ALTDORF – Ein Ratsbegehren zum Graffiti-Areal wird es nicht geben. Mehrheitlich hat sich der Stadtrat dagegen ausgesprochen. Nun läuft es auf ein Bürgerbegehren hinaus, das dann in einen Bürgerentscheid mündet. Damit dieser stattfinden kann, müssen mindestens neun Prozent der wahlberechtigten Altdorfer im Rahmen des Bürgerbegehrens unterschreiben.
Die SPD wollte die Weichen für einen Bürgerentscheid dagegen schon im Stadtrat stellen. Hätte der sich mehrheitlich für ein Ratsbegehren zum Graffiti-Areal ausgesprochen, hätte man auf ein Bürgerbegehren verzichten und sofort einen Bürgerentscheid anstreben können. Wie mehrfach berichtet sind SPD und Grüne im Stadtrat für einen Ankauf des 3000 Quadratmeter großen Filetgrundstücks durch die Stadt. CSU und FWG unterstützen Pläne der AWO, die hier in Kooperation mit der Neumarkter Firma Kölbl Seniorenwohnungen und einen Pflegestützpunkt errichten will. Beide Seiten tauschten jetzt noch einmal ihre Argumente aus.
Sinneswandel
Martin Tabor erinnerte für die SPD daran, dass Professor Hubert Kress das Graffiti-Gelände im Auftrag der Stadt überplant hatte. Die Planung von Kress sah den Erhalt des grünen Bereichs und eine Bebauung lediglich vorne an Stelle der vorhandenen Gebäude vor. Dann habe es vor einem Jahr einen Sinneswandel bei der Stadt gegeben. Die AWO bezeichnet Tabor als Steigbügelhalter für das Vorhaben des Investors auf dem Graffiti-Grundstück.
Den Baudergraben als historisches Denkmal sieht Tabor akut bedroht, außerdem: Der Eingang zur Stadt werde nie mehr so sein, wie er sich jetzt präsentiert.
Im ehemaligen Biergarten gibt es alten Baumbestand, den die SPD unbedingt erhalten will. Dabei sei eine Bebauung möglich, „aber sanft und zurückhaltend“, sagt Tabor, der auch auf die Verkehrsproblematik hinweist und bezweifelt, dass das Landratsamt hier seine Zustimmung geben wird. Zusammen gefasst: Die Stadt sollte das Grundstück kaufen, Geld sei ja da, betont der Fraktionssprecher der SPD.
Gibt es ein Vorkaufsrecht?
Aber kann sie selbst mit dickem Geldbeutel den Grund kaufen? Bei FW/UNA bezweifelt man das. Thomas Dietz etwa glaubt nicht, dass die Grundstücksbesitzerin Inselkammer an die Stadt verkauft. Und seine Fraktionskollegin Cordula Breitenfellner zweifelt auch an, dass es im vorliegenden Fall für die Stadt ein Vorkaufsrecht gibt. Um das auszuüben, müsste die Kommune detailliert darlegen, für welche städtischen Zwecke sie den Grund verwenden will. Vorkaufsrechte treten beispielsweise in Kraft beim gewünschten Bau von Schulen oder städtischen Verwaltungsgebäuden. „Die Stadt kann nicht einfach über fremdes Eigentum verfügen“, hält Breitenfellner fest. Und weil SPD und Grüne immer von einer öffentlichen Grünfläche reden, wenn es um den Baudergraben geht, verweist die FW-Stadträtin auch darauf, dass diese Fläche noch nie öffentlich war.
Anders als beim Outlet-Center
Ein Bürgerentscheid, der sich für einen Kauf des Graffiti-Areals durch die Stadt ausspricht, würde also möglicherweise ins Leere laufen. Auch deshalb weigerte sich die CSU, über ein Ratsbegehren den Weg dazu frei zu machen. Fraktionssprecher Thomas Kramer erinnerte an den Sommer vergangenen Jahres, als Teile der CSU sich mit einem Outlet-Center hätten anfreunden können, aber insgesamt unsicher waren. Deshalb habe er selbst seinerzeit auch über ein Ratsbegehren nachgedacht, um die Entscheidung an die Bürger zu geben. Im Fall Graffiti-Areal ist sich Kramer dagegen sicher: Die Bebauung mit Seniorenwohnungen ist der richtige Weg. Als gewählter Stadtrat will er sich dafür einsetzen, dass es in Altdorf zentrumsnahe Seniorenwohnungen gibt.
Für die Bebauung des Graffiti-Biergartens gibt es bereits einen Mehrheitsbeschluss (15:9) des Stadtrats. Der stammt vom Dezember 2016, als der Investor eine Bauvoranfrage stellte. Seinem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für eine Seniorenwohnanlage stimmte dann der Stadtentwicklungsausschuss (7:6) im Januar 2017 zu (wir berichteten).
Auf dem Graffiti-Gelände gibt es Baurecht, daran erinnerte Dr. Bernd Eckstein, aus dessen Sicht die Pläne von Professor Kress „klassische Verhinderungsplanung“ waren. Wovor seinerzeit schon die ehemalige Stadtbaumeisterin Alexandra Reinhardt gewarnt und auf mögliche rechtliche Auseinandersetzungen mit Inselkammer hingewiesen hatte.
Für Eckstein eignet sich das Grundstück ideal für die Bebauung mit Seniorenwohnungen. Völlig ungeeignet dagegen ist es aus Sicht der Grünen. Stadtrat Eckart Paetzold sieht das Stadtbild negativ beeinträchtigt und befürchtet, dass der Investor „die AWO vorschiebt und dann etwas ganz anderes macht“.
Aus städtebaulichen Gründen spricht sich auch Karin Völkl (SPD) gegen die Graffiti-Bebauung aus: Grünfläche und Bäume würden verschwinden, ebenso der Fußweg Baudergraben. So auch Micha Tabor (SPD): „Wenn die Stadt ihre Baumschutzverordnung vehement verteidigen würde, dann wäre eine solche Bebauung gar nicht möglich.“
Geduld haben
Horst Topp und sein Fraktionskollege Paetzold sind zuversichtlich, dass die Stadt das Graffiti-Areal doch noch von Inselkammer erwerben kann. „Wir müssen nur Geduld haben, dann kriegen wir das Grundstück schon“, so Paetzold.
Bleibt am Ende die im Stadtrat nicht geklärte Frage: Worüber sollen die Bürger eigentlich entscheiden in Sachen Graffiti-Areal, wenn die Stadt das Grundstück nicht kaufen kann?