTENSOOS — Der alteingesessene Ottensooser Gasthof „Rotes Ross“ ist pleite – und das ausgerechnet kurz vor der Kirchweih. Die Gemeinde aber hat das Meisterstück geschafft, binnen weniger Tage eine Zeltkirchweih im Hof der Kronenbräu auf die Beine zu stellen. Sie beginnt wie geplant am Donnerstag, 16. Juni.
„Es tut mir furchtbar leid, gerade wegen des Termins, aber es geht einfach nicht mehr“, sagt Jörg Zimmermann, der mit seiner Frau Claudia 21 Jahre lang das „Rote Ross“ geführt hat – in dritter Generation. Schon Claudias Eltern und Großeltern hatten die Ottensooser bewirtet. Die wirtschaftliche Lage habe sich über die letzten Jahre zugespitzt, berichtet Zimmermann. Größere Gesellschaften wie Hochzeiten, die früher regelmäßig im Saal gefeiert worden waren, und Vereinsfeste seien zunehmend zu privaten Anbietern abgewandert. „Ich bekomme das ja von meinem Schwager, der die örtliche Metzgerei betreibt, mit: Catering wird immer mehr nachgefragt, und uns fehlen die Veranstaltungen“, sagt Zimmermann. „Nur vom Bierverkauf kann man aber nicht leben. Und wenn man ohnehin schon Probleme hat, fallen nötige Investitionen umso schwerer.“
Der letzte Tag, an dem das Traditionshaus Gäste bewirtete, war Sonntag, der 29. Mai. Mit der Nachricht von der sofortigen Schließung erschien Zimmermann tags darauf bei Bürgermeister Klaus Falk, gut zwei Wochen vor der Kirchweih. Er sehe keine Chance, wenigstens noch für das Fest aufzusperren, beschied er das mehrfache Bitten Falks. Für den Bürgermeister kam diese Nachricht völlig überraschend: „Natürlich wussten wir, dass es hier und da kleinere Schwierigkeiten gab, aber das haben wir nicht erwartet“, sagt Falk. Seine Verwaltung und er standen daraufhin vor einer Mammutaufgabe: eine Kirchweih in zwei Wochen zu organisieren.
Zuerst dachte Falk an die Gäste der Gemeinde: Traditionell werden am Kirchweihsamstag abends im „Roten Ross“ rund 40 Ehrengäste, der Landrat, die Bürgermeister der umliegenden Orte, Gemeinderäte oder Vereinsvorsitzende bewirtet. „Das war schon unter meinem Vorgänger und Vorvorgänger so“, schildert Falk. Vogelsuppe-Essen am Donnerstag, der Tanz der Kirchweihburschen, der Männerfrühschoppen am Montag – all das hatte sich im „Roten Ross“ abgespielt. „Wir haben ja sonst nur noch die Osteria, und so knapp vorher kann man da auch nicht mit 40 Leuten kommen“, so Falk.
Also musste man im Rathaus komplett umdenken. Noch im Januar hatte der Kirchweihausschuss, der aus Gemeinderäten, Vereinsvertretern und Kirchweihburschen besteht, zusammengesessen und den Wunsch diskutiert, die Kirchweih wieder stäker in den Ortskern zu verlagern. Bisher verteilt sie sich zwischen dem Festplatz am Weiher, der Bar des FC Ottensoos und dem Roten Ross.
Doch das war nicht immer so: Bis die Kronenbräu im Jahr 2000 ihren Betrieb einstellte, hatte in deren Hof alljährlich ein Zelt gestanden. Diese Idee sollte irgendwann wieder aufleben – im Januar dieses Jahres jedoch schien der Juni noch zu kurzfristig. Ende Mai sah das anders aus: Der Kronenbräu-Hof war plötzlich der einzige Ausweg.
Doch zunächst waren einige Hürden zu nehmen – und zwar schnell. Die Erlaubnis der Stiftung, der das Areal jetzt gehört, ebenso wie die der beteiligten Brauerei Kitzmann mussten eingeholt werden. Ein Zelt musste her – mitten in der Kirchweih- und Festsaison keine leichte Aufgabe. Sämtliche Stand- und Budenbetreiber mussten über das neue Konzept informiert werden. Und nicht zuletzt gehört in ein Kirchweihzelt auch Musik.
Doch es ist tatsächlich vollbracht: Das Programm steht. Inklusive Vogelsuppe-Essen am Donnerstag – die Suppe wird jetzt vom Metzger geliefert. Anders als in den Vorjahren wird es auch wieder einen offiziellen Bieranstich geben: am Freitag um 19 Uhr. Frühschoppen, Kirchweihbaum, Kirchweihtanz am Sonntagabend und natürlich die Ottensooser Spezialität am Samstagabend, das Volksliedersingen am Dorfplatz – jetzt fehlen nur noch die Gäste, die ihre seit gut zehn Jahren erste Zeltkirchweih gebührend feiern.Julia Ziegler