Der Engpass liegt am Personalmangel

Die Luft wird dünn

NÜRNBERGER LAND – Auch im Landkreis sorgt der Aufprall der dritten Welle für überbelegte Intensivstationen in den Kliniken. Schwerkranke Covid-Patienten, die beatmet werden müssen, werden in teils weiter entfernte Krankenhäuser verlegt.

Wie passt das zusammen? Die Infektionszahlen bewegen sich auf hohem Niveau, gehen aber noch nicht so durch die Decke wie im Dezember. Die besonders anfälligen Senioren sind größtenteils geimpft, Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen passé. Auch die virusbedingten Sterbezahlen sind niedriger als in den ersten beiden Wellen. Und doch sind die Intensivstationen mit Covid-Patienten, vor allem die Beatmungsbetten, voll belegt, denn die Verläufe sind schwerer. So voll sind die Stationen, dass Patienten, die dringend an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden müssten, nicht aufgenommen werden können.

So passierte es dem Altdorfer Orthopäden Dr. Peter Wack, der auch Notarzteinsätze fährt, am Mittwoch, dass er eine Patientin nach Schwabach einliefern musste, weil es im Landkreis und auch in der Stadt Nürnberg kein freies Beatmungsbett mehr gab. Gerade ein Bett hatten zu diesem Zeitpunkt die Schwabacher noch frei. Woher kommt diese starke Nachfrage nach Intensivbetten zum jetzigen Zeitpunkt?

Mehrere Ursachen

Dr. Wack kennt die Ursachen: Als noch kaum geimpft wurde, erwischte das Virus vorwiegend die wenig widerstandsfähigen alten Menschen. „Die sind dann entweder innerhalb von 14 Tagen gestorben oder konnten auf eine Normal-Station verlegt werden“, erinnert sich Wack. Nun werden die Älteren aber aufgrund ihrer Immunisierung wesentlich seltener Opfer von Covid, dafür infizieren sich jüngere Leute häufiger, die ja auch noch keinen Impfschutz haben, allerdings grundsätzlich mehr Kontakte. Sie aber haben noch mehr Abwehrkräfte, sterben nicht so schnell. Was aber nicht heißt, dass sie auch schnell wieder gesund werden. Im Gegenteil.

Die werden oft 90 bis 100 Tage künstlich beatmet“, weiß der Notarzt, und schickt gleich eine persönliche Anmerkung hinterher: „Und drei Monate möchte ich nicht an einem Beatmungsgerät hängen.“ Ganz zu schweigen von den Langzeitschäden, mit denen solche Menschen auch noch viele Monate nach ihrer Entlassung zu kämpfen haben. Was er nicht sagt, aber eine logische Folge dieser langen Behandlungsdauer ist: Die Patienten, die so lange auf einem Beatmungsplatz behandelt werden, beanspruchen den zwar zurecht, verhindern aber, dass andere, die ebenfalls diese Geräte bräuchten, zum Zuge kommen.

Eine Situation auf der Intensiv-Station des Altdorfer Krankenhauses. Foto: Klinikum Nürnberg2021/04/Altdorf-Intensivstation-Altdorf-2.jpg

Das gilt ebenso für Intensivbetten ohne Beatmungsgerät. „Auch hier fehlen langsam die Betten für andere internistische Notfälle wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle“, gibt der Mediziner zu bedenken. Bei Operationen muss beurteilt werden, ob sie verschoben werden können, weil das Pflegepersonal für die Pflege und Versorgung von Coronavirus-Patienten benötigt wird – eine nicht immer ganz einfache Entscheidung, wie Dr. Christian Schmidt, Anästhesist, Intensivmediziner und Pandemiebeauftragter des Laufer Krankenhauses zu bedenken gibt.

