Obduktion ergab vier Messerstiche und einen Kopfschuss

Der Mörder wurde nie gefasst

Im 1971er Band des Boten in Feucht sind sämtliche Beiträge über den 50 Jahre zurück liegenden Mord nachzulesen. Daniela Juraschek, Mitarbeiterin des Kriminalfachdezernats 1 in Nürnberg, hofft, dass der Fall doch noch geklärt werden kann. | Foto: Alex Blinten2021/11/Feucht-Juraschek.jpg

FEUCHT – Vor 50 Jahren hat ein Unbekannter die damals 46-jährige Hausfrau Martha Spieler auf einem Schuttplatz bei Feucht umgebracht. Das dreijährige Töchterchen des Opfers wurde Zeuge der Bluttat. Daniela Juraschek lässt der lange zurückliegende Kriminalfall keine Ruhe.

Daniela Juraschek erinnert sich an das Erlebnis im Wald bei Feucht, als wäre es gestern geschehen. Mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder war die heute 60-Jährige im Sommer 1971 auf einem Spaziergang unterwegs. Wenige Tage zuvor hatte ein bis heute unbekannter Mörder eine Feuchter Hausfrau in der Nähe umgebracht. Die Erinnerung an den Nachmittag in Verbindung mit den Gedanken an die Bluttat kehrt für die 60-jährige Mitarbeiterin des Kriminalfachdezernats 1 in Nürnberg immer wieder zurück.

Sie läuft neben dem Kinderwagen mit ihrem Brüderchen her, tollt herum, will auch mal schieben und entdeckt Beeren am Wegesrand, eine kleine Wanderung im Wald, wie sie das regelmäßig mit ihrer Familie unternimmt. Alles ganz normal, bis ihre Mutter plötzlich schneller wird und sie selbst zur Eile antreibt. Was ist da los?

„Lauf jetzt, schnell!“

Da läuft jemand hinter uns her“, warnt die Mutter, „beeile dich, gehe schneller.“ Der kleine Junge im Kinderwagen kräht fröhlich, weiß nichts von der Angst seiner Mama, Daniela, damals zehn Jahre alt, kann die Sorge der Mutter zunächst ebenfalls nicht einordnen, spürt aber instinktiv, dass da irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Ein Unbekannter marschiert den Waldweg hinter ihnen her und kommt immer näher, so nah, dass die Mutter plötzlich warnt: „Lauf jetzt, schnell!“ Und die beiden laufen – den Waldweg entlang Richtung Feucht. Der Kinderwagen schaukelt hin und her, dabei fällt die Uhr des Vaters aus dem Wagen.

In einem Netz vorn am Wagen hat die Mutter die Armbanduhr ihres Mannes befestigt, durch das Schaukeln löst sie sich und fällt herab. „Die Uhr, Mama!“ ruft Daniela, will sie aufheben, wird von ihrer Mutter weggezerrt. Jetzt sehen die beiden die Wohnbebauung von Feucht. In die Friedrich-Stoer-Straße müssen sie, zu ihrer Wohnung. Als die ersten Häuser am Waldrand auftauchen, schauen sich Mutter und Tochter um – der Unbekannte ist spurlos verschwunden.
Am Abend gibt es Ärger mit dem Vater, weil die Uhr weg ist. Eine spätere Suche auf dem Waldweg bleibt erfolglos.

Warum die Panik bei der Mutter, die Angst bei der damals zehnjährigen Daniela? Wenige Tage zuvor war eine 46-jährige hochschwangere Hausfrau im Wald bei Feucht ermordet worden. „Geht bloß nicht in den Wald“, hatte die Oma ihre Mutter noch gewarnt, die aber nichts auf die Warnung gab. Die getötete Frau war ebenfalls mit einem Kinderwagen unterwegs gewesen, darin ihr dreijähriges Töchterchen Lolita, das – wie die Polizei später ermitteln wird – den Mord an seiner Mutter unmittelbar erlebt haben muss.

In Vergessenheit geraten

50 Jahre liegt die Tat nun zurück, sie ist bis heute nicht aufgeklärt, der Mörder ist immer noch auf freiem Fuß oder hat seine Schuld mit ins Grab genommen. Der Mord an der 46-jährigen Martha Spieler ist einer der inzwischen in Vergessenheit geratenen Coldcases in Bayern. Daniela Juraschek allerdings hat die 50 Jahre zurück liegende Bluttat nie losgelassen.

