Telepräsenz-Avatar vertritt kranken Schüler

Ein Roboter drückt die Schulbank

Von seinem Platz in der ersten Reihe aus kann Paul von zuhause aus direkt an die Tafel schauen. Dank dem Roboter kann er sich aber auch zu seinen Mitschülern drehen. | Foto: Haase2021/12/Roboter_Frisch2-scaled.jpg

HERSBRUCK/ NÜRNBERGER LAND – Im Paul-Pfinzing-Gymnasium vertritt ein Roboter den erkrankten Paul, der durch den Avatar von zuhause aus am Unterricht teilnehmen kann. Mit seinem Tablet kann er das Gerät steuern und das Geschehen im Klassenzimmer live verfolgen und auch mitmachen.

Auf Pauls Platz in der ersten Reihe sitzt deshalb seit November ein Telepräsenzroboter, der für ihn zuhört, zusieht und durch den der Elfjährige sich auch mit seinen Klassenkameraden und Lehrern unterhalten kann. Marvin: Diesen Namen hat die Klasse dem Avatar gegeben, weil er dem gleichnamigen Roboter aus dem Film „Per Anhalter durch die Galaxis“ ähnelt.

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In einem kurzen Video zeigen wir, was der Roboter kann. Außerdem erzählt Paul von seinen Erfahrungen mit dem Gerät. / Video: Haase

Doch eigentlich trägt das Gerät den Namen „AV1“. Entwickelt wurde es von dem norwegischen Startup „No Isolation“ und soll langzeitkranken Kindern helfen, den Anschluss in der Schule und zu Mitschülern nicht zu verlieren. 2020 haben laut „No Isolation“ 1200 solcher Roboter weltweit Schulbänke gedrückt. Und nun besucht einer von ihnen auch in Hersbruck den Unterricht.

Digitaler Stellvertreter

„Das funktioniert einwandfrei“, sagt Paul durch die Lautsprecherboxen am Gerät. Denn sein digitaler Stellvertreter überträgt das Geschehen im Klassenzimmer live an Pauls Computer zuhause. Das Gerät kann er außerdem mit Pfeiltasten drehen, den Kopf bewegen und Emotionen ausdrücken. „Der Roboter kann zum Beispiel auch lächeln, oder traurig schauen“, sagt Paul. Dann passen sich die leuchtenden Augen von Roboter Marvin der per Knopfdruck gewählten Emotion an.

„Ich kann auch in einen Schlafmodus schalten, falls es mir einmal zu viel wird, oder mich einfach ganz abschalten. Aber das mache ich jetzt lieber mal nicht,“ sagt der Elfjährige und bringt seine Klassenkameraden damit zum Lachen.

Foto: Haase2021/12/IMG_0708-scaled.jpg

Denn auch bei seinen Mitschülern kommt das knuffige Kerlchen gut an. Pauls Klassenkameradinnen Emma, Paula und Theresa passen auf Marvin auf, nehmen den Roboter mit in die Pause und tragen ihn von Klasse zu Klasse. Anfangs seien sie aufgeregt gewesen, erzählen die Schülerinnen. „Aber es ist cool einen Roboter in der Klasse zu haben und durch Marvin kann Paul überall dabei sein.“ Bisher haben sich die Schüler ohnehin nur digital kennengelernt, weil Paul bereits seit Beginn seines ersten Schuljahres am Gymnasium zuhause bleiben muss.

„Maus“ als Ideengeber

Dass der Elfjährige nun aber überhaupt im Unterricht mitmachen kann, hat er der Initiative von Klassleiter Alexander Frisch und der schnellen Unterstützung des Landratsamtes zu verdanken. Als Frisch hörte, dass er einen Schüler in der Klasse haben wird, der von Anfang an nicht in der Schule sein kann, hat er sich an einen Beitrag aus der „Sendung mit der Maus“ erinnert. Dort wurden die neuen Telepräsenzroboter vorgestellt.

Klassleiter Alexander Frisch (links) und Schulleiter Klaus Neunhoeffer (rechts) fragen die Klasse nach ihren Erfahrungen mit dem Roboter. / Foto: Haase2021/12/Roboter_Klasse3-scaled.jpg

Auch Schulleiter Klaus Neunhoeffer war von der Idee sofort begeistert und hat sich gründlich über die Technologie informiert. Rund 4000 Euro koste das Gerät in der Anschaffung. Hinzu käme ein ähnlich hoher jährlicher Betrag für die Lizenz und die eingebaute SIM-Karte. Durch diese funktioniert der „AV1“ überall, kann aber auch mit normalem Wlan verbunden werden. „Weil das Gerät nichts aufzeichnet und direkt mit Pauls Endgerät verbunden ist, ist das auch datenschutzrechtlich problemlos“, sagt Klaus Neunhoeffer.

Schnell und unbürokratisch

Überzeugt von der Idee wendete er sich an das Landratsamt als Träger der weiterführenden Schulen. Von Horst Oertel, damals noch Sachbereichsleiter für Schulen und jetzt im Ruhestand, erhielt er sofort Unterstützung. „Es hat von Idee bis zur Lieferung keine drei Wochen gedauert – pünktlich zum Schulstart war der Roboter da“, erinnert sich Neunhoeffer.

Ein Teil der Anschaffungskosten sei außerdem durch den Digitalpakt für Schulen finanziert worden, so Landrat Armin Kroder. Da solche Geräte bisher noch die Ausnahme darstellen, hat er sich vergangenen Freitag bei Paul und der Klasse erkundigt, welche Erfahrungen sie mit dem Roboter bisher gesammelt haben.

Für das Foto hat Roboter Marvin extra sein lächelndes Gesicht aufgesetzt. Gesteuert hat das Schüler Paul von zuhause aus. Im Hintergrund (v.l.n.r.): Landrat Armin Kroder, Schulleiter Klaus Neunhoeffer und Klassleiter Alexander Frisch. Foto: R. Haase
Für das Foto hat Roboter Marvin extra sein lächelndes Gesicht aufgesetzt. Gesteuert hat das Schüler Paul von zuhause aus. Im Hintergrund (v.l.n.r.): Landrat Armin Kroder, Schulleiter Klaus Neunhoeffer und Klassleiter Alexander Frisch. / Foto: R. Haase

Paul freut sich, dass er nun in die Klassengemeinschaft eingebunden ist. „Manchmal sehen die Lehrer aber nicht, dass ich mich melde. Dann blinkt eigentlich der Kopf des Roboters. Außerdem verstehe ich ab und zu nicht, was in der letzten Reihe gesagt wird“, sagt der Elfjährige am anderen Ende der „Roboter-Leitung“. Das seien aber seine einzigen Kritikpunkte.

Obwohl der Telepräsenz-Roboter eine gute Alternative zur echten Teilnahme am Unterricht darstellt, hoffen alle Beteiligten, dass Paul sich irgendwann von Marvin verabschieden kann. Nämlich dann, wenn er seine Schule endlich zum ersten Mal „live“ betritt. Denn auf lange Sicht gebe es die Perspektive, dass Paul wieder kommt, so Neunhoeffer.

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