„Nach Ostern war es richtig eng“

Aus diesem Grunde wurden am Krankenhaus Altdorf vergangene Woche zwei Corona-Patienten in andere Häuser in der Region verlegt. Das Krankenhaus konnte kurzzeitig auch nicht angefahren werden. „Es war nach Ostern ein paar Tage lang richtig eng“, sagt Dr. Adrian Vizireanu, Chefarzt am Altdorfer Krankenhaus. „Wir versorgen eben auch Patienten mit anderen schweren Erkrankungen im Haus, um die wir uns genauso kümmern und für die wir Kapazitäten freihalten müssen“.

Zum gestrigen Zeitpunkt wurde in Altdorf ein Patient mit Corona behandelt.
Die Betten-Kapazitäten, sowohl auf der normalen als auch der Intensiv-Station, schwanken stark. Auf der Plattform Ivena-Mittelfranken, auf der stündlich die stationären Aufnahmemöglichkeiten von Patienten in Mittelfranken aktualisiert werden, ändern sich die Informationen den Umständen entsprechend ständig. So war am gestrigen Freitag morgens um 9 Uhr kein Bett für Covid-Erkrankte in Altdorf mehr frei, um 10.30 Uhr zeigte das Portal an, dass Patienten mit Corona aufgenommen werden, ab 14 Uhr war das Krankenhaus für die Aufnahme von Patienten mit dem Virus wieder gesperrt.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass der Notarzt, der mit einem Patienten in eine entferntere Klinik in Erlangen, Regensburg oder Dinkelsbühl fahren muss, weil in der unmittelbaren Umgebung kein Bett frei ist, in dieser Zeit für sein eigentliches Einsatzgebiet über Stunden nicht zur Verfügung steht. Warum Dr. Wack am Mittwoch nicht ins Krankenhaus Rummelsberg fuhr, erklärt der Mediziner damit, dass dort keine vollständige Intensivstation betrieben wird. Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen können dort gar nicht behandelt werden und müssten eventuell noch einmal weiterverlegt werden. „Und einen Erkrankten, der beatmet wird, in ein anderes Krankenhaus zu verlegen, ist extrem kompliziert“, erklärt Dr. Wack.

Mutanten spielen wichtige Rolle

Und last but not least spielen beim aktuellen Infektionsgeschehen natürlich auch die Mutanten des Virus eine Rolle, die bekannterweise ansteckender und wohl auch gefährlicher sind, bestätigt der Arzt. Im Nürnberger Klinikum waren Anfang Februar fünf Prozent der Covid-Erkrankten mit der britischen Variante infiziert, jetzt sind es 90 %, das Gleiche gilt für das Nürnberger Land, erfährt man von der Pressestelle des Klinikums.

Klarstellen will Wack aber auch, dass der Versorgungsengpass nicht an der Geräte-Ausstattung, sondern am Personalmangel liegt. „Allein für zwei Intensivpatienten braucht es eine Pflegekraft, 24 Stunden lang“, resümiert er und betont, dass für die Pflege dieser Kranken Intensivpflegekräfte gebraucht werden, also Pflegekräfte mit einer besonderen Ausbildung.

„Bleiben Sie, wenn möglich, zuhause“

Isabel Krieger von der Unternehmenskommunikation des Klinikums Nürnberg informiert, dass das Krankenhaus Lauf zu Beginn der Woche elf Covid-19-Patienten behandelt hat, derzeit werden dort auch drei Post-Covid-19-Patienten betreut, was einen zusätzlichen pflegerischen Aufwand bedeute. Angesichts der steigenden Infektionszahlen lautet der Appell der Mediziner an die Bürger im Nürnberger Land unisono: „Bleiben Sie, wenn möglich, zuhause“. In dieser aktuellen Phase der dritten Coronawelle gelte es weiterhin, die Abstands- und Hygieneregeln zu beachten und einzuhalten und sich bei Kontakten und Unternehmungen zu fragen: „Was ist sinnvoll, nicht, was ist erlaubt“, so Dr. Christian Schmidt.

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