Die Nürnberger Nachrichten und der Bote berichten am Donnerstag, 10. Juni 1971, ausführlich über den Mord auf dem Schuttplatz an der B 8. Zeugen hatten gesehen, dass Martha Spieler am Mittwochvormittag, 9. Juni, mit dem Kinderwagen die Bundesstraße von Feucht aus überquert hatte und weiter in den Wald gegangen war. Kurze Zeit später biegt ein Lastwagenfahrer von der B 8 zum Schuttplatz ab, um hier Altreifen aufzuladen. Er hört das Weinen eines Kleinkindes und findet Lolita neben einem Kinderwagen stehend. Die Kleine hat rote Spritzer auf ihrem Gesicht und ihrem Mützchen, Blut der Mutter, wie sich später herausstellen wird.

Die 50 Jahre alten Beiträge über den Mord enthalten viele Details, die bei aktuellen Fällen nicht veröffentlicht werden dürften, weil sie Täterwissen offenbaren. Foto: Alex Blinten2021/11/Feucht-Mord-Spieler.jpg

Niemand meldet sich, als der Lkw-Fahrer laut ruft. Er nimmt die Kleine deshalb mit und fährt zur Polizei. Eine Streife sieht sich dann am Schuttplatz um und entdeckt nach wenigen Minuten die halbbekleidete Leiche der 46-jährigen hochschwangeren Mutter. Es regnet zwischenzeitlich in Strömen. Damit wird die Spurensicherung zur Glückssache. Auf dem Schuttplatz steht im Dauerregen so viel Wasser, dass nicht einmal mehr die Spuren des Kinderwagens für die Ermittler sichtbar sind. So viel steht aber für die Ermittler schon nach kurzer Zeit fest: Der Fundort des Opfers ist auch der Tatort.

Messerstiche und Schuss

Wenige Tage später berichtet der Bote über das Obduktionsergebnis. Der Mörder hat Martha Spieler mit vier Messerstichen und einem Schuss in den Kopf getötet. Sexuell missbraucht wurde die Frau laut Obduktionsbericht nicht. In den Fokus der Ermittlungen rückt ein Zeitschriftenwerber, nachdem Zeugen den Mann völlig durchnässt und angeblich mit Blut verschmiert zur Tatzeit an der B 8 gesehen haben wollen.

Die Polizei kommt aber nicht weiter, aus den damaligen Presseberichten geht hervor, dass der Mann, ein etwa 20- bis 25-jähriger Farbiger, der gut deutsch sprach, als Zeuge gesucht wurde. Der Unbekannte war mit einem VW-Käfer unterwegs. Das Fahrzeug wurde zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe des Schuttplatzes gesehen.

Ehemann in der Redaktion

In der Redaktion des Boten meldet sich am Freitag, 11. Juni 1971, Martha Spielers Ehemann, der Altmetallhändler Klaus Spieler. Er berichtet, dass sein Töchterchen ihm von einem Auto am Tatort erzählt habe. Seine Frau sei regelmäßig zum Schuttplatz der Gemeinde Feucht gegangen, um dort nach Buntmetallen zu suchen. In den Wochen darauf verschwindet der Fall Spieler aus den Schlagzeilen.

Nachdem die Tat in diesem Jahr 50 Jahre zurück liegt, hat Daniela Juraschek bei ihren Kollegen in Schwabach nachgefragt. Ja, der Fall sei nach all den Jahren immer noch offen, hat man ihr erklärt. Mord verjährt ja nicht. Aber es ist halt ein Coldcase, der einfach zu lange zurück liegt. Da verweist die 60-Jährige auf die Sendung Aktenzeichen XY ungelöst, die Jahrzehnte alte Fälle aufgreift. Manchmal gibt es auch nach so langer Zeit noch Hinweise, die zum Täter führen. Hat sie also noch Hoffnung, dass der Mord in Feucht doch noch geklärt werden kann? Ja, die hat sie: „Das wünsche ich mir so sehr.

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