Streit ums Altdorfer Graffiti-Areal

Verwirrung oder Alternativ-Entscheidung

Die Rückseite der ehemaligen Kino-Kneipe Graffiti, fotografiert Anfang April: In der Mitte der ehemalige Biergarten mit den beiden mehrere hundert Jahre alten Linden. 2014 gab es von Inselkammer schon einmal eine Bauvoranfrage für das über 3000 Quadratmeter große Grundstück, die eine weitaus moderatere Bebauung vorsah, als die jetzt angepeilte Seniorenwohnanlage. Damals lehnte der Altdorfer Bauausschuss die Anfrage ab. | Foto: Blinten2017/07/Graffiti-Rueckansicht.jpg

ALTDORF – CSU und FW/UNA haben mit ihrer Mehrheit im Stadtrat ein Ratsbegehren zum Graffiti-Areal auf den Weg gebracht. Jetzt werden den Altdorfern aller Voraussicht nach am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, zwei Fragen zur Entscheidung vorgelegt. Einmal die Frage des Bürgerbegehrens, das durch Initiative einer Bürgerinitiative zustande kam und von SPD und Grünen unterstützt wird, und einmal die Frage die Ratsbegehrens. Es geht um den Erhalt des Graffiti-Gartens und den dortigen Baumbestand bzw. um den Bau von Seniorenwohnungen auf dem Grundstück.

Ist das verwirrend für die Bürger? SPD und Grüne sehen das so und machen CSU und FW/UNA den Vorwurf, mit dem Ratsbegehren zu taktieren. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens zum Graffiti habe vollauf genügt. Die Gegenseite betont derweil, dass die Bürger durchaus informiert genug seien, um die Argumente für oder gegen eine Seniorenwohnanlage auf dem Graffiti-Grundstück gegeneinander abzuwägen und die beiden Fragen am 24. September dann entsprechend zu beantworten.

Rote Karte

Wie berichtet hat der Stadtrat mit der Mehrheit von CSU und FW/UNA beschlossen, einen Bebauungsplan für eine Seniorenwohnanlage auf dem Graffiti-Grundstück aufzustellen. Mit einem Bürgerentscheid will eine Bürgerinitiative das verhindern. Binnen kürzester Zeit kamen genügend Unterschriften im Rahmen eines Bürgerbegehrens für einen Bürgerentscheid zusammen.

Die Gegner der Seniorenwohnanlage im ehemaligen Biergarten des Graffiti wollen einen von Architekt Hubert Kress aufgestellten Bebauungsplan für das Gebiet weiterverfolgen, der eine geringere Bebauung auf dem Grundstück und den Erhalt des dortigen Baumbestands vorsieht.

Dass jetzt ein Ratsbegehren mit einer zweiten Fragestellung kommt, empfinden die Gegner der Seniorenwohnanlage wie eine Blutgrätsche auf dem Fußballplatz, ein grobes Foul, für das Eckart Paetzold (Grüne) im Stadtrat mit der Roten Karte drohte.

Tricksereien und ein Schlag ins Gesicht

SPD-Fraktionschef Martin Tabor sprach von Tricksereien und einem Schlag ins Gesicht aller Altdorfer, die das Bürgerbegehren unterstützten: „Ich persönlich würde mich für so ein politisches Verhalten schämen.“ Der Fraktionschef der SPD prophezeite FW/UNA und CSU deshalb schlechte Ergebnisse bei den nächsten Kommunalwahlen. „Sie werden die Quittung bekommen.“

Dafür, dass man ein Bürgerbegehren mit einem Ratsbegehren kontert? So sieht das Stadträtin Margit Kiessling: „Ich bin stinkesauer.“ Die Bürger würden mit dem Ratsbegehren nur verwirrt. Und das sei „sehr undemokratisch“.

„Wissen nicht, was drin steht“

Verwirrung der Bürger dagegen sieht Dr. Bernd Eckstein (CSU) eher in der Fragestellung des Bürgerbegehrens. Die Leute wüssten doch gar nicht, was im Bebauungsplan von Kress drin stehe. Außerdem: Wenn der Bürgerentscheid erfolgreich und die Seniorenwohnanlage abgelehnt wäre, dann hätte das gerichtliche Folgen, ist Eckstein überzeugt. „Der Eigentümer wird dann vor Gericht eine noch dichtere Bebauung durchsetzen.“ Das Ratsbegehren brauche man einfach, weil das ganze Verfahren für das Graffiti sonst über Jahre hinaus verzögert werde.

Eckart Paetzolds Vorwurf, das Ratsbegehren sei ein „eklatanter Verstoß gegen demokratische Spielregeln“ hatte auf der Gegenseite des Saals Kopfschütteln in Serie zur Folge. Fassungslos sei er, konstatierte Dr. Peter Wack (FW/UNA). „Mich entsetzt, wie wenig SPD und Grüne vom Wähler halten.“ Die können nach Wacks Überzeugung sehr wohl abwägen, was wichtiger ist: der Erhalt des Gartens und der alten Bäume, oder der Bau von Seniorenwohnungen.

Die Seniorenwohnanlage ist aber für Ursula Weser (SPD) eine Mogelpackung. Anfangs sei von einem Pflegeheim die Rede gewesen, jetzt stehe fest, dass es sich um eine Anlage handelt, bei der ambulante Pflege dazu gebucht werden kann. Und nicht die AWO baue, sondern ein Investor mit Gewinnerzielungsabsicht.

Je mehr, desto günstiger

In der Vergangenheit war immer wieder von Luxus-Seniorenwohnungen die Rede, weshalb Thomas Kramer klar machte, dass die Kosten für die Wohnungen in direktem Zusammenhang zu deren Zahl steht. „Je mehr auf dem Grundstück entstehen, desto günstiger werden sie.“ Wenn also der Bebauungsplan von Kress realisiert wird, dann werden die Wohnungen richtig teuer, so Kramer, der nach eigener Aussage aber auch alle Altdorfer verstehen kann, die die alten Bäume auf dem Grundstück erhalten wollen.

Kommt eine Klage?

Gäbe es Alternativstandorte für eine Seniorenwohnanlage? Horst Topp (Grüne) ist fest davon überzeugt, Thomas Dietz (FW/UNA) dagegen nicht: „Es geht darum, was einem wichtiger ist: Erhalt der Grünanlage am Graffiti oder Seniorenwohnungen in Zentrumsnähe.“

Cordula Breitenfellner teilt eine ganz spezielle Kritik am Bürgerbegehren mit einer Reihe von Stadtratskollegen. Sie wirft den Unterschriftensammlern vor, den Bürgern an den Infoständen keinen reinen Wein eingeschenkt zu haben. „Der Eigentümer wird nämlich sofort klagen, wenn der Bürgerentscheid durchgeht.“ Für die Stadt Altdorf werde das alles noch richtig teuer. Unter Umständen setze Inselkammer als Eigentümer des Grundstücks eine dann noch viel massivere Bebauung durch. „Das hätte man den Bürgern sagen müssen, als sie mit ihrer Unterschrift das Bürgerbergehren unterstützten“, stellte Breitenfellner fest.

Das Bauen auf dem Graffiti-Areal komplett verhindern wollen weder Grüne noch SPD. „Wir lehnen aber eine massive Bebauung ab“, sagt Martin Tabor. „Dass der Eigentümer bauen darf, steht doch außer Frage.“

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