Hat Lillinghof bald Folgen für ganz Bayern?

Kurz nach dem Flugunglück: Ein Polizist sperrt die Unfallstelle ab, die Ermittler beginnen ihre Arbeit. Viel spricht dafür, dass der Luftstrom einer zweiten Maschine den Doppeldecker von seiner Bahn abgebracht hat. Foto: PZ-Archiv2010/11/10918_New_1289577964.jpg

LAUF — Erfüllen Ehefrauen von Kommunalpolitikern eine öffentliche Aufgabe, wenn sie ihre Männer auf Termine begleiten? Im Fall des Flugunglücks in Lillinghof hat die Unfallversicherung diese Frage jetzt bejaht – zum ersten Mal in Bayern. Unterdessen verdichten sich die Anzeichen dafür, dass ein mit laufendem Propeller neben der Startbahn abgestelltes Flugzeug den Unfall ausgelöst hat.

Als ein historischer Doppeldecker vor zwei Monaten in die Zuschauer des Lillinghofer Flugtages raste, traf er zuerst eine Bierbank, auf der die Ehrengäste der Segelflieger saßen: Getötet wurde Hildegard Seitz, die Frau des Laufer Allgemeinmediziners und Stadtrats Manfred Seitz, zu den fünf Schwerverletzten gehörte auch die Frau des stellvertretenden Bürgermeisters Manfred Scheld, der zu diesem Zeitpunkt als Urlaubsvertretung die Geschicke im Rathaus leitete.

In beiden Fällen hat der Gemeindeunfallversicherungsverband (GUVV), die Unfallversicherung der Kommunen und des Freistaats, das Unglück jetzt als Arbeitsunfall anerkannt. Die Familien bekommen deshalb eine Hinterbliebenen- beziehungsweise Verletztenrente. Für Kai Koerner, den gemeinsamen Anwalt von Seitz und Scheld ist das ein „Grundsatzentscheid“, der Folgen für ganz Bayern habe. „Schließlich wird ja erwartet, dass Ehepartner öffentliche Termine gemeinsam wahrnehmen“, sagt der Jurist (Interview auf Lokalseite 13).

Beim GUVV indes bremst man die Hoffnungen. Sprecherin Ulrike Renner-Helfmann betont: „Wir werden nicht alle Fälle nach diesem Muster entscheiden. Sonst fliegen uns die Budgets um die Ohren.“ Auch in einer Stellungnahme von Elmar Lederer, dem Direktor der Unfallversicherung, wird darauf hingewiesen, dass die Ehefrauen von Politikern nur mitversichert seien, wenn sie Repräsentationsaufgaben erfüllten.

Lederer: „Die Tatsache, dass auch die beiden Frauen beim Lillinghofer Flugtag mit gemeinsamer Anreise im Dienstwagen des Bürgermeisters, mit reservierten Plätzen, ohne Eintritt zahlen zu müssen und durch offizielle Begrüßung als Ehrengäste behandelt wurden, zeigt deutlich, dass sie die Stadt mitrepräsentierten.“ Von einer „Trendwende“ in der Verwaltungspraxis könne nicht die Rede sein.

Laut Koerner, der Fachanwalt für Sozialrecht ist, wurde das Flugunglück vom GUVV erst nach einigem Zögern als Arbeitsunfall anerkannt. Nur durch die Vermittlung von Benedikt Bisping, dem Laufer Bürgermeister – den Scheld an jenem Tag vertreten hat –, sei es schließlich zu einer Einigung gekommen. In der Tat bestätigt Renner-Helfmann, wie besonders der Fall auch für die Versicherung war: „Die Kollegen können sich nicht erinnern, etwas Ähnliches in den vergangenen Jahren gehabt zu haben.“

Für den Witwer der Getöteten und das Ehepaar Scheld bedeutet die nun getroffene Entscheidung, dass Rentenzahlungen fließen, ohne dass dafür erst komplizierte Verhandlungen notwendig wären. Auch bleibt den Beteiligten der Nachweis eines konkreten „Schadens“ erspart.

Zwischenbericht mit Fakten

Bis das Unglück beim diesjährigen Flugtag auch strafrechtlich aufgearbeitet ist, wird es dagegen noch Monate dauern. Bei der Staatsanwaltschaft wartet man auf die Ergebnisse der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig. Diese will in der kommenden Woche einen Zwischenbericht veröffentlichen. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine erste, unkommentierte Faktensammlung.

Aus informierten Fliegerkreisen wird bereits berichtet, dass sich die Ermittler bei der Suche nach einem Auslöser auf eine weitere Maschine konzentrieren, die im 90-Grad-Winkel zur Startbahn stand. Dieses Flugzeug vom Typ „Antonow AN 2“ soll mit laufendem Propeller in Parkposition gewartet haben. Dass der dadurch entstandene Luftstrom den historischen Doppeldecker ins Trudeln gebracht hat, will man bei der BFU allerdings nicht bestätigen und verweist auf den Zwischenbericht. „Wir geben zu schwebenden Verfahren generell keine Auskunft“, so Roger Knoll, der zuständige Sachbearbeiter.

Offen bleibt die Frage, warum der erfahrene Pilot des Doppeldeckers, der laut Knoll „nicht gerade wenige Flugstunden“ gehabt hatte, die Böe nicht ausgleichen konnte. Die Faktensammlung, so der Sachbearbeiter, werde viele unterschiedliche Faktoren auflisten, die für den Unfallhergang relevant seien.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung gegen vier Beschuldigte: den Piloten, zwei Mitarbeiter des Luftamtes Nordbayern und den Veranstaltungsleiter, ein Mitglied des Laufer Segelfluglubs. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Abstand des startenden Flugzeugs zum Publikum wohl geringer als die vorgeschriebenen 50 Meter war, nämlich nur 45,2 Meter. Auch bei vergangenen Flugtagen waren immer wieder Maschinen aus dieser Entfernung gestartet.

Strafrechtlich kann der Verein nur dann belangt werden, wenn fest steht, dass die Nichteinhaltung der Vorschrift auch zum Unfall geführt hat. Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke: „Es geht zentral um die Frage der Kausalität.“ Für die Behördensprecherin steht zudem noch gar nicht fest, ob überhaupt Anklage erhoben wird. Es sei auch möglich, so Gabriels-Gorsolke, dass es sich bei dem Flugunglück einfach um ein „unabwendbares Ereignis“ gehandelt habe.

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